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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

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Haspelchen; die drei Kleider von Sonne, Mond und Sterne that sie in eine Nußschale, zog den Mantel von allerlei Rauhwerk an, und machte sich Gesicht und Hände mit Ruß schwarz. Dann befahl sie sich Gott und ging fort, und ging die ganze Nacht, bis sie in einen großen Wald kam. Und weil sie so müd war, setzte sie sich in einen hohlen Baum und schlief ein.

Sie schlief aber noch immer, als es schon hoher Tag war. Da trug es sich zu, daß der König dem der Wald gehörte, darin jagte, und seine Hunde zu dem Baum kamen, die schnupperten und liefen daran herum und bellten. Sprach der König zu den Jägern: "seht doch, was dort für ein Wild sich versteckt hat." Die Jäger gingen hin und kamen wieder und sprachen: "in dem hohlen Baum liegt ein wunderliches Thier, das wir nicht kennen und noch nicht gesehen haben; an seiner Haut ist tausenderlei Pelz, es liegt aber und schläft." Sprach der König: "seht zu ob ihrs lebendig fangen könnt, dann bindets auf den Wagen und nehmts mit. Da packten es die Jäger, davon erwachte das Mädchen, erschrak und sprach: "ich bin ein armes Kind, das Vater und Mutter verlassen haben, erbarmt euch mein und nehmt mich mit." Da sprachen sie: "ja, Allerlei-Rauh, du bist gut für die Küche, komm nur mit, da kannst du die Asche zusammenkehren." Also setzten sie es auf den Wagen und fuhren es heim ins königliche Schloß. Dort wiesen sie ihm ein Ställchen unter der Treppe, wo kein Tageslicht hinkam und sagten: "Rauthierchen, da kannst du wohnen und schlafen." Dann wurde es in die Küche geschickt, da trug es Holz und Wasser, schürte das

Haspelchen; die drei Kleider von Sonne, Mond und Sterne that sie in eine Nußschale, zog den Mantel von allerlei Rauhwerk an, und machte sich Gesicht und Haͤnde mit Ruß schwarz. Dann befahl sie sich Gott und ging fort, und ging die ganze Nacht, bis sie in einen großen Wald kam. Und weil sie so muͤd war, setzte sie sich in einen hohlen Baum und schlief ein.

Sie schlief aber noch immer, als es schon hoher Tag war. Da trug es sich zu, daß der Koͤnig dem der Wald gehoͤrte, darin jagte, und seine Hunde zu dem Baum kamen, die schnupperten und liefen daran herum und bellten. Sprach der Koͤnig zu den Jaͤgern: „seht doch, was dort fuͤr ein Wild sich versteckt hat.“ Die Jaͤger gingen hin und kamen wieder und sprachen: „in dem hohlen Baum liegt ein wunderliches Thier, das wir nicht kennen und noch nicht gesehen haben; an seiner Haut ist tausenderlei Pelz, es liegt aber und schlaͤft.“ Sprach der Koͤnig: „seht zu ob ihrs lebendig fangen koͤnnt, dann bindets auf den Wagen und nehmts mit. Da packten es die Jaͤger, davon erwachte das Maͤdchen, erschrak und sprach: „ich bin ein armes Kind, das Vater und Mutter verlassen haben, erbarmt euch mein und nehmt mich mit.“ Da sprachen sie: „ja, Allerlei-Rauh, du bist gut fuͤr die Kuͤche, komm nur mit, da kannst du die Asche zusammenkehren.“ Also setzten sie es auf den Wagen und fuhren es heim ins koͤnigliche Schloß. Dort wiesen sie ihm ein Staͤllchen unter der Treppe, wo kein Tageslicht hinkam und sagten: „Rauthierchen, da kannst du wohnen und schlafen.“ Dann wurde es in die Kuͤche geschickt, da trug es Holz und Wasser, schuͤrte das

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[358/0422] Haspelchen; die drei Kleider von Sonne, Mond und Sterne that sie in eine Nußschale, zog den Mantel von allerlei Rauhwerk an, und machte sich Gesicht und Haͤnde mit Ruß schwarz. Dann befahl sie sich Gott und ging fort, und ging die ganze Nacht, bis sie in einen großen Wald kam. Und weil sie so muͤd war, setzte sie sich in einen hohlen Baum und schlief ein. Sie schlief aber noch immer, als es schon hoher Tag war. Da trug es sich zu, daß der Koͤnig dem der Wald gehoͤrte, darin jagte, und seine Hunde zu dem Baum kamen, die schnupperten und liefen daran herum und bellten. Sprach der Koͤnig zu den Jaͤgern: „seht doch, was dort fuͤr ein Wild sich versteckt hat.“ Die Jaͤger gingen hin und kamen wieder und sprachen: „in dem hohlen Baum liegt ein wunderliches Thier, das wir nicht kennen und noch nicht gesehen haben; an seiner Haut ist tausenderlei Pelz, es liegt aber und schlaͤft.“ Sprach der Koͤnig: „seht zu ob ihrs lebendig fangen koͤnnt, dann bindets auf den Wagen und nehmts mit. Da packten es die Jaͤger, davon erwachte das Maͤdchen, erschrak und sprach: „ich bin ein armes Kind, das Vater und Mutter verlassen haben, erbarmt euch mein und nehmt mich mit.“ Da sprachen sie: „ja, Allerlei-Rauh, du bist gut fuͤr die Kuͤche, komm nur mit, da kannst du die Asche zusammenkehren.“ Also setzten sie es auf den Wagen und fuhren es heim ins koͤnigliche Schloß. Dort wiesen sie ihm ein Staͤllchen unter der Treppe, wo kein Tageslicht hinkam und sagten: „Rauthierchen, da kannst du wohnen und schlafen.“ Dann wurde es in die Kuͤche geschickt, da trug es Holz und Wasser, schuͤrte das

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Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/422>, abgerufen am 23.05.2024.