Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

thue, so sollte mirs nicht schaden." Also that es noch einen frischen Trank, und ließ das zweite Huhn wieder zum andern laufen.

Wie es so am besten aß, kam der Herr daher gegangen und rief: "nun, eil dich Grethel, der Gast kommt gleich nach." "Ja, Herr, wills schon zurichten," antwortete Grethel. Der Herr sah indessen, ob der Tisch wohl gedeckt war, nahm das große Messer womit er die Hühner zerschneiden wollte, und wetzte es auf dem Gang. Jndem kam der Gast, klopfte sittlich und höflich an der Hausthüre; Grethel lief und schaute wer da war, und als es den Gast sah, hielt es den Finger an den Mund und sprach: "still! still! macht geschwind, daß ihr wieder fort kommt, denn wenn euch mein Herr erwischt, so seyd ihr unglücklich; er hat euch zwar zum Nachtessen eingeladen, aber er hat nichts anders im Sinn als euch die beiden Ohren abzuschneiden. Hört nur, wie er das Messer dazu wetzt." Der Gast hörte das Wetzen und eilte was er konnte wieder die Stiegen hinab. Das Grethel war nicht faul, lief schreiend zu dem Herrn und sprach: "da habt ihr einen schönen Gast eingeladen!" -- "Ei, warum Grethel, was hast du?" -- "Ja, sagte es, der hat mir beide Hühner, die ich eben auftragen wollte, von der Schüssel genommen und ist damit fortgelaufen." "Das ist feine Weise! sprach der Herr, und war ihm leid um die schönen Hühner: "wann er mir dann wenigstens das eine gelassen hätte, damit mir was zu essen geblieben wäre." Rief ihm zu, er sollt bleiben, aber der Gast that als hörte er es nicht; darum lief er ihm nach, das Messer noch immer in der

thue, so sollte mirs nicht schaden.“ Also that es noch einen frischen Trank, und ließ das zweite Huhn wieder zum andern laufen.

