Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

fiengen an zu essen. Die Wirthin sah zu, und sprach zu ihrem Mann 'die zwei essen eine Gans, sieh doch nach obs nicht eine von unsern aus der Ofenröhre ist.' Der Wirth lief hin, da war die Ofenröhre leer: 'was, ihr Diebsgesindel, auf die Art wollt ihr Gänse essen! gleich bezahlt, oder ich will euch mit grünem Hasselsaft waschen.' Die zwei sprachen 'wir sind keine Diebe, ein abgedankter Soldat hat uns die Gans draußen auf der Wiese geschenkt.' 'Jhr sollt mir keine Nase drehen, der Soldat ist hier gewesen, aber als ein ehrlicher Kerl zur Thüre hinaus gegangen, auf den hab ich Acht gehabt: ihr seid die Diebe, und sollt bezahlen.' Da sie aber nicht bezahlen konnten, nahm er den Stock, und prügelte sie zur Thüre, hinaus.

Bruder Lustig aber gieng seiner Wege, und kam an einen Ort, da stand ein prächtiges Schloß und nicht weit davon ein schlechtes Wirthshaus. Er gieng in das Wirthshaus, und bat um ein Nachtlager, aber der Wirth wies ihn ab, und sprach 'es ist kein Platz mehr da, das Haus ist voll vornehmer Gäste.' 'Das nimmt mich Wunder,' sprach der Bruder Lustig, 'daß sie zu euch kommen, und nicht in das prächtige Schloß gehen.' 'Ja,' antwortete der Wirth, 'es hat was an sich, dort eine Nacht zu liegen, wers noch versucht hat, ist nicht lebendig wieder heraus gekommen.' 'Wenns andere versucht haben,' sagte der Bruder Lustig, 'will ichs auch versuchen.' 'Das laßt nur bleiben,' sprach der Wirth, 'es geht euch an den Hals.' 'Es wird nicht gleich an den Hals gehen,' sagte der Bruder Lustig, 'gebt mit nur die Schlüssel und brav Essen und Trinken mit.' Nun

fiengen an zu essen. Die Wirthin sah zu, und sprach zu ihrem Mann ‘die zwei essen eine Gans, sieh doch nach obs nicht eine von unsern aus der Ofenröhre ist.’ Der Wirth lief hin, da war die Ofenröhre leer: ‘was, ihr Diebsgesindel, auf die Art wollt ihr Gänse essen! gleich bezahlt, oder ich will euch mit grünem Hasselsaft waschen.’ Die zwei sprachen ‘wir sind keine Diebe, ein abgedankter Soldat hat uns die Gans draußen auf der Wiese geschenkt.’ ‘Jhr sollt mir keine Nase drehen, der Soldat ist hier gewesen, aber als ein ehrlicher Kerl zur Thüre hinaus gegangen, auf den hab ich Acht gehabt: ihr seid die Diebe, und sollt bezahlen.’ Da sie aber nicht bezahlen konnten, nahm er den Stock, und prügelte sie zur Thüre, hinaus.

Bruder Lustig aber gieng seiner Wege, und kam an einen Ort, da stand ein prächtiges Schloß und nicht weit davon ein schlechtes Wirthshaus. Er gieng in das Wirthshaus, und bat um ein Nachtlager, aber der Wirth wies ihn ab, und sprach ‘es ist kein Platz mehr da, das Haus ist voll vornehmer Gäste.’ ‘Das nimmt mich Wunder,’ sprach der Bruder Lustig, ‘daß sie zu euch kommen, und nicht in das prächtige Schloß gehen.’ ‘Ja,’ antwortete der Wirth, ‘es hat was an sich, dort eine Nacht zu liegen, wers noch versucht hat, ist nicht lebendig wieder heraus gekommen.’ ‘Wenns andere versucht haben,’ sagte der Bruder Lustig, ‘will ichs auch versuchen.’ ‘Das laßt nur bleiben,’ sprach der Wirth, ‘es geht euch an den Hals.’ ‘Es wird nicht gleich an den Hals gehen,’ sagte der Bruder Lustig, ‘gebt mit nur die Schlüssel und brav Essen und Trinken mit.’ Nun

