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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

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Hölle (die Unterwelt, die nordische Hel) wird von dem, der in einer Glückshaut geboren ist, unternommen und ihm gelingt es, die drei goldenen Haare des Teufels (den geraubten Hort) herauf zu holen. Dieser hat hier in einem andern Märchen, wo er von drei Soldaten, denen er Räthsel vorlegt, ganz das Wesen eines naturstarken, in Felsenhöhlen wohnenden Jöten, den das kleine aber edlere Geschlecht, von seiner eigenen Tochter, Frau oder Mutter, unterstützt, überlistet; nicht anders als wie Thor den Kessel des Hymer (Weltbecher, aus welchem die Götter trinken wollen) holt. Die Strafe des Bösen: in eine Tonne unter Nattern geworfen zu werden, erinnert nicht bloß an die Schlangenhöhlen der Sagen, sondern noch bestimmter an Naströnd, den Aufenthalt der Gottlosen; denn er ist, nach der Edda, mit Schlangen gedeckt, deren Köpfe einwärts gekehrt, Ströme von Gift herabspeien. So auch ist über Loke's, des bösen Geistes Antlitz, eine Schlange befestigt, damit ihr Gift auf ihn herabtröpfle.

Heidnisch in seinem Ursprunge ist der Gedanke von einem auf Erden vorhandenen, alle Seligkeit in sich fassenden Schatz, welchen zu erwerben Glücklichen und vom Schicksal Begünstigten möglich ist; denn wer zu der Quelle aller irdischen Herrlichkeit dringt, den läßt das Heidenthum des höchsten Lebens Meister und Herr seyn. Dies ist die Jdee, der in verschiedener Gestalt, als Hut, Tuch, Tisch u. s. w. vorkommenden Wünscheldinge, welche jeden Gedanken befriedigen, Unsichtbarkeit verleihen, keines Raumes achten, kurz alle irdischen Schranken übersteigen. Jn

Hoͤlle (die Unterwelt, die nordische Hel) wird von dem, der in einer Gluͤckshaut geboren ist, unternommen und ihm gelingt es, die drei goldenen Haare des Teufels (den geraubten Hort) herauf zu holen. Dieser hat hier in einem andern Maͤrchen, wo er von drei Soldaten, denen er Raͤthsel vorlegt, ganz das Wesen eines naturstarken, in Felsenhoͤhlen wohnenden Joͤten, den das kleine aber edlere Geschlecht, von seiner eigenen Tochter, Frau oder Mutter, unterstuͤtzt, uͤberlistet; nicht anders als wie Thor den Kessel des Hymer (Weltbecher, aus welchem die Goͤtter trinken wollen) holt. Die Strafe des Boͤsen: in eine Tonne unter Nattern geworfen zu werden, erinnert nicht bloß an die Schlangenhoͤhlen der Sagen, sondern noch bestimmter an Nástroͤnd, den Aufenthalt der Gottlosen; denn er ist, nach der Edda, mit Schlangen gedeckt, deren Koͤpfe einwaͤrts gekehrt, Stroͤme von Gift herabspeien. So auch ist uͤber Loke’s, des boͤsen Geistes Antlitz, eine Schlange befestigt, damit ihr Gift auf ihn herabtroͤpfle.

Heidnisch in seinem Ursprunge ist der Gedanke von einem auf Erden vorhandenen, alle Seligkeit in sich fassenden Schatz, welchen zu erwerben Gluͤcklichen und vom Schicksal Beguͤnstigten moͤglich ist; denn wer zu der Quelle aller irdischen Herrlichkeit dringt, den laͤßt das Heidenthum des hoͤchsten Lebens Meister und Herr seyn. Dies ist die Jdee, der in verschiedener Gestalt, als Hut, Tuch, Tisch u. s. w. vorkommenden Wuͤnscheldinge, welche jeden Gedanken befriedigen, Unsichtbarkeit verleihen, keines Raumes achten, kurz alle irdischen Schranken uͤbersteigen. Jn

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[XXXV/0043] Hoͤlle (die Unterwelt, die nordische Hel) wird von dem, der in einer Gluͤckshaut geboren ist, unternommen und ihm gelingt es, die drei goldenen Haare des Teufels (den geraubten Hort) herauf zu holen. Dieser hat hier in einem andern Maͤrchen, wo er von drei Soldaten, denen er Raͤthsel vorlegt, ganz das Wesen eines naturstarken, in Felsenhoͤhlen wohnenden Joͤten, den das kleine aber edlere Geschlecht, von seiner eigenen Tochter, Frau oder Mutter, unterstuͤtzt, uͤberlistet; nicht anders als wie Thor den Kessel des Hymer (Weltbecher, aus welchem die Goͤtter trinken wollen) holt. Die Strafe des Boͤsen: in eine Tonne unter Nattern geworfen zu werden, erinnert nicht bloß an die Schlangenhoͤhlen der Sagen, sondern noch bestimmter an Nástroͤnd, den Aufenthalt der Gottlosen; denn er ist, nach der Edda, mit Schlangen gedeckt, deren Koͤpfe einwaͤrts gekehrt, Stroͤme von Gift herabspeien. So auch ist uͤber Loke’s, des boͤsen Geistes Antlitz, eine Schlange befestigt, damit ihr Gift auf ihn herabtroͤpfle. Heidnisch in seinem Ursprunge ist der Gedanke von einem auf Erden vorhandenen, alle Seligkeit in sich fassenden Schatz, welchen zu erwerben Gluͤcklichen und vom Schicksal Beguͤnstigten moͤglich ist; denn wer zu der Quelle aller irdischen Herrlichkeit dringt, den laͤßt das Heidenthum des hoͤchsten Lebens Meister und Herr seyn. Dies ist die Jdee, der in verschiedener Gestalt, als Hut, Tuch, Tisch u. s. w. vorkommenden Wuͤnscheldinge, welche jeden Gedanken befriedigen, Unsichtbarkeit verleihen, keines Raumes achten, kurz alle irdischen Schranken uͤbersteigen. Jn

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. XXXV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/43>, abgerufen am 26.04.2024.