Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.Ritter; es ruft euch des Nachts dreimal zu bestimmter Zeit an, und wenns das letztemal ruft, so geht die Sonne bald auf. Wenns aber bei hellem Tag ruft, so richtet euch darauf ein, dann giebts gewiß anderes Wetter." Den Leuten gefiel das wohl, sie schliefen eine ganze Nacht nicht und hörten mit großer Freude, wie der Hahn um zwei, vier und sechs Uhr so prächtig die Zeit abrief. Sie fragten ihn, ob das Thier nicht feil wäre und wieviel er dafür verlange. "Etwa so viel, als ein Esel Gold trägt," antwortete er. "Ein billiger Preis, für ein so kostbares Thier!" riefen sie insgesammt und gaben ihm, was er gefordert hatte. Als er nun mit dem Reichthum heim kam, verwunderten sich seine Brüder und der zweite sprach: "so will ich mich doch aufmachen und sehen, ob ich meine Sense auch so gut losschlagen kann!" Es hatte aber nicht das Ansehen darnach, denn überall begegneten ihm Bauern und hatten so gut eine Sense auf der Schulter, als er. Doch zuletzt glückte es ihm auch mit einer Jnsel, wo die Leute nichts von einer Sense wußten. Wenn dort das Korn reif war, so fuhren sie Kanonen vor den Feldern auf und schossens herunter. Das war nun ein ungewisses Ding, mancher schoß drüber hinaus, ein anderer traf statt des Halms die Aehren und schoß sie fort, dabei kam viel um, und obendrein gabs einen lästerlichen Lärmen. Da stellte sich der Mann hin und mähte es so still und so geschwind nieder, daß die Leute Maul und Nase vor Verwunderung aufsperrten. Sie waren willig ihm dafür zu geben, was er verlangte, und er bekam ein Pferd, dem war Gold aufgeladen, so viel es tragen konnte. Ritter; es ruft euch des Nachts dreimal zu bestimmter Zeit an, und wenns das letztemal ruft, so geht die Sonne bald auf. Wenns aber bei hellem Tag ruft, so richtet euch darauf ein, dann giebts gewiß anderes Wetter.“ Den Leuten gefiel das wohl, sie schliefen eine ganze Nacht nicht und hoͤrten mit großer Freude, wie der Hahn um zwei, vier und sechs Uhr so praͤchtig die Zeit abrief. Sie fragten ihn, ob das Thier nicht feil waͤre und wieviel er dafuͤr verlange. „Etwa so viel, als ein Esel Gold traͤgt,“ antwortete er. „Ein billiger Preis, fuͤr ein so kostbares Thier!“ riefen sie insgesammt und gaben ihm, was er gefordert hatte. Als er nun mit dem Reichthum heim kam, verwunderten sich seine Bruͤder und der zweite sprach: „so will ich mich doch aufmachen und sehen, ob ich meine Sense auch so gut losschlagen kann!“ Es hatte aber nicht das Ansehen darnach, denn uͤberall begegneten ihm Bauern und hatten so gut eine Sense auf der Schulter, als er. Doch zuletzt gluͤckte es ihm auch mit einer Jnsel, wo die Leute nichts von einer Sense wußten. Wenn dort das Korn reif war, so fuhren sie Kanonen vor den Feldern auf und schossens herunter. Das war nun ein ungewisses Ding, mancher schoß druͤber hinaus, ein anderer traf statt des Halms die Aehren und schoß sie fort, dabei kam viel um, und obendrein gabs einen laͤsterlichen Laͤrmen. Da stellte sich der Mann hin und maͤhte es so still und so geschwind nieder, daß die Leute Maul und Nase vor Verwunderung aufsperrten. Sie waren willig ihm dafuͤr zu geben, was er verlangte, und er bekam ein Pferd, dem war Gold aufgeladen, so viel es tragen konnte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0440" n="376"/> Ritter; es ruft euch des Nachts dreimal zu bestimmter Zeit an, und wenns das letztemal ruft, so geht die Sonne bald auf. Wenns aber bei hellem Tag ruft, so richtet euch darauf ein, dann giebts gewiß anderes Wetter.