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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.

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'was ist denn eure Bitte?' Sie antworteten 'wir haben nun ausgelernt, wir müssen uns auch in der Welt versuchen, so erlaubt daß wir fortziehen und wandern.' Da sprach der Alte mit Freuden 'ihr redet, wie brave Jäger, das hab ich selbst gewünscht; zieht aus, es wird euch wohl ergehen.' Darauf aßen und tranken sie fröhlich zusammen.

Als der bestimmte Tag kam, schenkte der Pflegevater jedem eine gute Büchse und einen Hund, und ließ jeden von seinen gesparten Goldstücken nehmen so viel er wollte. Darauf begleitete er sie ein Stück Wegs, und beim Abschied gab er ihnen noch ein blankes Messer, und sprach 'wann ihr euch einmal trennt, so stoßt dies Messer am Scheideweg in einen Baum, daran kann einer, wenn er zurückkommt, sehen wie es seinem abwesenden Bruder ergangen ist, denn die Seite, nach welcher dieser ausgezogen ist, rostet, wann er stirbt, so lange er aber lebt, bleibt sie blank.' Die zwei Brüder giengen fort, und kamen in einen Wald, so groß, daß sie unmöglich in einem Tag heraus konnten. Also blieben sie die Nacht darin, und aßen was sie in die Jägertasche gesteckt hatten; sie giengen aber auch noch den zweiten Tag, und kamen nicht heraus, und hatten nichts zu essen. Sprach der eine 'wir müssen uns etwas schießen, sonst leiden wir Hunger,' lud seine Büchse, und sah sich um. Und als ein alter Hase daher gelaufen kam, legte er an, aber der Hase rief

'lieber Jäger, laß mich leben,
ich will dir auch zwei Junge geben.'

Da sprang er ins Gebüsch, und brachte zwei Junge; die Thierlein

‘was ist denn eure Bitte?’ Sie antworteten ‘wir haben nun ausgelernt, wir muͤssen uns auch in der Welt versuchen, so erlaubt daß wir fortziehen und wandern.’ Da sprach der Alte mit Freuden ‘ihr redet, wie brave Jaͤger, das hab ich selbst gewuͤnscht; zieht aus, es wird euch wohl ergehen.’ Darauf aßen und tranken sie froͤhlich zusammen.

Als der bestimmte Tag kam, schenkte der Pflegevater jedem eine gute Buͤchse und einen Hund, und ließ jeden von seinen gesparten Goldstuͤcken nehmen so viel er wollte. Darauf begleitete er sie ein Stuͤck Wegs, und beim Abschied gab er ihnen noch ein blankes Messer, und sprach ‘wann ihr euch einmal trennt, so stoßt dies Messer am Scheideweg in einen Baum, daran kann einer, wenn er zuruͤckkommt, sehen wie es seinem abwesenden Bruder ergangen ist, denn die Seite, nach welcher dieser ausgezogen ist, rostet, wann er stirbt, so lange er aber lebt, bleibt sie blank.’ Die zwei Bruͤder giengen fort, und kamen in einen Wald, so groß, daß sie unmoͤglich in einem Tag heraus konnten. Also blieben sie die Nacht darin, und aßen was sie in die Jaͤgertasche gesteckt hatten; sie giengen aber auch noch den zweiten Tag, und kamen nicht heraus, und hatten nichts zu essen. Sprach der eine ‘wir muͤssen uns etwas schießen, sonst leiden wir Hunger,’ lud seine Buͤchse, und sah sich um. Und als ein alter Hase daher gelaufen kam, legte er an, aber der Hase rief

‘lieber Jaͤger, laß mich leben,
ich will dir auch zwei Junge geben.’

Da sprang er ins Gebuͤsch, und brachte zwei Junge; die Thierlein

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[372/0403] ‘was ist denn eure Bitte?’ Sie antworteten ‘wir haben nun ausgelernt, wir muͤssen uns auch in der Welt versuchen, so erlaubt daß wir fortziehen und wandern.’ Da sprach der Alte mit Freuden ‘ihr redet, wie brave Jaͤger, das hab ich selbst gewuͤnscht; zieht aus, es wird euch wohl ergehen.’ Darauf aßen und tranken sie froͤhlich zusammen. Als der bestimmte Tag kam, schenkte der Pflegevater jedem eine gute Buͤchse und einen Hund, und ließ jeden von seinen gesparten Goldstuͤcken nehmen so viel er wollte. Darauf begleitete er sie ein Stuͤck Wegs, und beim Abschied gab er ihnen noch ein blankes Messer, und sprach ‘wann ihr euch einmal trennt, so stoßt dies Messer am Scheideweg in einen Baum, daran kann einer, wenn er zuruͤckkommt, sehen wie es seinem abwesenden Bruder ergangen ist, denn die Seite, nach welcher dieser ausgezogen ist, rostet, wann er stirbt, so lange er aber lebt, bleibt sie blank.’ Die zwei Bruͤder giengen fort, und kamen in einen Wald, so groß, daß sie unmoͤglich in einem Tag heraus konnten. Also blieben sie die Nacht darin, und aßen was sie in die Jaͤgertasche gesteckt hatten; sie giengen aber auch noch den zweiten Tag, und kamen nicht heraus, und hatten nichts zu essen. Sprach der eine ‘wir muͤssen uns etwas schießen, sonst leiden wir Hunger,’ lud seine Buͤchse, und sah sich um. Und als ein alter Hase daher gelaufen kam, legte er an, aber der Hase rief ‘lieber Jaͤger, laß mich leben, ich will dir auch zwei Junge geben.’ Da sprang er ins Gebuͤsch, und brachte zwei Junge; die Thierlein

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/403>, abgerufen am 18.05.2024.