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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.

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'Geh nur,' sagte Bruder Lustig, 'ich verstehe mich aufs Kochen, ich wills schon machen.' Da gieng der heil. Petrus fort, und der Bruder Lustig schlachtete das Lamm, machte Feuer an, warf das Fleisch in den Kessel, und kochte. Das Lamm war aber schon gahr, und der Apostel noch immer nicht zurück, da nahm es der Bruder Lustig aus dem Kessel, zerschnitt es, und fand das Herz. 'Das soll das Beste sein,' sprach er, und versuchte es, zuletzt aber aß er es ganz auf. Endlich kam der heil. Petrus zurück, und sprach 'du kannst das ganze Lamm allein essen, ich will nur das Herz davon, das gieb mir.' Da nahm Bruder Lustig Messer und Gabel, that als suchte er eifrig in dem Lammfleisch herum, konnte aber das Herz nicht finden; endlich sagte er kurz weg 'es ist keins da.' 'Nun, wo solls denn sein?' sagte der Apostel. 'Das weiß ich nicht,' antwortete der Bruder Lustig, 'aber schau, was sind wir alle beide für Narren, suchen das Herz vom Lamm, und fällt keinem von uns ein, ein Lamm hat ja kein Herz.' 'Ei,' sprach der heil. Petrus, 'das ist was ganz Neues, jedes Thier hat ja ein Herz, warum sollt ein Lamm kein Herz haben?' 'Nein, gewißlich, Bruder, ein Lamm hat kein Herz, denk nur recht nach, so wird dirs einfallen, es hat im Ernst keins.' 'Nun, es ist schon gut,' sagte der heil. Petrus, 'ist kein Herz da, so brauch ich auch nichts vom Lamm, du kannsts allein essen.' 'Was ich halt nicht aufessen kann, das nehm ich mit in meinem Ranzen' sprach der Bruder Lustig, aß das halbe Lamm, und steckte das übrige in seinen Ranzen.

Sie giengen weiter, da machte der heil. Petrus daß

‘Geh nur,’ sagte Bruder Lustig, ‘ich verstehe mich aufs Kochen, ich wills schon machen.’ Da gieng der heil. Petrus fort, und der Bruder Lustig schlachtete das Lamm, machte Feuer an, warf das Fleisch in den Kessel, und kochte. Das Lamm war aber schon gahr, und der Apostel noch immer nicht zurück, da nahm es der Bruder Lustig aus dem Kessel, zerschnitt es, und fand das Herz. ‘Das soll das Beste sein,’ sprach er, und versuchte es, zuletzt aber aß er es ganz auf. Endlich kam der heil. Petrus zurück, und sprach ‘du kannst das ganze Lamm allein essen, ich will nur das Herz davon, das gieb mir.’ Da nahm Bruder Lustig Messer und Gabel, that als suchte er eifrig in dem Lammfleisch herum, konnte aber das Herz nicht finden; endlich sagte er kurz weg ‘es ist keins da.’ ‘Nun, wo solls denn sein?’ sagte der Apostel. ‘Das weiß ich nicht,’ antwortete der Bruder Lustig, ‘aber schau, was sind wir alle beide für Narren, suchen das Herz vom Lamm, und fällt keinem von uns ein, ein Lamm hat ja kein Herz.’ ‘Ei,’ sprach der heil. Petrus, ‘das ist was ganz Neues, jedes Thier hat ja ein Herz, warum sollt ein Lamm kein Herz haben?’ ‘Nein, gewißlich, Bruder, ein Lamm hat kein Herz, denk nur recht nach, so wird dirs einfallen, es hat im Ernst keins.’ ‘Nun, es ist schon gut,’ sagte der heil. Petrus, ‘ist kein Herz da, so brauch ich auch nichts vom Lamm, du kannsts allein essen.’ ‘Was ich halt nicht aufessen kann, das nehm ich mit in meinem Ranzen’ sprach der Bruder Lustig, aß das halbe Lamm, und steckte das übrige in seinen Ranzen.

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[473/0511] ‘Geh nur,’ sagte Bruder Lustig, ‘ich verstehe mich aufs Kochen, ich wills schon machen.’ Da gieng der heil. Petrus fort, und der Bruder Lustig schlachtete das Lamm, machte Feuer an, warf das Fleisch in den Kessel, und kochte. Das Lamm war aber schon gahr, und der Apostel noch immer nicht zurück, da nahm es der Bruder Lustig aus dem Kessel, zerschnitt es, und fand das Herz. ‘Das soll das Beste sein,’ sprach er, und versuchte es, zuletzt aber aß er es ganz auf. Endlich kam der heil. Petrus zurück, und sprach ‘du kannst das ganze Lamm allein essen, ich will nur das Herz davon, das gieb mir.’ Da nahm Bruder Lustig Messer und Gabel, that als suchte er eifrig in dem Lammfleisch herum, konnte aber das Herz nicht finden; endlich sagte er kurz weg ‘es ist keins da.’ ‘Nun, wo solls denn sein?’ sagte der Apostel. ‘Das weiß ich nicht,’ antwortete der Bruder Lustig, ‘aber schau, was sind wir alle beide für Narren, suchen das Herz vom Lamm, und fällt keinem von uns ein, ein Lamm hat ja kein Herz.’ ‘Ei,’ sprach der heil. Petrus, ‘das ist was ganz Neues, jedes Thier hat ja ein Herz, warum sollt ein Lamm kein Herz haben?’ ‘Nein, gewißlich, Bruder, ein Lamm hat kein Herz, denk nur recht nach, so wird dirs einfallen, es hat im Ernst keins.’ ‘Nun, es ist schon gut,’ sagte der heil. Petrus, ‘ist kein Herz da, so brauch ich auch nichts vom Lamm, du kannsts allein essen.’ ‘Was ich halt nicht aufessen kann, das nehm ich mit in meinem Ranzen’ sprach der Bruder Lustig, aß das halbe Lamm, und steckte das übrige in seinen Ranzen. Sie giengen weiter, da machte der heil. Petrus daß

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/511>, abgerufen am 27.04.2024.