“ Den Leuten gefiel das wohl, sie schliefen eine ganze Nacht nicht und hoͤrten mit großer Freude, wie der Hahn um zwei, vier und sechs Uhr so praͤchtig die Zeit abrief. Sie fragten ihn, ob das Thier nicht feil waͤre und wieviel er dafuͤr verlange. „Etwa so viel, als ein Esel Gold traͤgt,“ antwortete er. „Ein billiger Preis, fuͤr ein so kostbares Thier!“ riefen sie insgesammt und gaben ihm, was er gefordert hatte.</p><lb/> <p>Als er nun mit dem Reichthum heim kam, verwunderten sich seine Bruͤder und der zweite sprach: „so will ich mich doch aufmachen und sehen, ob ich meine Sense auch so gut losschlagen kann!“ Es hatte aber nicht das Ansehen darnach, denn uͤberall begegneten ihm Bauern und hatten so gut eine Sense auf der Schulter, als er. Doch zuletzt gluͤckte es ihm auch mit einer Jnsel, wo die Leute nichts von einer Sense wußten. Wenn dort das Korn reif war, so fuhren sie Kanonen vor den Feldern auf und schossens herunter. Das war nun ein ungewisses Ding, mancher schoß druͤber hinaus, ein anderer traf statt des Halms die Aehren und schoß sie fort, dabei kam viel um, und obendrein gabs einen laͤsterlichen Laͤrmen. Da stellte sich der Mann hin und maͤhte es so still und so geschwind nieder, daß die Leute Maul und Nase vor Verwunderung aufsperrten. Sie waren willig ihm dafuͤr zu geben, was er verlangte, und er bekam ein Pferd, dem war Gold aufgeladen, so viel es tragen konnte.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [376/0440]
Ritter; es ruft euch des Nachts dreimal zu bestimmter Zeit an, und wenns das letztemal ruft, so geht die Sonne bald auf. Wenns aber bei hellem Tag ruft, so richtet euch darauf ein, dann giebts gewiß anderes Wetter.“ Den Leuten gefiel das wohl, sie schliefen eine ganze Nacht nicht und hoͤrten mit großer Freude, wie der Hahn um zwei, vier und sechs Uhr so praͤchtig die Zeit abrief. Sie fragten ihn, ob das Thier nicht feil waͤre und wieviel er dafuͤr verlange. „Etwa so viel, als ein Esel Gold traͤgt,“ antwortete er. „Ein billiger Preis, fuͤr ein so kostbares Thier!“ riefen sie insgesammt und gaben ihm, was er gefordert hatte.
Als er nun mit dem Reichthum heim kam, verwunderten sich seine Bruͤder und der zweite sprach: „so will ich mich doch aufmachen und sehen, ob ich meine Sense auch so gut losschlagen kann!“ Es hatte aber nicht das Ansehen darnach, denn uͤberall begegneten ihm Bauern und hatten so gut eine Sense auf der Schulter, als er. Doch zuletzt gluͤckte es ihm auch mit einer Jnsel, wo die Leute nichts von einer Sense wußten. Wenn dort das Korn reif war, so fuhren sie Kanonen vor den Feldern auf und schossens herunter. Das war nun ein ungewisses Ding, mancher schoß druͤber hinaus, ein anderer traf statt des Halms die Aehren und schoß sie fort, dabei kam viel um, und obendrein gabs einen laͤsterlichen Laͤrmen. Da stellte sich der Mann hin und maͤhte es so still und so geschwind nieder, daß die Leute Maul und Nase vor Verwunderung aufsperrten. Sie waren willig ihm dafuͤr zu geben, was er verlangte, und er bekam ein Pferd, dem war Gold aufgeladen, so viel es tragen konnte.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-06-15T16:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |