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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

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an die Schildwache verschenkt und dreihundert hat mir der Jude eingewechselt, von Rechtswegen gebührt mir nicht ein einziges." Jndem kam der Soldat und der Jude herein, verlangten das ihrige, das sie dem Bauer abgewonnen hätten und erhielten die Schläge richtig zugemessen. Der Soldat ertrugs geduldig und wußte schon, wie's schmeckte, der Jude aber that jämmerlich: "auh weih geschrien! sind das die harten Thaler!" Der König mußte über den Bauer lachen, und weil aller Zorn verschwunden war, sprach er: "hast du den Lohn schon verloren eh du ihn empfangen, so will ich dir einen Ersatz geben, geh in meine Schatzkammer und hol dir Geld, so viel du willst." Der Bauer ließ sich das nicht zweimal gesagt seyn, und füllte in seine Taschen, was nur hinein wollte. Darnach ging er ins Wirthshaus und überzählte sein Geld; der Jude war ihm nachgegangen und hörte wie er mit sich allein brummte: "nun hat mich der Spitzbube von König doch hinters Licht geführt! hätte er mir nicht selbst das Geld geben können, so wüßte ich, was ich hätte, wie kann ich nun wissen, ob das richtig ist, was ich so eingesteckt habe!" -- "Gott bewahre, sprach der Jude für sich, der spricht despectirlich von unserm Herrn, ich lauf gleich und gebs an, so krieg ich eine Belohnung, und er wird noch obendrein bestraft." Als der König die Reden des Bauern erfuhr, ward er zornig, und hieß den Juden hingehen und den Sünder herbeiholen. Der Jude lief zum Bauer: "ihr sollt gleich zum Herrn König kommen, wie ihr geht und steht." "Jch weiß besser, was sich schickt, antwortete der Bauer, erst laß ich mir einen neuen Rock machen: meinst du ich

an die Schildwache verschenkt und dreihundert hat mir der Jude eingewechselt, von Rechtswegen gebuͤhrt mir nicht ein einziges.“ Jndem kam der Soldat und der Jude herein, verlangten das ihrige, das sie dem Bauer abgewonnen haͤtten und erhielten die Schlaͤge richtig zugemessen. Der Soldat ertrugs geduldig und wußte schon, wie’s schmeckte, der Jude aber that jaͤmmerlich: „auh weih geschrien! sind das die harten Thaler!“ Der Koͤnig mußte uͤber den Bauer lachen, und weil aller Zorn verschwunden war, sprach er: „hast du den Lohn schon verloren eh du ihn empfangen, so will ich dir einen Ersatz geben, geh in meine Schatzkammer und hol dir Geld, so viel du willst.“ Der Bauer ließ sich das nicht zweimal gesagt seyn, und fuͤllte in seine Taschen, was nur hinein wollte. Darnach ging er ins Wirthshaus und uͤberzaͤhlte sein Geld; der Jude war ihm nachgegangen und hoͤrte wie er mit sich allein brummte: „nun hat mich der Spitzbube von Koͤnig doch hinters Licht gefuͤhrt! haͤtte er mir nicht selbst das Geld geben koͤnnen, so wuͤßte ich, was ich haͤtte, wie kann ich nun wissen, ob das richtig ist, was ich so eingesteckt habe!“ — „Gott bewahre, sprach der Jude fuͤr sich, der spricht despectirlich von unserm Herrn, ich lauf gleich und gebs an, so krieg ich eine Belohnung, und er wird noch obendrein bestraft.“ Als der Koͤnig die Reden des Bauern erfuhr, ward er zornig, und hieß den Juden hingehen und den Suͤnder herbeiholen. Der Jude lief zum Bauer: „ihr sollt gleich zum Herrn Koͤnig kommen, wie ihr geht und steht.“ „Jch weiß besser, was sich schickt, antwortete der Bauer, erst laß ich mir einen neuen Rock machen: meinst du ich

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[43/0107] an die Schildwache verschenkt und dreihundert hat mir der Jude eingewechselt, von Rechtswegen gebuͤhrt mir nicht ein einziges.“ Jndem kam der Soldat und der Jude herein, verlangten das ihrige, das sie dem Bauer abgewonnen haͤtten und erhielten die Schlaͤge richtig zugemessen. Der Soldat ertrugs geduldig und wußte schon, wie’s schmeckte, der Jude aber that jaͤmmerlich: „auh weih geschrien! sind das die harten Thaler!“ Der Koͤnig mußte uͤber den Bauer lachen, und weil aller Zorn verschwunden war, sprach er: „hast du den Lohn schon verloren eh du ihn empfangen, so will ich dir einen Ersatz geben, geh in meine Schatzkammer und hol dir Geld, so viel du willst.“ Der Bauer ließ sich das nicht zweimal gesagt seyn, und fuͤllte in seine Taschen, was nur hinein wollte. Darnach ging er ins Wirthshaus und uͤberzaͤhlte sein Geld; der Jude war ihm nachgegangen und hoͤrte wie er mit sich allein brummte: „nun hat mich der Spitzbube von Koͤnig doch hinters Licht gefuͤhrt! haͤtte er mir nicht selbst das Geld geben koͤnnen, so wuͤßte ich, was ich haͤtte, wie kann ich nun wissen, ob das richtig ist, was ich so eingesteckt habe!“ — „Gott bewahre, sprach der Jude fuͤr sich, der spricht despectirlich von unserm Herrn, ich lauf gleich und gebs an, so krieg ich eine Belohnung, und er wird noch obendrein bestraft.“ Als der Koͤnig die Reden des Bauern erfuhr, ward er zornig, und hieß den Juden hingehen und den Suͤnder herbeiholen. Der Jude lief zum Bauer: „ihr sollt gleich zum Herrn Koͤnig kommen, wie ihr geht und steht.“ „Jch weiß besser, was sich schickt, antwortete der Bauer, erst laß ich mir einen neuen Rock machen: meinst du ich

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/107>, abgerufen am 03.05.2024.