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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

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sie, wer Brot essen will, muß es erst verdienen, fort mit der Küchenmagd." Da nahmen ihm die Schwestern seine schöne Kleider, gaben ihm einen grauen alten Kittel anzuziehen, und dann lachten sie es aus und führten es in die Küche. Nun mußte es so schwere Arbeit thun, früh vor Tag aufstehen, Wasser tragen, Feuer anmachen, kochen und waschen. Dabei thaten ihm die Schwestern alles Herzeleid an, spotteten es und schütteten ihm die Erbsen und Linsen in die Asche, so daß es sitzen und sie wieder auslesen mußte. Abends, wenn es müd war, kam es in kein Bett, sondern mußte sich neben dem Heerd in die Asche legen. Und weil es darum immer staubig und schmutzig aussah, nannten sie es Aschenputtel.

Es trug sich zu, daß der Vater einmal in die Messe ziehen wollte, da fragte er die beiden Stieftöchter, was er ihnen mitbringen sollte? Schöne Kleider, sagte die eine und Perlen und Edelsteine die zweite. "Nun, Aschenputtel, sprach er, was willst du haben?" "Vater das erste Reis, das euch auf eurem Heimweg an den Hut stößt" antwortete Aschenputtel. Er kaufte nun für die beiden Stiefschwestern die Kleider, Perlen und Edelsteine, und auf dem Rückweg, als er durch einen grünen Busch ritt, streifte ihm ein Häselreis und stieß ihm den Hut ab. Da brach er das Reis und als er nach Haus kam, gab er den Stieftöchtern, was sie sich gewünscht hatten, und dem Aschenputtel gab er das Reis von dem Haselbusch. Aschenputtel nahm es, ging damit zu seiner Mutter Grab und pflanzte es darauf und weinte so sehr, daß das Reis von seinen Thränen begoßen ward. Es

sie, wer Brot essen will, muß es erst verdienen, fort mit der Kuͤchenmagd.“ Da nahmen ihm die Schwestern seine schoͤne Kleider, gaben ihm einen grauen alten Kittel anzuziehen, und dann lachten sie es aus und fuͤhrten es in die Kuͤche. Nun mußte es so schwere Arbeit thun, fruͤh vor Tag aufstehen, Wasser tragen, Feuer anmachen, kochen und waschen. Dabei thaten ihm die Schwestern alles Herzeleid an, spotteten es und schuͤtteten ihm die Erbsen und Linsen in die Asche, so daß es sitzen und sie wieder auslesen mußte. Abends, wenn es muͤd war, kam es in kein Bett, sondern mußte sich neben dem Heerd in die Asche legen. Und weil es darum immer staubig und schmutzig aussah, nannten sie es Aschenputtel.

Es trug sich zu, daß der Vater einmal in die Messe ziehen wollte, da fragte er die beiden Stieftoͤchter, was er ihnen mitbringen sollte? Schoͤne Kleider, sagte die eine und Perlen und Edelsteine die zweite. „Nun, Aschenputtel, sprach er, was willst du haben?“ „Vater das erste Reis, das euch auf eurem Heimweg an den Hut stoͤßt“ antwortete Aschenputtel. Er kaufte nun fuͤr die beiden Stiefschwestern die Kleider, Perlen und Edelsteine, und auf dem Ruͤckweg, als er durch einen gruͤnen Busch ritt, streifte ihm ein Haͤselreis und stieß ihm den Hut ab. Da brach er das Reis und als er nach Haus kam, gab er den Stieftoͤchtern, was sie sich gewuͤnscht hatten, und dem Aschenputtel gab er das Reis von dem Haselbusch. Aschenputtel nahm es, ging damit zu seiner Mutter Grab und pflanzte es darauf und weinte so sehr, daß das Reis von seinen Thraͤnen begoßen ward. Es

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/179>, abgerufen am 06.05.2024.