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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.

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zerrissen, geschunden und gedrückt haben! das wird sein Lebtag nicht wieder heil.' Und aus mitleidigem Herzen nahm es seine Butter, und bestrich die Gleisen, rechts und links, damit sie von den Rädern nicht so gedrückt würden: und wie es sich bey seiner Barmherzigkeit so bückte, rollte ihm ein Käse aus der Tasche fort, den Berg hinab. Sprach das Catherlieschen 'ich habe den Weg schon einmal herauf gemacht, ich gehe nicht wieder hinab, es mag ein anderer hinlaufen und ihn wieder holen.' Also nahm es einen andern Käs, und rollte ihn hinab. Die Käse aber kamen beide nicht wieder, da ließ es noch einen dritten hinablaufen, und dachte 'vielleicht warten sie auf Gesellschaft, und gehen nicht gern allein.' Als sie alle drei ausblieben, sprach es 'ich weiß nicht, was das vorstellen soll! doch kanns ja seyn, der dritte hat den Weg nicht gefunden und sich verirrt, ich will nur den vierten schicken, daß er sie herbei ruft.' Der vierte machte es aber nicht besser als der dritte. Da ward das Catherlieschen ärgerlich, und warf noch den fünften und sechsten hinab, und das waren die letzten. Eine Zeit lang blieb es stehen und lauerte daß sie kämen, als sie aber immer nicht kamen, sprach es 'o, ihr seyd gut nach dem Tod schicken, ihr bleibt fein lange aus; meint ihr, ich wollt noch länger auf euch warten? ich gehe meiner Wege, ihr könnt mir nachlaufen, ihr habt jüngere Beine als ich.' Catherlieschen gieng fort, und fand den Frieder, der war stehen geblieben und hatte gewartet, weil er gerne was essen wollte. 'Nun, gieb einmal her, was du mitgenommen hast.' Sie reichte

zerrissen, geschunden und gedruͤckt haben! das wird sein Lebtag nicht wieder heil.’ Und aus mitleidigem Herzen nahm es seine Butter, und bestrich die Gleisen, rechts und links, damit sie von den Raͤdern nicht so gedruͤckt wuͤrden: und wie es sich bey seiner Barmherzigkeit so buͤckte, rollte ihm ein Kaͤse aus der Tasche fort, den Berg hinab. Sprach das Catherlieschen ‘ich habe den Weg schon einmal herauf gemacht, ich gehe nicht wieder hinab, es mag ein anderer hinlaufen und ihn wieder holen.’ Also nahm es einen andern Kaͤs, und rollte ihn hinab. Die Kaͤse aber kamen beide nicht wieder, da ließ es noch einen dritten hinablaufen, und dachte ‘vielleicht warten sie auf Gesellschaft, und gehen nicht gern allein.’ Als sie alle drei ausblieben, sprach es ‘ich weiß nicht, was das vorstellen soll! doch kanns ja seyn, der dritte hat den Weg nicht gefunden und sich verirrt, ich will nur den vierten schicken, daß er sie herbei ruft.’ Der vierte machte es aber nicht besser als der dritte. Da ward das Catherlieschen aͤrgerlich, und warf noch den fuͤnften und sechsten hinab, und das waren die letzten. Eine Zeit lang blieb es stehen und lauerte daß sie kaͤmen, als sie aber immer nicht kamen, sprach es ‘o, ihr seyd gut nach dem Tod schicken, ihr bleibt fein lange aus; meint ihr, ich wollt noch laͤnger auf euch warten? ich gehe meiner Wege, ihr koͤnnt mir nachlaufen, ihr habt juͤngere Beine als ich.’ Catherlieschen gieng fort, und fand den Frieder, der war stehen geblieben und hatte gewartet, weil er gerne was essen wollte. ‘Nun, gieb einmal her, was du mitgenommen hast.’ Sie reichte

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[363/0394] zerrissen, geschunden und gedruͤckt haben! das wird sein Lebtag nicht wieder heil.’ Und aus mitleidigem Herzen nahm es seine Butter, und bestrich die Gleisen, rechts und links, damit sie von den Raͤdern nicht so gedruͤckt wuͤrden: und wie es sich bey seiner Barmherzigkeit so buͤckte, rollte ihm ein Kaͤse aus der Tasche fort, den Berg hinab. Sprach das Catherlieschen ‘ich habe den Weg schon einmal herauf gemacht, ich gehe nicht wieder hinab, es mag ein anderer hinlaufen und ihn wieder holen.’ Also nahm es einen andern Kaͤs, und rollte ihn hinab. Die Kaͤse aber kamen beide nicht wieder, da ließ es noch einen dritten hinablaufen, und dachte ‘vielleicht warten sie auf Gesellschaft, und gehen nicht gern allein.’ Als sie alle drei ausblieben, sprach es ‘ich weiß nicht, was das vorstellen soll! doch kanns ja seyn, der dritte hat den Weg nicht gefunden und sich verirrt, ich will nur den vierten schicken, daß er sie herbei ruft.’ Der vierte machte es aber nicht besser als der dritte. Da ward das Catherlieschen aͤrgerlich, und warf noch den fuͤnften und sechsten hinab, und das waren die letzten. Eine Zeit lang blieb es stehen und lauerte daß sie kaͤmen, als sie aber immer nicht kamen, sprach es ‘o, ihr seyd gut nach dem Tod schicken, ihr bleibt fein lange aus; meint ihr, ich wollt noch laͤnger auf euch warten? ich gehe meiner Wege, ihr koͤnnt mir nachlaufen, ihr habt juͤngere Beine als ich.’ Catherlieschen gieng fort, und fand den Frieder, der war stehen geblieben und hatte gewartet, weil er gerne was essen wollte. ‘Nun, gieb einmal her, was du mitgenommen hast.’ Sie reichte

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/394>, abgerufen am 22.11.2024.