Wie es so am besten aß, kam der Herr daher gegangen und rief: „nun, eil dich Grethel, der Gast kommt gleich nach.“ „Ja, Herr, wills schon zurichten,“ antwortete Grethel. Der Herr sah indessen, ob der Tisch wohl gedeckt war, nahm das große Messer womit er die Huͤhner zerschneiden wollte, und wetzte es auf dem Gang. Jndem kam der Gast, klopfte sittlich und hoͤflich an der Hausthuͤre; Grethel lief und schaute wer da war, und als es den Gast sah, hielt es den Finger an den Mund und sprach: „still! still! macht geschwind, daß ihr wieder fort kommt, denn wenn euch mein Herr erwischt, so seyd ihr ungluͤcklich; er hat euch zwar zum Nachtessen eingeladen, aber er hat nichts anders im Sinn als euch die beiden Ohren abzuschneiden. Hoͤrt nur, wie er das Messer dazu wetzt.“ Der Gast hoͤrte das Wetzen und eilte was er konnte wieder die Stiegen hinab. Das Grethel war nicht faul, lief schreiend zu dem Herrn und sprach: „da habt ihr einen schoͤnen Gast eingeladen!“ — „Ei, warum Grethel, was hast du?“ — „Ja, sagte es, der hat mir beide Huͤhner, die ich eben auftragen wollte, von der Schuͤssel genommen und ist damit fortgelaufen.“ „Das ist feine Weise! sprach der Herr, und war ihm leid um die schoͤnen Huͤhner: „wann er mir dann wenigstens das eine gelassen haͤtte, damit mir was zu essen geblieben waͤre.“ Rief ihm zu, er sollt bleiben, aber der Gast that als hoͤrte er es nicht; darum lief er ihm nach, das Messer noch immer in der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0464" n="400"/>
thue, so sollte mirs nicht schaden.&#x201C; Also that es noch einen frischen Trank, und ließ das zweite Huhn wieder zum andern laufen.</p><lb/>
        <p>Wie es so am besten aß, kam der Herr daher gegangen und rief: &#x201E;nun, eil dich Grethel, der Gast kommt gleich nach.&#x201C; &#x201E;Ja, Herr, wills schon zurichten,&#x201C; antwortete Grethel. Der Herr sah indessen, ob der Tisch wohl gedeckt war, nahm das große Messer womit er die Hu&#x0364;hner zerschneiden wollte, und wetzte es auf dem Gang. Jndem kam der Gast, klopfte sittlich und ho&#x0364;flich an der Hausthu&#x0364;re; Grethel lief und schaute wer da war, und als es den Gast sah, hielt es den Finger an den Mund und sprach: &#x201E;still! still! macht geschwind, daß ihr wieder fort kommt, denn wenn euch mein Herr erwischt, so seyd ihr unglu&#x0364;cklich; er hat euch zwar zum Nachtessen eingeladen, aber er hat nichts anders im Sinn als euch die beiden Ohren abzuschneiden. Ho&#x0364;rt nur, wie er das Messer dazu wetzt.&#x201C; Der Gast ho&#x0364;rte das Wetzen und eilte was er konnte wieder die Stiegen hinab. Das Grethel war nicht faul, lief schreiend zu dem Herrn und sprach: &#x201E;da habt ihr einen scho&#x0364;nen Gast eingeladen!&#x201C; &#x2014; &#x201E;Ei, warum Grethel, was hast du?&#x201C; &#x2014; &#x201E;Ja, sagte es, der hat mir beide Hu&#x0364;hner, die ich eben auftragen wollte, von der Schu&#x0364;ssel genommen und ist damit fortgelaufen.&#x201C; &#x201E;Das ist feine Weise! sprach der Herr, und war ihm leid um die scho&#x0364;nen Hu&#x0364;hner: &#x201E;wann er mir dann wenigstens das eine gelassen ha&#x0364;tte, damit mir was zu essen geblieben wa&#x0364;re.&#x201C; Rief ihm zu, er sollt bleiben, aber der Gast that als ho&#x0364;rte er es nicht; darum lief er ihm nach, das Messer noch immer in der
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[400/0464] thue, so sollte mirs nicht schaden.“ Also that es noch einen frischen Trank, und ließ das zweite Huhn wieder zum andern laufen. Wie es so am besten aß, kam der Herr daher gegangen und rief: „nun, eil dich Grethel, der Gast kommt gleich nach.“ „Ja, Herr, wills schon zurichten,“ antwortete Grethel. Der Herr sah indessen, ob der Tisch wohl gedeckt war, nahm das große Messer womit er die Huͤhner zerschneiden wollte, und wetzte es auf dem Gang. Jndem kam der Gast, klopfte sittlich und hoͤflich an der Hausthuͤre; Grethel lief und schaute wer da war, und als es den Gast sah, hielt es den Finger an den Mund und sprach: „still! still! macht geschwind, daß ihr wieder fort kommt, denn wenn euch mein Herr erwischt, so seyd ihr ungluͤcklich; er hat euch zwar zum Nachtessen eingeladen, aber er hat nichts anders im Sinn als euch die beiden Ohren abzuschneiden. Hoͤrt nur, wie er das Messer dazu wetzt.“ Der Gast hoͤrte das Wetzen und eilte was er konnte wieder die Stiegen hinab. Das Grethel war nicht faul, lief schreiend zu dem Herrn und sprach: „da habt ihr einen schoͤnen Gast eingeladen!“ — „Ei, warum Grethel, was hast du?“ — „Ja, sagte es, der hat mir beide Huͤhner, die ich eben auftragen wollte, von der Schuͤssel genommen und ist damit fortgelaufen.“ „Das ist feine Weise! sprach der Herr, und war ihm leid um die schoͤnen Huͤhner: „wann er mir dann wenigstens das eine gelassen haͤtte, damit mir was zu essen geblieben waͤre.“ Rief ihm zu, er sollt bleiben, aber der Gast that als hoͤrte er es nicht; darum lief er ihm nach, das Messer noch immer in der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/464
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/464>, abgerufen am 18.05.2024.