Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

Belohnung eine davon zur Frau haben. Da ging
er mit ihm, wie sie aber zu Haus ankamen und
die älteste ihn sah, schrie sie, daß sie einen so ent-
setzlichen Menschen, der gar keine menschliche Ge-
stalt mehr habe und wie ein Bär aussehe, heira-
then solle; die zweite lief auch fort und wollte lie-
ber in die weite Welt gehen; die jüngste aber
sprach: "lieber Vater, weil ihr es versprochen
habt und er euch auch in der Noth geholfen, so
will ich euch gehorsam seyn." Da nahm der
Grünrock einen Ring von seinem Finger und
brach ihn durch und gab ihr die eine Hälfte und
behielt die andere für sich. In ihre Hälfte aber
schrieb er seinen Namen und in seine schrieb er
ihren, und sagte, sie möchte den halben Ring
gut aufheben. Da blieb er noch ein Weilchen
bei ihr und sprach dann: "nun muß ich Abschied
nehmen, drei Jahre bleib ich aus und so lang sey
mir treu, dann komm ich wieder und soll unsere
Hochzeit seyn, bin ich aber in drei Jahren nicht
zurück, so bist du frei, denn da bin ich todt; bet'
aber für mich, daß mir Gott das Leben schenke."

In den drei Jahren machten sich nun die
beiden ältesten Schwestern recht lustig über die
jüngste, und sagten, sie müßt' einen Bär zum
Manne nehmen, und kriegte nicht einmal einen
ordentlichen Menschen. Sie aber schwieg still
und dachte, du mußt deinem Vater gehorchen, es
mag kommen wie es will. Der Grünrock aber

Belohnung eine davon zur Frau haben. Da ging
er mit ihm, wie ſie aber zu Haus ankamen und
die aͤlteſte ihn ſah, ſchrie ſie, daß ſie einen ſo ent-
ſetzlichen Menſchen, der gar keine menſchliche Ge-
ſtalt mehr habe und wie ein Baͤr ausſehe, heira-
then ſolle; die zweite lief auch fort und wollte lie-
ber in die weite Welt gehen; die juͤngſte aber
ſprach: „lieber Vater, weil ihr es verſprochen
habt und er euch auch in der Noth geholfen, ſo
will ich euch gehorſam ſeyn.“ Da nahm der
Gruͤnrock einen Ring von ſeinem Finger und
brach ihn durch und gab ihr die eine Haͤlfte und
behielt die andere fuͤr ſich. In ihre Haͤlfte aber
ſchrieb er ſeinen Namen und in ſeine ſchrieb er
ihren, und ſagte, ſie moͤchte den halben Ring
gut aufheben. Da blieb er noch ein Weilchen
bei ihr und ſprach dann: „nun muß ich Abſchied
nehmen, drei Jahre bleib ich aus und ſo lang ſey
mir treu, dann komm ich wieder und ſoll unſere
Hochzeit ſeyn, bin ich aber in drei Jahren nicht
zuruͤck, ſo biſt du frei, denn da bin ich todt; bet’
aber fuͤr mich, daß mir Gott das Leben ſchenke.“

In den drei Jahren machten ſich nun die
beiden aͤlteſten Schweſtern recht luſtig uͤber die
juͤngſte, und ſagten, ſie muͤßt’ einen Baͤr zum
Manne nehmen, und kriegte nicht einmal einen
ordentlichen Menſchen. Sie aber ſchwieg ſtill
und dachte, du mußt deinem Vater gehorchen, es
mag kommen wie es will. Der Gruͤnrock aber

