Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1857.in die Haare gesteckt, als das Gift darin wirkte, und das Mädchen ohne Besinnung niederfiel. 'Du Ausbund von Schönheit,' sprach das boshafte Weib, 'jetzt ists um dich geschehen,' und gieng fort. Zum Glück aber war es bald Abend, wo die sieben Zwerglein nach Haus kamen. Als sie Sneewittchen wie todt auf der Erde liegen sahen, hatten sie gleich die Stiefmutter in Verdacht, suchten nach, und fanden den giftigen Kamm, und kaum hatten sie ihn herausgezogen, so kam Sneewittchen wieder zu sich, und erzählte was vorgegangen war. Da warnten sie es noch einmal auf seiner Hut zu sein und niemand die Thüre zu öffnen. Die Königin stellte sich daheim vor den Spiegel und sprach 'Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die schönste im ganzen Land?' Da antwortete er, wie vorher, 'Frau Königin, ihr seid die schönste hier, aber Sneewittchen über den Bergen bei den sieben Zwergen ist doch noch tausendmal schöner als ihr.' Als sie den Spiegel so reden hörte, zitterte und bebte sie vor Zorn. 'Sneewittchen soll sterben,' rief sie, 'und wenn es mein eignes Leben kostet.' Darauf gieng sie in eine ganz verborgene einsame Kammer, wo niemand hinkam, und machte da einen giftigen giftigen Apfel. Äußerlich sah er schön aus, weiß mit rothen Backen, daß jeder, der ihn erblickte, Lust danach bekam, aber wer ein Stückchen davon aß, der mußte sterben. Als der Apfel fertig war, färbte sie sich das Gesicht, und verkleidete sich in eine Bauersfrau, und so gieng sie über die sieben Berge zu den sieben Zwergen. Sie klopfte an, Sneewittchen streckte den Kopf zum Fenster heraus, und sprach 'ich darf keinen Menschen einlassen, die sieben Zwerge haben mirs verboten.' 'Mir auch recht,' antwortete die Bäurin, 'meine Äpfel will ich schon los werden. Da, einen will ich dir in die Haare gesteckt, als das Gift darin wirkte, und das Mädchen ohne Besinnung niederfiel. ‘Du Ausbund von Schönheit,’ sprach das boshafte Weib, ‘jetzt ists um dich geschehen,’ und gieng fort. Zum Glück aber war es bald Abend, wo die sieben Zwerglein nach Haus kamen. Als sie Sneewittchen wie todt auf der Erde liegen sahen, hatten sie gleich die Stiefmutter in Verdacht, suchten nach, und fanden den giftigen Kamm, und kaum hatten sie ihn herausgezogen, so kam Sneewittchen wieder zu sich, und erzählte was vorgegangen war. Da warnten sie es noch einmal auf seiner Hut zu sein und niemand die Thüre zu öffnen. Die Königin stellte sich daheim vor den Spiegel und sprach ‘Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die schönste im ganzen Land?’ Da antwortete er, wie vorher, ‘Frau Königin, ihr seid die schönste hier, aber Sneewittchen über den Bergen bei den sieben Zwergen ist doch noch tausendmal schöner als ihr.’ Als sie den Spiegel so reden hörte, zitterte und bebte sie vor Zorn. ‘Sneewittchen soll sterben,’ rief sie, ‘und wenn es mein eignes Leben kostet.’ Darauf gieng sie in eine ganz verborgene einsame Kammer, wo niemand hinkam, und machte da einen giftigen giftigen Apfel. Äußerlich sah er schön aus, weiß mit rothen Backen, daß jeder, der ihn erblickte, Lust danach bekam, aber wer ein Stückchen davon aß, der mußte sterben. Als der Apfel fertig war, färbte sie sich das Gesicht, und verkleidete sich in eine Bauersfrau, und so gieng sie über die sieben Berge zu den sieben Zwergen. Sie klopfte an, Sneewittchen streckte den Kopf zum Fenster heraus, und sprach ‘ich darf keinen Menschen einlassen, die sieben Zwerge haben mirs verboten.’ ‘Mir auch recht,’ antwortete die Bäurin, ‘meine Äpfel will ich schon los werden. Da, einen will ich dir <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0303" n="270"/> in die Haare gesteckt, als das Gift darin wirkte, und das Mädchen ohne Besinnung niederfiel. ‘Du Ausbund von Schönheit,’ sprach das boshafte Weib, ‘jetzt ists um dich geschehen,’ und gieng fort. Zum Glück aber war es bald Abend, wo die sieben Zwerglein nach Haus kamen. Als sie Sneewittchen wie todt auf der Erde liegen sahen, hatten sie gleich die Stiefmutter in Verdacht, suchten nach, und fanden den giftigen Kamm, und kaum hatten sie ihn herausgezogen, so kam Sneewittchen wieder zu sich, und erzählte was vorgegangen war. Da warnten sie es noch einmal auf seiner Hut zu sein und niemand die Thüre zu öffnen.</p><lb/> <p>Die Königin stellte sich daheim vor den Spiegel und sprach</p><lb/> <lg type="poem"> <l>‘Spieglein, Spieglein an der Wand,</l><lb/> <l>wer ist die schönste im ganzen Land?’</l><lb/> </lg> <p>Da antwortete er, wie vorher,</p><lb/> <lg type="poem"> <l>‘Frau Königin, ihr seid die schönste hier,</l><lb/> <l>aber Sneewittchen über den Bergen</l><lb/> <l>bei den sieben Zwergen</l><lb/> <l>ist doch noch tausendmal schöner als ihr.’</l><lb/> </lg> <p>Als sie den Spiegel so reden hörte, zitterte und bebte sie vor Zorn. ‘Sneewittchen soll sterben,’ rief sie, ‘und wenn es mein eignes Leben kostet.’ Darauf gieng sie in eine ganz verborgene einsame Kammer, wo niemand hinkam, und machte da einen giftigen giftigen Apfel. Äußerlich sah er schön aus, weiß mit rothen Backen, daß jeder, der ihn erblickte, Lust danach bekam, aber wer ein Stückchen davon aß, der mußte sterben. Als der Apfel fertig war, färbte sie sich das Gesicht, und verkleidete sich in eine Bauersfrau, und so gieng sie über die sieben Berge zu den sieben Zwergen. Sie klopfte an, Sneewittchen streckte den Kopf zum Fenster heraus, und sprach ‘ich darf keinen Menschen einlassen, die sieben Zwerge haben mirs verboten.’ ‘Mir auch recht,’ antwortete die Bäurin, ‘meine Äpfel will ich schon los werden. Da, einen will ich dir </p> </div> </body> </text> </TEI> [270/0303]
in die Haare gesteckt, als das Gift darin wirkte, und das Mädchen ohne Besinnung niederfiel. ‘Du Ausbund von Schönheit,’ sprach das boshafte Weib, ‘jetzt ists um dich geschehen,’ und gieng fort. Zum Glück aber war es bald Abend, wo die sieben Zwerglein nach Haus kamen. Als sie Sneewittchen wie todt auf der Erde liegen sahen, hatten sie gleich die Stiefmutter in Verdacht, suchten nach, und fanden den giftigen Kamm, und kaum hatten sie ihn herausgezogen, so kam Sneewittchen wieder zu sich, und erzählte was vorgegangen war. Da warnten sie es noch einmal auf seiner Hut zu sein und niemand die Thüre zu öffnen.
Die Königin stellte sich daheim vor den Spiegel und sprach
‘Spieglein, Spieglein an der Wand,
wer ist die schönste im ganzen Land?’
Da antwortete er, wie vorher,
‘Frau Königin, ihr seid die schönste hier,
aber Sneewittchen über den Bergen
bei den sieben Zwergen
ist doch noch tausendmal schöner als ihr.’
Als sie den Spiegel so reden hörte, zitterte und bebte sie vor Zorn. ‘Sneewittchen soll sterben,’ rief sie, ‘und wenn es mein eignes Leben kostet.’ Darauf gieng sie in eine ganz verborgene einsame Kammer, wo niemand hinkam, und machte da einen giftigen giftigen Apfel. Äußerlich sah er schön aus, weiß mit rothen Backen, daß jeder, der ihn erblickte, Lust danach bekam, aber wer ein Stückchen davon aß, der mußte sterben. Als der Apfel fertig war, färbte sie sich das Gesicht, und verkleidete sich in eine Bauersfrau, und so gieng sie über die sieben Berge zu den sieben Zwergen. Sie klopfte an, Sneewittchen streckte den Kopf zum Fenster heraus, und sprach ‘ich darf keinen Menschen einlassen, die sieben Zwerge haben mirs verboten.’ ‘Mir auch recht,’ antwortete die Bäurin, ‘meine Äpfel will ich schon los werden. Da, einen will ich dir
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Google Books (University of Oxford, Taylor Institution Library): Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-03T14:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |