Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

auch in kleiner, zwerghafter Gestalt gedacht wurden. Jn eine Reihe mit ihm gehören die Wichtel-, Haulemänner, Kobolde und Zwerge. Sie sind gleichfalls die Alfen der nordischen Mythologie und eben so beides: gut und wohlwollend oder bös und schadenfroh. Sie bewohnen nicht bloß die Oberwelt, sie heißen auch die unterirdischen und durchdringen die verborgene und heimliche Erde, wo die herrlichsten Häuser für sie bereit stehen; sie sind der in die feinsten Adern der Welt vertheilte, treibende Lebensgeist.

Ueberhaupt aber das, die Naturkräfte in dem Gegensatz ihrer wilden und stillen Wirkungen darstellende Riesen- und Zwerg-Wesen lebt hier noch in den Formen und Bildern fort, in welchen es die alten ursprünglich deutschen Gedichte darstellen, das Uebermächtige und doch Ungeschlachte jener ist in ähnlichen naiven, höchst bezeichnenden Zügen dargestellt, so wie die Schlauheit, List und wiederum das Zuthätige und Bereitwillige der Kleinen aus Elberichs Reich, welche durch ihre wunderbaren und geheimen Kräfte immer auch das Geistermäßige ihrer Natur erkennen lassen.

Legen wir diese einzelnen Körner zusammen, so scheint von dem alten Glauben noch durchzublicken: Belebung der ganzen Natur, Pantheismus, ein Fatum, das gute und böse Princip, die Trimurti, große, höhere Götter, mit ihrem Götterberg, so wie Verehrung kleiner besonderer Gottheiten.


auch in kleiner, zwerghafter Gestalt gedacht wurden. Jn eine Reihe mit ihm gehoͤren die Wichtel-, Haulemaͤnner, Kobolde und Zwerge. Sie sind gleichfalls die Alfen der nordischen Mythologie und eben so beides: gut und wohlwollend oder boͤs und schadenfroh. Sie bewohnen nicht bloß die Oberwelt, sie heißen auch die unterirdischen und durchdringen die verborgene und heimliche Erde, wo die herrlichsten Haͤuser fuͤr sie bereit stehen; sie sind der in die feinsten Adern der Welt vertheilte, treibende Lebensgeist.

Ueberhaupt aber das, die Naturkraͤfte in dem Gegensatz ihrer wilden und stillen Wirkungen darstellende Riesen- und Zwerg-Wesen lebt hier noch in den Formen und Bildern fort, in welchen es die alten urspruͤnglich deutschen Gedichte darstellen, das Uebermaͤchtige und doch Ungeschlachte jener ist in aͤhnlichen naiven, hoͤchst bezeichnenden Zuͤgen dargestellt, so wie die Schlauheit, List und wiederum das Zuthaͤtige und Bereitwillige der Kleinen aus Elberichs Reich, welche durch ihre wunderbaren und geheimen Kraͤfte immer auch das Geistermaͤßige ihrer Natur erkennen lassen.

Legen wir diese einzelnen Koͤrner zusammen, so scheint von dem alten Glauben noch durchzublicken: Belebung der ganzen Natur, Pantheismus, ein Fatum, das gute und boͤse Princip, die Trimurti, große, hoͤhere Goͤtter, mit ihrem Goͤtterberg, so wie Verehrung kleiner besonderer Gottheiten.


<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="preface">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0051" n="XLIII"/>
auch in kleiner, zwerghafter Gestalt gedacht wurden. Jn eine Reihe mit ihm geho&#x0364;ren die <hi rendition="#g">Wichtel-, Haulema&#x0364;nner, Kobolde</hi> und <hi rendition="#g">Zwerge</hi>. Sie sind gleichfalls die Alfen der nordischen Mythologie und eben so beides: gut und wohlwollend oder bo&#x0364;s und schadenfroh. Sie bewohnen nicht bloß die Oberwelt, sie heißen auch die unterirdischen und durchdringen die verborgene und heimliche Erde, wo die herrlichsten Ha&#x0364;user fu&#x0364;r sie bereit stehen; sie sind der in die feinsten Adern der Welt vertheilte, treibende Lebensgeist.</p><lb/>
          <p>Ueberhaupt aber das, die Naturkra&#x0364;fte in dem Gegensatz ihrer wilden und stillen Wirkungen darstellende <hi rendition="#g">Riesen-</hi> und <hi rendition="#g">Zwerg-Wesen</hi> lebt hier noch in den Formen und Bildern fort, in welchen es die alten urspru&#x0364;nglich deutschen Gedichte darstellen, das Ueberma&#x0364;chtige und doch Ungeschlachte jener ist in a&#x0364;hnlichen naiven, ho&#x0364;chst bezeichnenden Zu&#x0364;gen dargestellt, so wie die Schlauheit, List und wiederum das Zutha&#x0364;tige und Bereitwillige der Kleinen aus Elberichs Reich, welche durch ihre wunderbaren und geheimen Kra&#x0364;fte immer auch das Geisterma&#x0364;ßige ihrer Natur erkennen lassen.</p><lb/>
          <p>Legen wir diese einzelnen Ko&#x0364;rner zusammen, so scheint von dem alten Glauben noch durchzublicken: Belebung der ganzen Natur, Pantheismus, ein Fatum, das gute und bo&#x0364;se Princip, die Trimurti, große, ho&#x0364;here Go&#x0364;tter, mit ihrem Go&#x0364;tterberg, so wie Verehrung kleiner besonderer Gottheiten.</p>
        </div><lb/>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[XLIII/0051] auch in kleiner, zwerghafter Gestalt gedacht wurden. Jn eine Reihe mit ihm gehoͤren die Wichtel-, Haulemaͤnner, Kobolde und Zwerge. Sie sind gleichfalls die Alfen der nordischen Mythologie und eben so beides: gut und wohlwollend oder boͤs und schadenfroh. Sie bewohnen nicht bloß die Oberwelt, sie heißen auch die unterirdischen und durchdringen die verborgene und heimliche Erde, wo die herrlichsten Haͤuser fuͤr sie bereit stehen; sie sind der in die feinsten Adern der Welt vertheilte, treibende Lebensgeist. Ueberhaupt aber das, die Naturkraͤfte in dem Gegensatz ihrer wilden und stillen Wirkungen darstellende Riesen- und Zwerg-Wesen lebt hier noch in den Formen und Bildern fort, in welchen es die alten urspruͤnglich deutschen Gedichte darstellen, das Uebermaͤchtige und doch Ungeschlachte jener ist in aͤhnlichen naiven, hoͤchst bezeichnenden Zuͤgen dargestellt, so wie die Schlauheit, List und wiederum das Zuthaͤtige und Bereitwillige der Kleinen aus Elberichs Reich, welche durch ihre wunderbaren und geheimen Kraͤfte immer auch das Geistermaͤßige ihrer Natur erkennen lassen. Legen wir diese einzelnen Koͤrner zusammen, so scheint von dem alten Glauben noch durchzublicken: Belebung der ganzen Natur, Pantheismus, ein Fatum, das gute und boͤse Princip, die Trimurti, große, hoͤhere Goͤtter, mit ihrem Goͤtterberg, so wie Verehrung kleiner besonderer Gottheiten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/51
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. XLIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/51>, abgerufen am 23.11.2024.