Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

ihm zugeordnet waren, haußen warten, er wollt das Einhorn schon allein festhalten. Es trat in den Wald, ging auf und ab und suchte das Einhorn. Jndem kam es daher gesprungen, gerade auf das Schneiderlein zu und wollt es aufspießen. "Sachte, sachte," sprach es, blieb stehen, wartete bis das Thier nahe war und sprang dann gar behendiglich hinter den nebenstehenden Baum. Das Einhorn, das im vollen Laufe sich nicht wenden konnte, rennte gegen den Baum und rennte sein Horn so fest hinein, daß es dasselbe mit aller Kraft nicht wieder herausziehen konnte; und also war es gefangen. Nun kam das Schneiderlein hinter dem Baum hervor, thät ihm das Stricklein um den Hals und führte das Thier hinaus zu seinen Gesellen und darnach vor den König, den er wieder um das Versprochene bat. Der König erschrak, sann aber eine neue List aus und sprach zu ihm, eh die Hochzeit könnte gehalten werden, müßt er ihm erst ein Wildschwein, das im Wald lief, fangen; seine Jäger sollten ihm Beistand leisten. "Gern, sprach das Schneiderlein, das ist das geringste." Also ging es wiederum in den Wald, ließ die Jäger haußen, die warens wohl zufrieden, denn das Schwein hatte sie oft so empfangen, daß sie ihm nicht nachzustellen begehrten. Das Schwein, als es das Männlein erblickte, lief mit schaumendem Mund und wetzenden Zähnen auf es zu und wollts zur Erde werfen. Das Schneiderlein stand aber neben einer Kapelle, sprang hinein und oben zum Fenster gar leichtlich wieder hinaus. Das Schwein folgte ihm nach, alsbald sprang das Schneiderlein wieder hervor, schlug die Thüre zu und hatte nun das Gewild darin gefangen,

ihm zugeordnet waren, haußen warten, er wollt das Einhorn schon allein festhalten. Es trat in den Wald, ging auf und ab und suchte das Einhorn. Jndem kam es daher gesprungen, gerade auf das Schneiderlein zu und wollt es aufspießen. „Sachte, sachte,“ sprach es, blieb stehen, wartete bis das Thier nahe war und sprang dann gar behendiglich hinter den nebenstehenden Baum. Das Einhorn, das im vollen Laufe sich nicht wenden konnte, rennte gegen den Baum und rennte sein Horn so fest hinein, daß es dasselbe mit aller Kraft nicht wieder herausziehen konnte; und also war es gefangen. Nun kam das Schneiderlein hinter dem Baum hervor, thaͤt ihm das Stricklein um den Hals und fuͤhrte das Thier hinaus zu seinen Gesellen und darnach vor den Koͤnig, den er wieder um das Versprochene bat. Der Koͤnig erschrak, sann aber eine neue List aus und sprach zu ihm, eh die Hochzeit koͤnnte gehalten werden, muͤßt er ihm erst ein Wildschwein, das im Wald lief, fangen; seine Jaͤger sollten ihm Beistand leisten. „Gern, sprach das Schneiderlein, das ist das geringste.“ Also ging es wiederum in den Wald, ließ die Jaͤger haußen, die warens wohl zufrieden, denn das Schwein hatte sie oft so empfangen, daß sie ihm nicht nachzustellen begehrten. Das Schwein, als es das Maͤnnlein erblickte, lief mit schaumendem Mund und wetzenden Zaͤhnen auf es zu und wollts zur Erde werfen. Das Schneiderlein stand aber neben einer Kapelle, sprang hinein und oben zum Fenster gar leichtlich wieder hinaus. Das Schwein folgte ihm nach, alsbald sprang das Schneiderlein wieder hervor, schlug die Thuͤre zu und hatte nun das Gewild darin gefangen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0176" n="112"/>
