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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.

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ich billig auch noch haben, denn aller guten Dinge sind drei.' Als Schlafenszeit war, streckte sich der Gast auf die Bank, und legte seinen Sack als Kopfkissen unter. Der Wirth wartete bis er meinte er läge in tiefem Schlaf, dann gieng er herbei, rückte und zog ganz sachte und vorsichtig an dem Sack, ob er ihn vielleicht wegziehen und einen andern unterlegen könnte. Der Drechsler aber hatte schon lange darauf gewartet, wie nun der Wirth eben einen herzhaften Ruck thun wollte, rief er 'Knüppel, aus dem Sack.' Alsbald fuhr das Knüppelchen heraus, dem Wirth auf den Leib, und rieb ihm die Nähte daß es eine Art hatte. Der Wirth schrie zum Erbarmen, aber je lauter er schrie, desto kräftiger schlug der Knüppel ihm den Tact dazu auf dem Rücken, bis er endlich erschöpft zur Erde fiel. Da sprach der Drechsler 'wo du das Tischchen deck dich und den Goldesel nicht wieder heraus giebst, so soll der Tanz von neuem angehen.' 'Ach nein,' rief der Wirth ganz kleinlaut, 'ich gebe alles gerne wieder heraus, laßt nur den verwünschten Kobold wieder in den Sack kriechen.' Da sprach der Geselle 'ich will Gnade für Recht ergehen lassen, aber hüte dich vor Schaden!' dann rief er 'Knüppel, in den Sack!' und ließ ihn ruhen.

Der Drechsler zog am andern Morgen mit dem Tischchen deck dich und dem Goldesel heim zu seinem Vater. Der Schneider freute sich als er ihn wieder sah, und fragte auch ihn was er in der Fremde gelernt hätte. 'Lieber Vater,' antwortete er, 'ich bin ein Drechsler geworden.' 'Ein kunstreiches Handwerk,' sagte der Vater, 'was hast du von der Wanderschaft mitgebracht?' 'Ein kostbares Stück, lieber Vater,' antwortete der Sohn, 'einen

ich billig auch noch haben, denn aller guten Dinge sind drei.’ Als Schlafenszeit war, streckte sich der Gast auf die Bank, und legte seinen Sack als Kopfkissen unter. Der Wirth wartete bis er meinte er läge in tiefem Schlaf, dann gieng er herbei, rückte und zog ganz sachte und vorsichtig an dem Sack, ob er ihn vielleicht wegziehen und einen andern unterlegen könnte. Der Drechsler aber hatte schon lange darauf gewartet, wie nun der Wirth eben einen herzhaften Ruck thun wollte, rief er ‘Knüppel, aus dem Sack.’ Alsbald fuhr das Knüppelchen heraus, dem Wirth auf den Leib, und rieb ihm die Nähte daß es eine Art hatte. Der Wirth schrie zum Erbarmen, aber je lauter er schrie, desto kräftiger schlug der Knüppel ihm den Tact dazu auf dem Rücken, bis er endlich erschöpft zur Erde fiel. Da sprach der Drechsler ‘wo du das Tischchen deck dich und den Goldesel nicht wieder heraus giebst, so soll der Tanz von neuem angehen.’ ‘Ach nein,’ rief der Wirth ganz kleinlaut, ‘ich gebe alles gerne wieder heraus, laßt nur den verwünschten Kobold wieder in den Sack kriechen.’ Da sprach der Geselle ‘ich will Gnade für Recht ergehen lassen, aber hüte dich vor Schaden!’ dann rief er ‘Knüppel, in den Sack!’ und ließ ihn ruhen.

Der Drechsler zog am andern Morgen mit dem Tischchen deck dich und dem Goldesel heim zu seinem Vater. Der Schneider freute sich als er ihn wieder sah, und fragte auch ihn was er in der Fremde gelernt hätte. ‘Lieber Vater,’ antwortete er, ‘ich bin ein Drechsler geworden.’ ‘Ein kunstreiches Handwerk,’ sagte der Vater, ‘was hast du von der Wanderschaft mitgebracht?’ ‘Ein kostbares Stück, lieber Vater,’ antwortete der Sohn, ‘einen

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[223/0261] ich billig auch noch haben, denn aller guten Dinge sind drei.’ Als Schlafenszeit war, streckte sich der Gast auf die Bank, und legte seinen Sack als Kopfkissen unter. Der Wirth wartete bis er meinte er läge in tiefem Schlaf, dann gieng er herbei, rückte und zog ganz sachte und vorsichtig an dem Sack, ob er ihn vielleicht wegziehen und einen andern unterlegen könnte. Der Drechsler aber hatte schon lange darauf gewartet, wie nun der Wirth eben einen herzhaften Ruck thun wollte, rief er ‘Knüppel, aus dem Sack.’ Alsbald fuhr das Knüppelchen heraus, dem Wirth auf den Leib, und rieb ihm die Nähte daß es eine Art hatte. Der Wirth schrie zum Erbarmen, aber je lauter er schrie, desto kräftiger schlug der Knüppel ihm den Tact dazu auf dem Rücken, bis er endlich erschöpft zur Erde fiel. Da sprach der Drechsler ‘wo du das Tischchen deck dich und den Goldesel nicht wieder heraus giebst, so soll der Tanz von neuem angehen.’ ‘Ach nein,’ rief der Wirth ganz kleinlaut, ‘ich gebe alles gerne wieder heraus, laßt nur den verwünschten Kobold wieder in den Sack kriechen.’ Da sprach der Geselle ‘ich will Gnade für Recht ergehen lassen, aber hüte dich vor Schaden!’ dann rief er ‘Knüppel, in den Sack!’ und ließ ihn ruhen. Der Drechsler zog am andern Morgen mit dem Tischchen deck dich und dem Goldesel heim zu seinem Vater. Der Schneider freute sich als er ihn wieder sah, und fragte auch ihn was er in der Fremde gelernt hätte. ‘Lieber Vater,’ antwortete er, ‘ich bin ein Drechsler geworden.’ ‘Ein kunstreiches Handwerk,’ sagte der Vater, ‘was hast du von der Wanderschaft mitgebracht?’ ‘Ein kostbares Stück, lieber Vater,’ antwortete der Sohn, ‘einen

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/261>, abgerufen am 11.05.2024.