Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

und des Fischers Frau zwei Kinder gebar, die ganz golden waren.

Die Kinder wuchsen heran, und wurden groß und schön, und die Lilien und Pferde wuchsen mit ihnen. Nun sprachen sie 'Vater, wir wollen uns auf unsere goldenen Rosse setzen, und in die Welt ausziehen.' Da antwortete er betrübt 'wie will ichs aushalten, wenn ihr fortzieht, und ich nicht weiß wies euch geht?' Da sagten sie 'die zwei goldenen Lilien bleiben hier, daran könnt ihr sehen, wies uns geht: sind sie frisch, so sind wir gesund; sind sie welk, so sind wir krank; fallen sie um, so sind wir todt.' Sie ritten fort, und kamen in ein Wirthshaus, darin war viel Volk, und als das die zwei Goldkinder sah, fieng es an zu lachen und zu spotten. Wie der eine das Gespött hörte, so schämte er sich, wollte nicht in die Welt, kehrte um, und kam wieder heim zu seinem Vater. Der andere aber ritt fort, und gelangte zu einem großen Wald. Und als er hinein reiten wollte, sprachen die Leute 'es geht nicht, daß ihr durchreitet, der Wald ist voll Räuber, die werden übel mit euch umgehen, und gar, wenn sie sehen daß ihr und euer Pferd golden seid, werden sie euch todt schlagen.' Er aber ließ sich nicht schrecken, und sprach 'ich muß und soll hindurch.' Da nahm er Bärenfelle, und überzog sich und sein Pferd damit, daß nichts mehr vom Gold zu sehen war, und ritt getrost in den Wald hinein. Und als er ein wenig fortgeritten war, so hörte er es in den Gebüschen rauschen, und vernahm Stimmen, die miteinander sprachen. Von der einen Seite riefs 'da ist einer,' von der andern aber 'laß ihn laufen, das ist ein Bärenhäuter, und arm

und des Fischers Frau zwei Kinder gebar, die ganz golden waren.

Die Kinder wuchsen heran, und wurden groß und schön, und die Lilien und Pferde wuchsen mit ihnen. Nun sprachen sie ‘Vater, wir wollen uns auf unsere goldenen Rosse setzen, und in die Welt ausziehen.’ Da antwortete er betrübt ‘wie will ichs aushalten, wenn ihr fortzieht, und ich nicht weiß wies euch geht?’ Da sagten sie ‘die zwei goldenen Lilien bleiben hier, daran könnt ihr sehen, wies uns geht: sind sie frisch, so sind wir gesund; sind sie welk, so sind wir krank; fallen sie um, so sind wir todt.’ Sie ritten fort, und kamen in ein Wirthshaus, darin war viel Volk, und als das die zwei Goldkinder sah, fieng es an zu lachen und zu spotten. Wie der eine das Gespött hörte, so schämte er sich, wollte nicht in die Welt, kehrte um, und kam wieder heim zu seinem Vater. Der andere aber ritt fort, und gelangte zu einem großen Wald. Und als er hinein reiten wollte, sprachen die Leute ‘es geht nicht, daß ihr durchreitet, der Wald ist voll Räuber, die werden übel mit euch umgehen, und gar, wenn sie sehen daß ihr und euer Pferd golden seid, werden sie euch todt schlagen.’ Er aber ließ sich nicht schrecken, und sprach ‘ich muß und soll hindurch.’ Da nahm er Bärenfelle, und überzog sich und sein Pferd damit, daß nichts mehr vom Gold zu sehen war, und ritt getrost in den Wald hinein. Und als er ein wenig fortgeritten war, so hörte er es in den Gebüschen rauschen, und vernahm Stimmen, die miteinander sprachen. Von der einen Seite riefs ‘da ist einer,’ von der andern aber ‘laß ihn laufen, das ist ein Bärenhäuter, und arm

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0539" n="501"/>
und des Fischers Frau zwei Kinder gebar, die ganz golden waren.</p><lb/>
        <p>Die Kinder wuchsen heran, und wurden groß und schön, und die Lilien und Pferde wuchsen mit ihnen. Nun sprachen sie &#x2018;Vater, wir wollen uns auf unsere goldenen Rosse setzen, und in die Welt ausziehen.&#x2019; Da antwortete er betrübt &#x2018;wie will ichs aushalten, wenn ihr fortzieht, und ich nicht weiß wies euch geht?&#x2019; Da sagten sie &#x2018;die zwei goldenen Lilien bleiben hier, daran könnt ihr sehen, wies uns geht: sind sie frisch, so sind wir gesund; sind sie welk, so sind wir krank; fallen sie um, so sind wir todt.&#x2019; Sie ritten fort, und kamen in ein Wirthshaus, darin war viel Volk, und als das die zwei Goldkinder sah, fieng es an zu lachen und zu spotten. Wie der eine das Gespött hörte, so schämte er sich, wollte nicht in die Welt, kehrte um, und kam wieder heim zu seinem Vater. Der andere aber ritt fort, und gelangte zu einem großen Wald. Und als er hinein reiten wollte, sprachen die Leute &#x2018;es geht nicht, daß ihr durchreitet, der Wald ist voll Räuber, die werden übel mit euch umgehen, und gar, wenn sie sehen daß ihr und euer Pferd golden seid, werden sie euch todt schlagen.&#x2019; Er aber ließ sich nicht schrecken, und sprach &#x2018;ich muß und soll hindurch.&#x2019; Da nahm er Bärenfelle, und überzog sich und sein Pferd damit, daß nichts mehr vom Gold zu sehen war, und ritt getrost in den Wald hinein. Und als er ein wenig fortgeritten war, so hörte er es in den Gebüschen rauschen, und vernahm Stimmen, die miteinander sprachen. Von der einen Seite riefs &#x2018;da ist einer,&#x2019; von der andern aber &#x2018;laß ihn laufen, das ist ein Bärenhäuter, und arm
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[501/0539] und des Fischers Frau zwei Kinder gebar, die ganz golden waren. Die Kinder wuchsen heran, und wurden groß und schön, und die Lilien und Pferde wuchsen mit ihnen. Nun sprachen sie ‘Vater, wir wollen uns auf unsere goldenen Rosse setzen, und in die Welt ausziehen.’ Da antwortete er betrübt ‘wie will ichs aushalten, wenn ihr fortzieht, und ich nicht weiß wies euch geht?’ Da sagten sie ‘die zwei goldenen Lilien bleiben hier, daran könnt ihr sehen, wies uns geht: sind sie frisch, so sind wir gesund; sind sie welk, so sind wir krank; fallen sie um, so sind wir todt.’ Sie ritten fort, und kamen in ein Wirthshaus, darin war viel Volk, und als das die zwei Goldkinder sah, fieng es an zu lachen und zu spotten. Wie der eine das Gespött hörte, so schämte er sich, wollte nicht in die Welt, kehrte um, und kam wieder heim zu seinem Vater. Der andere aber ritt fort, und gelangte zu einem großen Wald. Und als er hinein reiten wollte, sprachen die Leute ‘es geht nicht, daß ihr durchreitet, der Wald ist voll Räuber, die werden übel mit euch umgehen, und gar, wenn sie sehen daß ihr und euer Pferd golden seid, werden sie euch todt schlagen.’ Er aber ließ sich nicht schrecken, und sprach ‘ich muß und soll hindurch.’ Da nahm er Bärenfelle, und überzog sich und sein Pferd damit, daß nichts mehr vom Gold zu sehen war, und ritt getrost in den Wald hinein. Und als er ein wenig fortgeritten war, so hörte er es in den Gebüschen rauschen, und vernahm Stimmen, die miteinander sprachen. Von der einen Seite riefs ‘da ist einer,’ von der andern aber ‘laß ihn laufen, das ist ein Bärenhäuter, und arm

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-01T14:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/539
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843, S. 501. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/539>, abgerufen am 28.04.2024.