ihm zugeordnet waren, haußen warten, er wollt das Einhorn schon allein festhalten. Es trat in den Wald, ging auf und ab und suchte das Einhorn. Jndem kam es daher gesprungen, gerade auf das Schneiderlein zu und wollt es aufspießen. &#x201E;Sachte, sachte,&#x201C; sprach es, blieb stehen, wartete bis das Thier nahe war und sprang dann gar behendiglich hinter den nebenstehenden Baum. Das Einhorn, das im vollen Laufe sich nicht wenden konnte, rennte gegen den Baum und rennte sein Horn so fest hinein, daß es dasselbe mit aller Kraft nicht wieder herausziehen konnte; und also war es gefangen. Nun kam das Schneiderlein hinter dem Baum hervor, tha&#x0364;t ihm das Stricklein um den Hals und fu&#x0364;hrte das Thier hinaus zu seinen Gesellen und darnach vor den Ko&#x0364;nig, den er wieder um das Versprochene bat. Der Ko&#x0364;nig erschrak, sann aber eine neue List aus und sprach zu ihm, eh die Hochzeit ko&#x0364;nnte gehalten werden, mu&#x0364;ßt er ihm erst ein Wildschwein, das im Wald lief, fangen; seine Ja&#x0364;ger sollten ihm Beistand leisten. &#x201E;Gern, sprach das Schneiderlein, das ist das geringste.&#x201C; Also ging es wiederum in den Wald, ließ die Ja&#x0364;ger haußen, die warens wohl zufrieden, denn das Schwein hatte sie oft so empfangen, daß sie ihm nicht nachzustellen begehrten. Das Schwein, als es das Ma&#x0364;nnlein erblickte, lief mit schaumendem Mund und wetzenden Za&#x0364;hnen auf es zu und wollts zur Erde werfen. Das Schneiderlein stand aber neben einer Kapelle, sprang hinein und oben zum Fenster gar leichtlich wieder hinaus. Das Schwein folgte ihm nach, alsbald sprang das Schneiderlein wieder hervor, schlug die Thu&#x0364;re zu und hatte nun das Gewild darin gefangen,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[112/0176] ihm zugeordnet waren, haußen warten, er wollt das Einhorn schon allein festhalten. Es trat in den Wald, ging auf und ab und suchte das Einhorn. Jndem kam es daher gesprungen, gerade auf das Schneiderlein zu und wollt es aufspießen. „Sachte, sachte,“ sprach es, blieb stehen, wartete bis das Thier nahe war und sprang dann gar behendiglich hinter den nebenstehenden Baum. Das Einhorn, das im vollen Laufe sich nicht wenden konnte, rennte gegen den Baum und rennte sein Horn so fest hinein, daß es dasselbe mit aller Kraft nicht wieder herausziehen konnte; und also war es gefangen. Nun kam das Schneiderlein hinter dem Baum hervor, thaͤt ihm das Stricklein um den Hals und fuͤhrte das Thier hinaus zu seinen Gesellen und darnach vor den Koͤnig, den er wieder um das Versprochene bat. Der Koͤnig erschrak, sann aber eine neue List aus und sprach zu ihm, eh die Hochzeit koͤnnte gehalten werden, muͤßt er ihm erst ein Wildschwein, das im Wald lief, fangen; seine Jaͤger sollten ihm Beistand leisten. „Gern, sprach das Schneiderlein, das ist das geringste.“ Also ging es wiederum in den Wald, ließ die Jaͤger haußen, die warens wohl zufrieden, denn das Schwein hatte sie oft so empfangen, daß sie ihm nicht nachzustellen begehrten. Das Schwein, als es das Maͤnnlein erblickte, lief mit schaumendem Mund und wetzenden Zaͤhnen auf es zu und wollts zur Erde werfen. Das Schneiderlein stand aber neben einer Kapelle, sprang hinein und oben zum Fenster gar leichtlich wieder hinaus. Das Schwein folgte ihm nach, alsbald sprang das Schneiderlein wieder hervor, schlug die Thuͤre zu und hatte nun das Gewild darin gefangen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/176
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/176>, abgerufen am 06.05.2024.