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0122" n="101"/>
Belohnung eine davon zur Frau haben. Da ging<lb/>
er mit ihm, wie &#x017F;ie aber zu Haus ankamen und<lb/>
die a&#x0364;lte&#x017F;te ihn &#x017F;ah, &#x017F;chrie &#x017F;ie, daß &#x017F;ie einen &#x017F;o ent-<lb/>
&#x017F;etzlichen Men&#x017F;chen, der gar keine men&#x017F;chliche Ge-<lb/>
&#x017F;talt mehr habe und wie ein Ba&#x0364;r aus&#x017F;ehe, heira-<lb/>
then &#x017F;olle; die zweite lief auch fort und wollte lie-<lb/>
ber in die weite Welt gehen; die ju&#x0364;ng&#x017F;te aber<lb/>
&#x017F;prach: &#x201E;lieber Vater, weil ihr es ver&#x017F;prochen<lb/>
habt und er euch auch in der Noth geholfen, &#x017F;o<lb/>
will ich euch gehor&#x017F;am &#x017F;eyn.&#x201C; Da nahm der<lb/>
Gru&#x0364;nrock einen Ring von &#x017F;einem Finger und<lb/>
brach ihn durch und gab ihr die eine Ha&#x0364;lfte und<lb/>
behielt die andere fu&#x0364;r &#x017F;ich. In ihre Ha&#x0364;lfte aber<lb/>
&#x017F;chrieb er &#x017F;einen Namen und in &#x017F;eine &#x017F;chrieb er<lb/>
ihren, und &#x017F;agte, &#x017F;ie mo&#x0364;chte den halben Ring<lb/>
gut aufheben. Da blieb er noch ein Weilchen<lb/>
bei ihr und &#x017F;prach dann: &#x201E;nun muß ich Ab&#x017F;chied<lb/>
nehmen, drei Jahre bleib ich aus und &#x017F;o lang &#x017F;ey<lb/>
mir treu, dann komm ich wieder und &#x017F;oll un&#x017F;ere<lb/>
Hochzeit &#x017F;eyn, bin ich aber in drei Jahren nicht<lb/>
zuru&#x0364;ck, &#x017F;o bi&#x017F;t du frei, denn da bin ich todt; bet&#x2019;<lb/>
aber fu&#x0364;r mich, daß mir Gott das Leben &#x017F;chenke.&#x201C;</p><lb/>
        <p>In den drei Jahren machten &#x017F;ich nun die<lb/>
beiden a&#x0364;lte&#x017F;ten Schwe&#x017F;tern recht lu&#x017F;tig u&#x0364;ber die<lb/>
ju&#x0364;ng&#x017F;te, und &#x017F;agten, &#x017F;ie mu&#x0364;ßt&#x2019; einen Ba&#x0364;r zum<lb/>
Manne nehmen, und kriegte nicht einmal einen<lb/>
ordentlichen Men&#x017F;chen. Sie aber &#x017F;chwieg &#x017F;till<lb/>
und dachte, du mußt deinem Vater gehorchen, es<lb/>
mag kommen wie es will. Der Gru&#x0364;nrock aber<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[101/0122] Belohnung eine davon zur Frau haben. Da ging er mit ihm, wie ſie aber zu Haus ankamen und die aͤlteſte ihn ſah, ſchrie ſie, daß ſie einen ſo ent- ſetzlichen Menſchen, der gar keine menſchliche Ge- ſtalt mehr habe und wie ein Baͤr ausſehe, heira- then ſolle; die zweite lief auch fort und wollte lie- ber in die weite Welt gehen; die juͤngſte aber ſprach: „lieber Vater, weil ihr es verſprochen habt und er euch auch in der Noth geholfen, ſo will ich euch gehorſam ſeyn.“ Da nahm der Gruͤnrock einen Ring von ſeinem Finger und brach ihn durch und gab ihr die eine Haͤlfte und behielt die andere fuͤr ſich. In ihre Haͤlfte aber ſchrieb er ſeinen Namen und in ſeine ſchrieb er ihren, und ſagte, ſie moͤchte den halben Ring gut aufheben. Da blieb er noch ein Weilchen bei ihr und ſprach dann: „nun muß ich Abſchied nehmen, drei Jahre bleib ich aus und ſo lang ſey mir treu, dann komm ich wieder und ſoll unſere Hochzeit ſeyn, bin ich aber in drei Jahren nicht zuruͤck, ſo biſt du frei, denn da bin ich todt; bet’ aber fuͤr mich, daß mir Gott das Leben ſchenke.“ In den drei Jahren machten ſich nun die beiden aͤlteſten Schweſtern recht luſtig uͤber die juͤngſte, und ſagten, ſie muͤßt’ einen Baͤr zum Manne nehmen, und kriegte nicht einmal einen ordentlichen Menſchen. Sie aber ſchwieg ſtill und dachte, du mußt deinem Vater gehorchen, es mag kommen wie es will. Der Gruͤnrock aber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/122
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/122>, abgerufen am 19.12.2024.