Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.auf seinen Platz. Da fielen noch mehr Männer herab, die hatten neun Todtenbeine und zwei Todtenköpfe, setzten auf, und spielten Kegel. Der Junge bekam auch Lust, und fragte 'hört ihr, kann ich mit seyn?' 'Ja, wenn du Geld hast.' 'Geld genug,' antwortete er, 'aber eure Kugeln sind nicht recht rund.' Da nahm er sie, setzte sie in die Drehbank, und drehte sie rund. 'So, jetzt werden sie besser schüppeln,' sprach er, 'heida! nun gehts lustig!' Er spielte mit, und verlor etwas von seinem Geld, als es aber zwölf Uhr schlug, war alles vor seinen Augen verschwunden, und er legte sich nieder, und schlief ruhig ein. Am andern Morgen kam der König und wollte sich erkundigen: 'wie ist dirs diesmal gegangen?' fragte er. 'Jch habe gekegelt,' antwortete er, 'und ein paar Heller verloren.' 'Hats dir denn nicht gegruselt?' 'Ei was,' sprach er, 'lustig hab ich mich gemacht. Wenn ich nur wüßte was Gruseln wäre!' Jn der dritten Nacht setzte er sich wieder auf seine Bank, und sprach ganz verdrießlich 'wenn es mir nur gruselte!' Als es spät ward, kamen sechs große Männer, und brachten eine Todtenlade hereingetragen. Da sprach er 'ha ha, das ist gewiß mein Vetterchen, das erst vor ein paar Tagen gestorben ist,' winkte mit dem Finger, und rief 'komm, Vetterchen, komm!' Sie stellten den Sarg auf die Erde, er aber gieng hinzu, und nahm den Deckel ab, da lag ein todter Mann darinn: er fühlte ihm ans Gesicht, aber es war kalt wie Eis. 'Wart,' sprach er, 'ich will dich ein bischen wärmen,' gieng ans Feuer, wärmte seine Hand, und legte sie ihm aufs Gesicht, aber der Todte blieb kalt. Nun auf seinen Platz. Da fielen noch mehr Maͤnner herab, die hatten neun Todtenbeine und zwei Todtenkoͤpfe, setzten auf, und spielten Kegel. Der Junge bekam auch Lust, und fragte ‘hoͤrt ihr, kann ich mit seyn?’ ‘Ja, wenn du Geld hast.’ ‘Geld genug,’ antwortete er, ‘aber eure Kugeln sind nicht recht rund.’ Da nahm er sie, setzte sie in die Drehbank, und drehte sie rund. ‘So, jetzt werden sie besser schuͤppeln,’ sprach er, ‘heida! nun gehts lustig!’ Er spielte mit, und verlor etwas von seinem Geld, als es aber zwoͤlf Uhr schlug, war alles vor seinen Augen verschwunden, und er legte sich nieder, und schlief ruhig ein. Am andern Morgen kam der Koͤnig und wollte sich erkundigen: ‘wie ist dirs diesmal gegangen?’ fragte er. ‘Jch habe gekegelt,’ antwortete er, ‘und ein paar Heller verloren.’ ‘Hats dir denn nicht gegruselt?’ ‘Ei was,’ sprach er, ‘lustig hab ich mich gemacht. Wenn ich nur wuͤßte was Gruseln waͤre!’ Jn der dritten Nacht setzte er sich wieder auf seine Bank, und sprach ganz verdrießlich ‘wenn es mir nur gruselte!’ Als es spaͤt ward, kamen sechs große Maͤnner, und brachten eine Todtenlade hereingetragen. Da sprach er ‘ha ha, das ist gewiß mein Vetterchen, das erst vor ein paar Tagen gestorben ist,’ winkte mit dem Finger, und rief ‘komm, Vetterchen, komm!’ Sie stellten den Sarg auf die Erde, er aber gieng hinzu, und nahm den Deckel ab, da lag ein todter Mann darinn: er fuͤhlte ihm ans Gesicht, aber es war kalt wie Eis. ‘Wart,’ sprach er, ‘ich will dich ein bischen waͤrmen,’ gieng ans Feuer, waͤrmte seine Hand, und legte sie ihm aufs Gesicht, aber der Todte blieb kalt. Nun <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0058" n="27"/> auf seinen Platz. Da fielen noch mehr Maͤnner herab, die hatten neun Todtenbeine und zwei Todtenkoͤpfe, setzten auf, und spielten Kegel. Der Junge bekam auch Lust, und fragte ‘hoͤrt ihr, kann ich mit seyn?’ ‘Ja, wenn du Geld hast.’ ‘Geld genug,’ antwortete er, ‘aber eure Kugeln sind nicht recht rund.’ Da nahm er sie, setzte sie in die Drehbank, und drehte sie rund. ‘So, jetzt werden sie besser schuͤppeln,’ sprach er, ‘heida! nun gehts lustig!’ Er spielte mit, und verlor etwas von seinem Geld, als es aber zwoͤlf Uhr schlug, war alles vor seinen Augen verschwunden, und er legte sich nieder, und schlief ruhig ein. Am andern Morgen kam der Koͤnig und wollte sich erkundigen: ‘wie ist dirs diesmal gegangen?’ fragte er. ‘Jch habe gekegelt,’ antwortete er, ‘und ein paar Heller verloren.’ ‘Hats dir denn nicht gegruselt?’ ‘Ei was,’ sprach er, ‘lustig hab ich mich gemacht. Wenn ich nur wuͤßte was Gruseln waͤre!’</p><lb/> <p>Jn der dritten Nacht setzte er sich wieder auf seine Bank, und sprach ganz verdrießlich ‘wenn es mir nur gruselte!’ Als es spaͤt ward, kamen sechs große Maͤnner, und brachten eine Todtenlade hereingetragen. Da sprach er ‘ha ha, das ist gewiß mein Vetterchen, das erst vor ein paar Tagen gestorben ist,’ winkte mit dem Finger, und rief ‘komm, Vetterchen, komm!’ Sie stellten den Sarg auf die Erde, er aber gieng hinzu, und nahm den Deckel ab, da lag ein todter Mann darinn: er fuͤhlte ihm ans Gesicht, aber es war kalt wie Eis. ‘Wart,’ sprach er, ‘ich will dich ein bischen waͤrmen,’ gieng ans Feuer, waͤrmte seine Hand, und legte sie ihm aufs Gesicht, aber der Todte blieb kalt. Nun </p> </div> </body> </text> </TEI> [27/0058]
auf seinen Platz. Da fielen noch mehr Maͤnner herab, die hatten neun Todtenbeine und zwei Todtenkoͤpfe, setzten auf, und spielten Kegel. Der Junge bekam auch Lust, und fragte ‘hoͤrt ihr, kann ich mit seyn?’ ‘Ja, wenn du Geld hast.’ ‘Geld genug,’ antwortete er, ‘aber eure Kugeln sind nicht recht rund.’ Da nahm er sie, setzte sie in die Drehbank, und drehte sie rund. ‘So, jetzt werden sie besser schuͤppeln,’ sprach er, ‘heida! nun gehts lustig!’ Er spielte mit, und verlor etwas von seinem Geld, als es aber zwoͤlf Uhr schlug, war alles vor seinen Augen verschwunden, und er legte sich nieder, und schlief ruhig ein. Am andern Morgen kam der Koͤnig und wollte sich erkundigen: ‘wie ist dirs diesmal gegangen?’ fragte er. ‘Jch habe gekegelt,’ antwortete er, ‘und ein paar Heller verloren.’ ‘Hats dir denn nicht gegruselt?’ ‘Ei was,’ sprach er, ‘lustig hab ich mich gemacht. Wenn ich nur wuͤßte was Gruseln waͤre!’
Jn der dritten Nacht setzte er sich wieder auf seine Bank, und sprach ganz verdrießlich ‘wenn es mir nur gruselte!’ Als es spaͤt ward, kamen sechs große Maͤnner, und brachten eine Todtenlade hereingetragen. Da sprach er ‘ha ha, das ist gewiß mein Vetterchen, das erst vor ein paar Tagen gestorben ist,’ winkte mit dem Finger, und rief ‘komm, Vetterchen, komm!’ Sie stellten den Sarg auf die Erde, er aber gieng hinzu, und nahm den Deckel ab, da lag ein todter Mann darinn: er fuͤhlte ihm ans Gesicht, aber es war kalt wie Eis. ‘Wart,’ sprach er, ‘ich will dich ein bischen waͤrmen,’ gieng ans Feuer, waͤrmte seine Hand, und legte sie ihm aufs Gesicht, aber der Todte blieb kalt. Nun
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Zitationshilfe: | Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/58>, abgerufen am 16.07.2024. |