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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

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Als aber der König zum drittenmal ein Fest anstellte, da ging es nicht anders, als die vorigemale. Der Koch sprach zwar: "du bist eine Hexe, Rauhthierchen und thust immer etwas in die Suppe, davon sie so gut wird und dem König besser schmeckt, als meine;" doch weil es so bat, so ließ er es auf die bestimmte Zeit hingehen. Nun zog es sein Kleid an, das wie die Sterne glänzte und trat damit in den Saal. Der König tanzte wieder mit der schönen Jungfrau und meinte, daß sie noch niemals so schön gewesen wäre. Und während er tanzte steckte er ihr, ohne daß sie es merkte, einen goldnen Ring an den Finger und hatte befohlen, daß der Tanz recht lang währen sollte. Wie er zu Ende war, wollte er sie an den Händen fest halten, aber sie riß sich los und sprang so geschwind unter die Leute, daß sie vor seinen Augen verschwand. Sie lief, was sie konnte, in ihr Ställchen unter der Treppe, weil sie aber zu lange und über die halbe Stunde geblieben war, so konnte sie das schöne Kleid nicht ausziehen, sondern warf nur den Mantel von Pelz darüber und in der Eile machte es sich auch nicht ganz rußig, sondern ein Finger blieb weiß. Allerlei-Rauh lief nun in die Küche und kochte dem König die Brotsuppe und legte, wie der Koch fort war, den goldenen Haspel hinein. Der König, als er ihn auf dem Grund fand, ließ Allerlei-Rauh wieder rufen, da erblickte er den weißen Finger und sah den Ring, den er im Tanze ihr angesteckt hatte. Da ergriff er sie an der Hand und hielt sie fest, und als sie sich losmachen und fortspringen wollte, that sich der Pelzmantel ein wenig auf und das Sternenkleid schimmerte hervor. Da faßte der

Als aber der Koͤnig zum drittenmal ein Fest anstellte, da ging es nicht anders, als die vorigemale. Der Koch sprach zwar: „du bist eine Hexe, Rauhthierchen und thust immer etwas in die Suppe, davon sie so gut wird und dem Koͤnig besser schmeckt, als meine;“ doch weil es so bat, so ließ er es auf die bestimmte Zeit hingehen. Nun zog es sein Kleid an, das wie die Sterne glaͤnzte und trat damit in den Saal. Der Koͤnig tanzte wieder mit der schoͤnen Jungfrau und meinte, daß sie noch niemals so schoͤn gewesen waͤre. Und waͤhrend er tanzte steckte er ihr, ohne daß sie es merkte, einen goldnen Ring an den Finger und hatte befohlen, daß der Tanz recht lang waͤhren sollte. Wie er zu Ende war, wollte er sie an den Haͤnden fest halten, aber sie riß sich los und sprang so geschwind unter die Leute, daß sie vor seinen Augen verschwand. Sie lief, was sie konnte, in ihr Staͤllchen unter der Treppe, weil sie aber zu lange und uͤber die halbe Stunde geblieben war, so konnte sie das schoͤne Kleid nicht ausziehen, sondern warf nur den Mantel von Pelz daruͤber und in der Eile machte es sich auch nicht ganz rußig, sondern ein Finger blieb weiß. Allerlei-Rauh lief nun in die Kuͤche und kochte dem Koͤnig die Brotsuppe und legte, wie der Koch fort war, den goldenen Haspel hinein. Der Koͤnig, als er ihn auf dem Grund fand, ließ Allerlei-Rauh wieder rufen, da erblickte er den weißen Finger und sah den Ring, den er im Tanze ihr angesteckt hatte. Da ergriff er sie an der Hand und hielt sie fest, und als sie sich losmachen und fortspringen wollte, that sich der Pelzmantel ein wenig auf und das Sternenkleid schimmerte hervor. Da faßte der

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[362/0426] Als aber der Koͤnig zum drittenmal ein Fest anstellte, da ging es nicht anders, als die vorigemale. Der Koch sprach zwar: „du bist eine Hexe, Rauhthierchen und thust immer etwas in die Suppe, davon sie so gut wird und dem Koͤnig besser schmeckt, als meine;“ doch weil es so bat, so ließ er es auf die bestimmte Zeit hingehen. Nun zog es sein Kleid an, das wie die Sterne glaͤnzte und trat damit in den Saal. Der Koͤnig tanzte wieder mit der schoͤnen Jungfrau und meinte, daß sie noch niemals so schoͤn gewesen waͤre. Und waͤhrend er tanzte steckte er ihr, ohne daß sie es merkte, einen goldnen Ring an den Finger und hatte befohlen, daß der Tanz recht lang waͤhren sollte. Wie er zu Ende war, wollte er sie an den Haͤnden fest halten, aber sie riß sich los und sprang so geschwind unter die Leute, daß sie vor seinen Augen verschwand. Sie lief, was sie konnte, in ihr Staͤllchen unter der Treppe, weil sie aber zu lange und uͤber die halbe Stunde geblieben war, so konnte sie das schoͤne Kleid nicht ausziehen, sondern warf nur den Mantel von Pelz daruͤber und in der Eile machte es sich auch nicht ganz rußig, sondern ein Finger blieb weiß. Allerlei-Rauh lief nun in die Kuͤche und kochte dem Koͤnig die Brotsuppe und legte, wie der Koch fort war, den goldenen Haspel hinein. Der Koͤnig, als er ihn auf dem Grund fand, ließ Allerlei-Rauh wieder rufen, da erblickte er den weißen Finger und sah den Ring, den er im Tanze ihr angesteckt hatte. Da ergriff er sie an der Hand und hielt sie fest, und als sie sich losmachen und fortspringen wollte, that sich der Pelzmantel ein wenig auf und das Sternenkleid schimmerte hervor. Da faßte der

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/426>, abgerufen am 18.05.2024.