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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.

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Daumesdick in die Kammer, schrie aber gleich aus Leibeskräften 'wollt ihr alles haben, was hier ist?' Die Diebe erschracken, und sagten 'so sprich doch leise, damit niemand aufwacht.' Aber Daumesdick that als hätte er sie nicht verstanden, und schrie von neuem 'was wollt ihr? wollt ihr alles haben was hier ist?' Das hörte die Köchin, die in der Stube daran schlief, richtete sich im Bette auf und horchte. Die Diebe aber waren vor Schrecken ein Stück Wegs zurück gelaufen, endlich faßten sie wieder Muth, dachten 'der kleine Kerl will uns necken,' kamen zurück, und flüsterten ihm hinein 'nun mach Ernst, und reich uns etwas heraus.' Da schrie Daumesdick noch einmal so laut er konnte 'ich will euch ja alles geben, reicht nur die Hände herein.' Das hörte nun die horchende Magd ganz deutlich, sprang aus dem Bett, und stolperte zur Thüre herein. Die Diebe liefen fort und rannten als wäre der wilde Jäger hinter ihnen, die Magd aber, als sie nichts bemerken konnte, gieng ein Licht anzuzünden. Wie sie damit herbei kam, machte sich Daumesdick, ohne daß er gesehen wurde, hinaus in die Scheune: die Magd aber, nachdem sie alle Winkel durchgesucht und nichts gefunden hattte, legte sich endlich wieder zu Bett, und glaubte sie hätte mit offnen Augen und Ohren doch nur geträumt.

Daumesdick war in den Heuhälmchen herumgeklettert, und hatte einen schönen Platz zum Schlafen gefunden: da wollte er sich ausruhen bis es Tag wäre, und dann zu seinen Eltern wieder heim gehen. Aber er mußte andere Dinge erfahren! ja, es giebt viel Trübsal und Noth auf der Welt! Die Magd stieg,

Daumesdick in die Kammer, schrie aber gleich aus Leibeskraͤften ‘wollt ihr alles haben, was hier ist?’ Die Diebe erschracken, und sagten ‘so sprich doch leise, damit niemand aufwacht.’ Aber Daumesdick that als haͤtte er sie nicht verstanden, und schrie von neuem ‘was wollt ihr? wollt ihr alles haben was hier ist?’ Das hoͤrte die Koͤchin, die in der Stube daran schlief, richtete sich im Bette auf und horchte. Die Diebe aber waren vor Schrecken ein Stuͤck Wegs zuruͤck gelaufen, endlich faßten sie wieder Muth, dachten ‘der kleine Kerl will uns necken,’ kamen zuruͤck, und fluͤsterten ihm hinein ‘nun mach Ernst, und reich uns etwas heraus.’ Da schrie Daumesdick noch einmal so laut er konnte ‘ich will euch ja alles geben, reicht nur die Haͤnde herein.’ Das hoͤrte nun die horchende Magd ganz deutlich, sprang aus dem Bett, und stolperte zur Thuͤre herein. Die Diebe liefen fort und rannten als waͤre der wilde Jaͤger hinter ihnen, die Magd aber, als sie nichts bemerken konnte, gieng ein Licht anzuzuͤnden. Wie sie damit herbei kam, machte sich Daumesdick, ohne daß er gesehen wurde, hinaus in die Scheune: die Magd aber, nachdem sie alle Winkel durchgesucht und nichts gefunden hattte, legte sich endlich wieder zu Bett, und glaubte sie haͤtte mit offnen Augen und Ohren doch nur getraͤumt.

Daumesdick war in den Heuhaͤlmchen herumgeklettert, und hatte einen schoͤnen Platz zum Schlafen gefunden: da wollte er sich ausruhen bis es Tag waͤre, und dann zu seinen Eltern wieder heim gehen. Aber er mußte andere Dinge erfahren! ja, es giebt viel Truͤbsal und Noth auf der Welt! Die Magd stieg,

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[232/0263] Daumesdick in die Kammer, schrie aber gleich aus Leibeskraͤften ‘wollt ihr alles haben, was hier ist?’ Die Diebe erschracken, und sagten ‘so sprich doch leise, damit niemand aufwacht.’ Aber Daumesdick that als haͤtte er sie nicht verstanden, und schrie von neuem ‘was wollt ihr? wollt ihr alles haben was hier ist?’ Das hoͤrte die Koͤchin, die in der Stube daran schlief, richtete sich im Bette auf und horchte. Die Diebe aber waren vor Schrecken ein Stuͤck Wegs zuruͤck gelaufen, endlich faßten sie wieder Muth, dachten ‘der kleine Kerl will uns necken,’ kamen zuruͤck, und fluͤsterten ihm hinein ‘nun mach Ernst, und reich uns etwas heraus.’ Da schrie Daumesdick noch einmal so laut er konnte ‘ich will euch ja alles geben, reicht nur die Haͤnde herein.’ Das hoͤrte nun die horchende Magd ganz deutlich, sprang aus dem Bett, und stolperte zur Thuͤre herein. Die Diebe liefen fort und rannten als waͤre der wilde Jaͤger hinter ihnen, die Magd aber, als sie nichts bemerken konnte, gieng ein Licht anzuzuͤnden. Wie sie damit herbei kam, machte sich Daumesdick, ohne daß er gesehen wurde, hinaus in die Scheune: die Magd aber, nachdem sie alle Winkel durchgesucht und nichts gefunden hattte, legte sich endlich wieder zu Bett, und glaubte sie haͤtte mit offnen Augen und Ohren doch nur getraͤumt. Daumesdick war in den Heuhaͤlmchen herumgeklettert, und hatte einen schoͤnen Platz zum Schlafen gefunden: da wollte er sich ausruhen bis es Tag waͤre, und dann zu seinen Eltern wieder heim gehen. Aber er mußte andere Dinge erfahren! ja, es giebt viel Truͤbsal und Noth auf der Welt! Die Magd stieg,

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/263>, abgerufen am 10.05.2024.