Haus wär' sein; der Fechtmeister kriegte manchen Hieb, biß aber die Zähne zusammen und ließ sich's nicht verdrießen, denn er dachte bei sich: "fürchtest du dich vor einem Hieb, so kriegst du das Haus nimmermehr." Als nun die gesetzte Zeit herum war, kamen sie zusammen nach Haus, sie wußten aber nicht, wie sie die beste Gelegen- heit finden sollten, ihre Kunst zu zeigen, saßen beisammen und rathschlagten. Wie sie so saßen, kam auf einmal ein Haas über's Feld daher gelau- fen. "Ei, sagte der Barbier, der kommt wie gerufen," nahm Becken und Seife, schaumte, bis der Haas in die Nähe kam, dann seifte er ihn in vollem Laufe ein und rasirte ihm auch im vol- len Laufe ein Stutzbärtchen und dabei schnitt er ihn nicht und that ihm an keinem Haare weh. "Das gefällt mir, sagte der Vater, wenn sich die andern nicht gewaltig angreifen, so ist das Haus dein." Es währte nicht lang, so kam ein Herr in einem Wagen daher gerennt in vollem Jagen. "Nun sollt ihr sehen, Vater, was ich kann," sprach der Hufschmied, sprang dem Wagen nach, riß dem Pferd, das in einem fort jagte, die vier Hufeisen ab und schlug ihm auch im Jagen vier neue wieder an. "Du bist ein ganzer Kerl, sprach der Vater, du machst deine Sachen so gut, wie dein Bruder, ich weiß nicht, wem ich das Haus geben soll." Da sprach der dritte: "Vater, laßt mich auch einmal gewähren," und weil es anfing
Haus waͤr’ ſein; der Fechtmeiſter kriegte manchen Hieb, biß aber die Zaͤhne zuſammen und ließ ſich’s nicht verdrießen, denn er dachte bei ſich: „fuͤrchteſt du dich vor einem Hieb, ſo kriegſt du das Haus nimmermehr.“ Als nun die geſetzte Zeit herum war, kamen ſie zuſammen nach Haus, ſie wußten aber nicht, wie ſie die beſte Gelegen- heit finden ſollten, ihre Kunſt zu zeigen, ſaßen beiſammen und rathſchlagten. Wie ſie ſo ſaßen, kam auf einmal ein Haas uͤber’s Feld daher gelau- fen. „Ei, ſagte der Barbier, der kommt wie gerufen,“ nahm Becken und Seife, ſchaumte, bis der Haas in die Naͤhe kam, dann ſeifte er ihn in vollem Laufe ein und raſirte ihm auch im vol- len Laufe ein Stutzbaͤrtchen und dabei ſchnitt er ihn nicht und that ihm an keinem Haare weh. „Das gefaͤllt mir, ſagte der Vater, wenn ſich die andern nicht gewaltig angreifen, ſo iſt das Haus dein.“ Es waͤhrte nicht lang, ſo kam ein Herr in einem Wagen daher gerennt in vollem Jagen. „Nun ſollt ihr ſehen, Vater, was ich kann,“ ſprach der Hufſchmied, ſprang dem Wagen nach, riß dem Pferd, das in einem fort jagte, die vier Hufeiſen ab und ſchlug ihm auch im Jagen vier neue wieder an. „Du biſt ein ganzer Kerl, ſprach der Vater, du machſt deine Sachen ſo gut, wie dein Bruder, ich weiß nicht, wem ich das Haus geben ſoll.“ Da ſprach der dritte: „Vater, laßt mich auch einmal gewaͤhren,“ und weil es anfing
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Haus waͤr’ ſein; der Fechtmeiſter kriegte manchen
Hieb, biß aber die Zaͤhne zuſammen und ließ
ſich’s nicht verdrießen, denn er dachte bei ſich:
„fuͤrchteſt du dich vor einem Hieb, ſo kriegſt du
das Haus nimmermehr.“ Als nun die geſetzte
Zeit herum war, kamen ſie zuſammen nach Haus,
ſie wußten aber nicht, wie ſie die beſte Gelegen-
heit finden ſollten, ihre Kunſt zu zeigen, ſaßen
beiſammen und rathſchlagten. Wie ſie ſo ſaßen,
kam auf einmal ein Haas uͤber’s Feld daher gelau-
fen. „Ei, ſagte der Barbier, der kommt wie
gerufen,“ nahm Becken und Seife, ſchaumte,
bis der Haas in die Naͤhe kam, dann ſeifte er ihn
in vollem Laufe ein und raſirte ihm auch im vol-
len Laufe ein Stutzbaͤrtchen und dabei ſchnitt er
ihn nicht und that ihm an keinem Haare weh.
„Das gefaͤllt mir, ſagte der Vater, wenn ſich die
andern nicht gewaltig angreifen, ſo iſt das Haus
dein.“ Es waͤhrte nicht lang, ſo kam ein Herr
in einem Wagen daher gerennt in vollem Jagen.
„Nun ſollt ihr ſehen, Vater, was ich kann,“
ſprach der Hufſchmied, ſprang dem Wagen nach,
riß dem Pferd, das in einem fort jagte, die vier
Hufeiſen ab und ſchlug ihm auch im Jagen vier
neue wieder an. „Du biſt ein ganzer Kerl, ſprach
der Vater, du machſt deine Sachen ſo gut, wie
dein Bruder, ich weiß nicht, wem ich das Haus
geben ſoll.“ Da ſprach der dritte: „Vater, laßt
mich auch einmal gewaͤhren,“ und weil es anfing
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/219>, abgerufen am 18.12.2024.
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