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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1857.

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22.
Das Räthsel.

Es war einmal ein Königssohn, der bekam Lust in der Welt umher zu ziehen und nahm niemand mit als einen treuen Diener. Eines Tags gerieth er in einen großen Wald, und als der Abend kam, konnte er keine Herberge finden und wußte nicht wo er die Nacht zubringen sollte. Da sah er ein Mädchen, das nach einem kleinen Häuschen zu gieng, und als er näher kam, sah er daß das Mädchen jung und schön war. Er redete es an und sprach 'liebes Kind, kann ich und mein Diener in dem Häuschen für die Nacht ein Unterkommen finden?' 'Ach ja,' sagte das Mädchen mit trauriger Stimme, 'das könnt ihr wohl, aber ich rathe euch nicht dazu; geht nicht hinein.' 'Warum soll ich nicht?' fragte der Königssohn. Das Mädchen seufzte und sprach 'meine Stiefmutter treibt böse Künste, sie meints nicht gut mit den Fremden.' Da merkte er wohl daß er zu dem Haus einer Hexe gekommen war, doch weil es finster ward, und er nicht weiter konnte, sich auch nicht fürchtete, so trat er ein. Die Alte saß auf einem Lehnstuhl beim Feuer, und sah mit ihren rothen Augen die Fremden an. 'Guten Abend,' schnarrte sie, und that ganz freundlich, 'laßt euch nieder, und ruht euch aus.' Sie blies die Kohlen an, bei welchen sie in einem kleinen Topf etwas kochte. Die Tochter warnte die beiden vorsichtig zu sein, nichts zu essen und nichts zu trinken, denn die Alte braue böse Getränke. Sie schliefen ruhig bis zum frühen Morgen. Als sie sich zur Abreise fertig machten und der Königssohn schon zu Pferde saß, sprach die Alte 'warte,

22.
Das Räthsel.

Es war einmal ein Königssohn, der bekam Lust in der Welt umher zu ziehen und nahm niemand mit als einen treuen Diener. Eines Tags gerieth er in einen großen Wald, und als der Abend kam, konnte er keine Herberge finden und wußte nicht wo er die Nacht zubringen sollte. Da sah er ein Mädchen, das nach einem kleinen Häuschen zu gieng, und als er näher kam, sah er daß das Mädchen jung und schön war. Er redete es an und sprach ‘liebes Kind, kann ich und mein Diener in dem Häuschen für die Nacht ein Unterkommen finden?’ ‘Ach ja,’ sagte das Mädchen mit trauriger Stimme, ‘das könnt ihr wohl, aber ich rathe euch nicht dazu; geht nicht hinein.’ ‘Warum soll ich nicht?’ fragte der Königssohn. Das Mädchen seufzte und sprach ‘meine Stiefmutter treibt böse Künste, sie meints nicht gut mit den Fremden.’ Da merkte er wohl daß er zu dem Haus einer Hexe gekommen war, doch weil es finster ward, und er nicht weiter konnte, sich auch nicht fürchtete, so trat er ein. Die Alte saß auf einem Lehnstuhl beim Feuer, und sah mit ihren rothen Augen die Fremden an. ‘Guten Abend,’ schnarrte sie, und that ganz freundlich, ‘laßt euch nieder, und ruht euch aus.’ Sie blies die Kohlen an, bei welchen sie in einem kleinen Topf etwas kochte. Die Tochter warnte die beiden vorsichtig zu sein, nichts zu essen und nichts zu trinken, denn die Alte braue böse Getränke. Sie schliefen ruhig bis zum frühen Morgen. Als sie sich zur Abreise fertig machten und der Königssohn schon zu Pferde saß, sprach die Alte ‘warte,

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[127/0160] 22. Das Räthsel. Es war einmal ein Königssohn, der bekam Lust in der Welt umher zu ziehen und nahm niemand mit als einen treuen Diener. Eines Tags gerieth er in einen großen Wald, und als der Abend kam, konnte er keine Herberge finden und wußte nicht wo er die Nacht zubringen sollte. Da sah er ein Mädchen, das nach einem kleinen Häuschen zu gieng, und als er näher kam, sah er daß das Mädchen jung und schön war. Er redete es an und sprach ‘liebes Kind, kann ich und mein Diener in dem Häuschen für die Nacht ein Unterkommen finden?’ ‘Ach ja,’ sagte das Mädchen mit trauriger Stimme, ‘das könnt ihr wohl, aber ich rathe euch nicht dazu; geht nicht hinein.’ ‘Warum soll ich nicht?’ fragte der Königssohn. Das Mädchen seufzte und sprach ‘meine Stiefmutter treibt böse Künste, sie meints nicht gut mit den Fremden.’ Da merkte er wohl daß er zu dem Haus einer Hexe gekommen war, doch weil es finster ward, und er nicht weiter konnte, sich auch nicht fürchtete, so trat er ein. Die Alte saß auf einem Lehnstuhl beim Feuer, und sah mit ihren rothen Augen die Fremden an. ‘Guten Abend,’ schnarrte sie, und that ganz freundlich, ‘laßt euch nieder, und ruht euch aus.’ Sie blies die Kohlen an, bei welchen sie in einem kleinen Topf etwas kochte. Die Tochter warnte die beiden vorsichtig zu sein, nichts zu essen und nichts zu trinken, denn die Alte braue böse Getränke. Sie schliefen ruhig bis zum frühen Morgen. Als sie sich zur Abreise fertig machten und der Königssohn schon zu Pferde saß, sprach die Alte ‘warte,

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1857, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1857/160>, abgerufen am 22.11.2024.