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0518" n="480"/>
fiengen an zu essen. Die Wirthin sah zu, und sprach zu ihrem Mann &#x2018;die zwei essen eine Gans, sieh doch nach obs nicht eine von unsern aus der Ofenröhre ist.&#x2019; Der Wirth lief hin, da war die Ofenröhre leer: &#x2018;was, ihr Diebsgesindel, auf die Art wollt ihr Gänse essen! gleich bezahlt, oder ich will euch mit grünem Hasselsaft waschen.&#x2019; Die zwei sprachen &#x2018;wir sind keine Diebe, ein abgedankter Soldat hat uns die Gans draußen auf der Wiese geschenkt.&#x2019; &#x2018;Jhr sollt mir keine Nase drehen, der Soldat ist hier gewesen, aber als ein ehrlicher Kerl zur Thüre hinaus gegangen, auf den hab ich Acht gehabt: ihr seid die Diebe, und sollt bezahlen.&#x2019; Da sie aber nicht bezahlen konnten, nahm er den Stock, und prügelte sie zur Thüre, hinaus.</p><lb/>
        <p>Bruder Lustig aber gieng seiner Wege, und kam an einen Ort, da stand ein prächtiges Schloß und nicht weit davon ein schlechtes Wirthshaus. Er gieng in das Wirthshaus, und bat um ein Nachtlager, aber der Wirth wies ihn ab, und sprach &#x2018;es ist kein Platz mehr da, das Haus ist voll vornehmer Gäste.&#x2019; &#x2018;Das nimmt mich Wunder,&#x2019; sprach der Bruder Lustig, &#x2018;daß sie zu euch kommen, und nicht in das prächtige Schloß gehen.&#x2019; &#x2018;Ja,&#x2019; antwortete der Wirth, &#x2018;es hat was an sich, dort eine Nacht zu liegen, wers noch versucht hat, ist nicht lebendig wieder heraus gekommen.&#x2019; &#x2018;Wenns andere versucht haben,&#x2019; sagte der Bruder Lustig, &#x2018;will ichs auch versuchen.&#x2019; &#x2018;Das laßt nur bleiben,&#x2019; sprach der Wirth, &#x2018;es geht euch an den Hals.&#x2019; &#x2018;Es wird nicht gleich an den Hals gehen,&#x2019; sagte der Bruder Lustig, &#x2018;gebt mit nur die Schlüssel und brav Essen und Trinken mit.&#x2019; Nun
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[480/0518] fiengen an zu essen. Die Wirthin sah zu, und sprach zu ihrem Mann ‘die zwei essen eine Gans, sieh doch nach obs nicht eine von unsern aus der Ofenröhre ist.’ Der Wirth lief hin, da war die Ofenröhre leer: ‘was, ihr Diebsgesindel, auf die Art wollt ihr Gänse essen! gleich bezahlt, oder ich will euch mit grünem Hasselsaft waschen.’ Die zwei sprachen ‘wir sind keine Diebe, ein abgedankter Soldat hat uns die Gans draußen auf der Wiese geschenkt.’ ‘Jhr sollt mir keine Nase drehen, der Soldat ist hier gewesen, aber als ein ehrlicher Kerl zur Thüre hinaus gegangen, auf den hab ich Acht gehabt: ihr seid die Diebe, und sollt bezahlen.’ Da sie aber nicht bezahlen konnten, nahm er den Stock, und prügelte sie zur Thüre, hinaus. Bruder Lustig aber gieng seiner Wege, und kam an einen Ort, da stand ein prächtiges Schloß und nicht weit davon ein schlechtes Wirthshaus. Er gieng in das Wirthshaus, und bat um ein Nachtlager, aber der Wirth wies ihn ab, und sprach ‘es ist kein Platz mehr da, das Haus ist voll vornehmer Gäste.’ ‘Das nimmt mich Wunder,’ sprach der Bruder Lustig, ‘daß sie zu euch kommen, und nicht in das prächtige Schloß gehen.’ ‘Ja,’ antwortete der Wirth, ‘es hat was an sich, dort eine Nacht zu liegen, wers noch versucht hat, ist nicht lebendig wieder heraus gekommen.’ ‘Wenns andere versucht haben,’ sagte der Bruder Lustig, ‘will ichs auch versuchen.’ ‘Das laßt nur bleiben,’ sprach der Wirth, ‘es geht euch an den Hals.’ ‘Es wird nicht gleich an den Hals gehen,’ sagte der Bruder Lustig, ‘gebt mit nur die Schlüssel und brav Essen und Trinken mit.’ Nun

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-01T14:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/518
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/518>, abgerufen am 22.11.2024.