Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.und stärkt? Aber jede Bearbeitung dieser Sagen, welche ihre Einfachheit Unschuld und prunklose Reinheit wegnimmt, reißt sie aus dem Kreiße, welchem sie angehören, und wo sie ohne Überdruß immer wieder begehrt werden. Es kann seyn, und dies ist der beste Fall, daß man Feinheit, Geist, besonders Witz, der die Lächerlichkeit der Zeit mit hineinzieht, ein zartes Ausmahlen des Gefühls, wie es einer von der Poesie aller Völker genährten Bildung nicht allzu schwer fällt, dafür gibt; aber diese Gabe hat doch mehr Schimmer als Nutzen: sie denkt an das einmalige Anhören oder Lesen, an das sich unsere Zeit gewöhnt hat, und sammelt und spitzt dafür die Reize. Doch in der Wiederholung ermüdet uns der Witz, und das Dauernde ist etwas Ruhiges Stilles und Reines. Die geübte Hand solcher Bearbeitungen gleicht doch jener unglücklich begabten, die alles, was sie anrührte, auch die Speisen, in Gold verwandelte, und kann uns mitten im Reichthum nicht sättigen und tränken. Gar, wo aus bloßer Einbildungskraft die Mythologie mit ihren Bildern soll angeschafft werden, wie kahl, innerlich leer und gestaltlos sieht dann trotz den besten und stärksten Worten alles aus! Übrigens ist dies nur gegen sogenannte Bearbeitungen und staͤrkt? Aber jede Bearbeitung dieser Sagen, welche ihre Einfachheit Unschuld und prunklose Reinheit wegnimmt, reißt sie aus dem Kreiße, welchem sie angehoͤren, und wo sie ohne Überdruß immer wieder begehrt werden. Es kann seyn, und dies ist der beste Fall, daß man Feinheit, Geist, besonders Witz, der die Laͤcherlichkeit der Zeit mit hineinzieht, ein zartes Ausmahlen des Gefuͤhls, wie es einer von der Poesie aller Voͤlker genaͤhrten Bildung nicht allzu schwer faͤllt, dafuͤr gibt; aber diese Gabe hat doch mehr Schimmer als Nutzen: sie denkt an das einmalige Anhoͤren oder Lesen, an das sich unsere Zeit gewoͤhnt hat, und sammelt und spitzt dafuͤr die Reize. Doch in der Wiederholung ermuͤdet uns der Witz, und das Dauernde ist etwas Ruhiges Stilles und Reines. Die geuͤbte Hand solcher Bearbeitungen gleicht doch jener ungluͤcklich begabten, die alles, was sie anruͤhrte, auch die Speisen, in Gold verwandelte, und kann uns mitten im Reichthum nicht saͤttigen und traͤnken. Gar, wo aus bloßer Einbildungskraft die Mythologie mit ihren Bildern soll angeschafft werden, wie kahl, innerlich leer und gestaltlos sieht dann trotz den besten und staͤrksten Worten alles aus! Übrigens ist dies nur gegen sogenannte Bearbeitungen <TEI> <text> <front> <div type="preface"> <p><pb facs="#f0024" n="XXI"/> und staͤrkt? Aber jede Bearbeitung dieser Sagen, welche ihre Einfachheit Unschuld und prunklose Reinheit wegnimmt, reißt sie aus dem Kreiße, welchem sie angehoͤren, und wo sie ohne Überdruß immer wieder begehrt werden. Es kann seyn, und dies ist der beste Fall, daß man Feinheit, Geist, besonders Witz, der die Laͤcherlichkeit der Zeit mit hineinzieht, ein zartes Ausmahlen des Gefuͤhls, wie es einer von der Poesie aller Voͤlker genaͤhrten Bildung nicht allzu schwer faͤllt, dafuͤr gibt; aber diese Gabe hat doch mehr Schimmer als Nutzen: sie denkt an das einmalige Anhoͤren oder Lesen, an das sich unsere Zeit gewoͤhnt hat, und sammelt und spitzt dafuͤr die Reize. Doch in der Wiederholung ermuͤdet uns der Witz, und das Dauernde ist etwas Ruhiges Stilles und Reines. Die geuͤbte Hand solcher Bearbeitungen gleicht doch jener ungluͤcklich begabten, die alles, was sie anruͤhrte, auch die Speisen, in Gold verwandelte, und kann uns mitten im Reichthum nicht saͤttigen und traͤnken. Gar, wo aus bloßer Einbildungskraft die Mythologie mit ihren Bildern soll angeschafft werden, wie kahl, innerlich leer und gestaltlos sieht dann trotz den besten und staͤrksten Worten alles aus! Übrigens ist dies nur gegen sogenannte Bearbeitungen </p> </div> </front> </text> </TEI> [XXI/0024]
und staͤrkt? Aber jede Bearbeitung dieser Sagen, welche ihre Einfachheit Unschuld und prunklose Reinheit wegnimmt, reißt sie aus dem Kreiße, welchem sie angehoͤren, und wo sie ohne Überdruß immer wieder begehrt werden. Es kann seyn, und dies ist der beste Fall, daß man Feinheit, Geist, besonders Witz, der die Laͤcherlichkeit der Zeit mit hineinzieht, ein zartes Ausmahlen des Gefuͤhls, wie es einer von der Poesie aller Voͤlker genaͤhrten Bildung nicht allzu schwer faͤllt, dafuͤr gibt; aber diese Gabe hat doch mehr Schimmer als Nutzen: sie denkt an das einmalige Anhoͤren oder Lesen, an das sich unsere Zeit gewoͤhnt hat, und sammelt und spitzt dafuͤr die Reize. Doch in der Wiederholung ermuͤdet uns der Witz, und das Dauernde ist etwas Ruhiges Stilles und Reines. Die geuͤbte Hand solcher Bearbeitungen gleicht doch jener ungluͤcklich begabten, die alles, was sie anruͤhrte, auch die Speisen, in Gold verwandelte, und kann uns mitten im Reichthum nicht saͤttigen und traͤnken. Gar, wo aus bloßer Einbildungskraft die Mythologie mit ihren Bildern soll angeschafft werden, wie kahl, innerlich leer und gestaltlos sieht dann trotz den besten und staͤrksten Worten alles aus! Übrigens ist dies nur gegen sogenannte Bearbeitungen
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