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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Es schlägt übrigens in die alten Sagen von höl-
zernen Flugpferden, Entführungen etc. ein.

Zu dem alten Großvater und dem Enkel.
No. 78.

So erzählt es Stilling in seinem Leben II, 8.
9. wie wir es gleichfalls oft gehört, sonst wird
auch gesagt, das Kind habe die Scherben von der
irdenen Schüssel aufgelesen und sie für seinen Va-
ter aufheben wollen. Ein alter Meistergesang
(No. 83. in dem Codex den Arnim besitzt) enthält
die Fabel ganz abweichend, und giebt eine Chro-
nik als seine Quelle an: Ein alter König hat sei-
nem Sohn das Reich abgetreten, der ihn aber le-
benslang erhalten soll. Der Sohn verheirathet
sich, und die junge Königin klagt über das Hu-
sten des Alten. Der Sohn läßt den Vater unter
die Stiege auf Stroh legen, wo er viele Jahre,
nicht besser als die Hunde, leben muß. Der En-
kel wird groß, bringt seinem Großvater alle Tage
Essen und Trinken, einmal friert dieser und bittet
um eine Roßdecke. Der Enkel geht in den Stall,
nimmt eine gute Decke, und schneidet sie in Un-
muth entzwei; der Vater fragt, warum er das
thue? "die eine Hälfte bring ich dem Großvater,
die andere heb ich auf, dich einmal damit zu be-
decken." (S. Wunderhorn II, 269.) Ein altfran-
zös. Fabliau (bei Meon 4, S. 479. 485.) weicht
davon nur wenig ab: der Sohn verstoßt auf Antrieb
seiner Frau den alten Vater, der bittet um ein
Kleid, das schlägt er ihm ab, dann um eine Pfer-
dedecke, weil das Herz ihm vor Frost zittere. Der
Sohn heißt sein Kind mit dem Alten in den Stall
gehen und ihm eine geben, der Enkel schneidet sie
mitten entzwei, der Großvater verklagt ihn des-
halb, der Enkel vertheidigt sich aber bei seinem
Vater, er müsse die Hälfte für ihn aufheben, wenn
er ihn erst aus dem Haus treibe. Da geht der
Sohn in sich und nimmt den Großvater in allen
Ehren wieder zu sich. In Paulis Scherz und
Ernst. (Danisch: Lystig Skiemt og Alvor S. 73.)
bittet der Großvater um ein neues Kleid, der

D 2

Es ſchlaͤgt uͤbrigens in die alten Sagen von hoͤl-
zernen Flugpferden, Entfuͤhrungen ꝛc. ein.

Zu dem alten Großvater und dem Enkel.
No. 78.

So erzaͤhlt es Stilling in ſeinem Leben II, 8.
9. wie wir es gleichfalls oft gehoͤrt, ſonſt wird
auch geſagt, das Kind habe die Scherben von der
irdenen Schuͤſſel aufgeleſen und ſie fuͤr ſeinen Va-
ter aufheben wollen. Ein alter Meiſtergeſang
(No. 83. in dem Codex den Arnim beſitzt) enthaͤlt
die Fabel ganz abweichend, und giebt eine Chro-
nik als ſeine Quelle an: Ein alter Koͤnig hat ſei-
nem Sohn das Reich abgetreten, der ihn aber le-
benslang erhalten ſoll. Der Sohn verheirathet
ſich, und die junge Koͤnigin klagt uͤber das Hu-
ſten des Alten. Der Sohn laͤßt den Vater unter
die Stiege auf Stroh legen, wo er viele Jahre,
nicht beſſer als die Hunde, leben muß. Der En-
kel wird groß, bringt ſeinem Großvater alle Tage
Eſſen und Trinken, einmal friert dieſer und bittet
um eine Roßdecke. Der Enkel geht in den Stall,
nimmt eine gute Decke, und ſchneidet ſie in Un-
muth entzwei; der Vater fragt, warum er das
thue? „die eine Haͤlfte bring ich dem Großvater,
die andere heb ich auf, dich einmal damit zu be-
decken.“ (S. Wunderhorn II, 269.) Ein altfran-
zoͤſ. Fabliau (bei Meon 4, S. 479. 485.) weicht
davon nur wenig ab: der Sohn verſtoßt auf Antrieb
ſeiner Frau den alten Vater, der bittet um ein
Kleid, das ſchlaͤgt er ihm ab, dann um eine Pfer-
dedecke, weil das Herz ihm vor Froſt zittere. Der
Sohn heißt ſein Kind mit dem Alten in den Stall
gehen und ihm eine geben, der Enkel ſchneidet ſie
mitten entzwei, der Großvater verklagt ihn des-
halb, der Enkel vertheidigt ſich aber bei ſeinem
Vater, er muͤſſe die Haͤlfte fuͤr ihn aufheben, wenn
er ihn erſt aus dem Haus treibe. Da geht der
Sohn in ſich und nimmt den Großvater in allen
Ehren wieder zu ſich. In Paulis Scherz und
Ernſt. (Daniſch: Lyſtig Skiemt og Alvor S. 73.)
bittet der Großvater um ein neues Kleid, der

D 2
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[LI/0473] Es ſchlaͤgt uͤbrigens in die alten Sagen von hoͤl- zernen Flugpferden, Entfuͤhrungen ꝛc. ein. Zu dem alten Großvater und dem Enkel. No. 78. So erzaͤhlt es Stilling in ſeinem Leben II, 8. 9. wie wir es gleichfalls oft gehoͤrt, ſonſt wird auch geſagt, das Kind habe die Scherben von der irdenen Schuͤſſel aufgeleſen und ſie fuͤr ſeinen Va- ter aufheben wollen. Ein alter Meiſtergeſang (No. 83. in dem Codex den Arnim beſitzt) enthaͤlt die Fabel ganz abweichend, und giebt eine Chro- nik als ſeine Quelle an: Ein alter Koͤnig hat ſei- nem Sohn das Reich abgetreten, der ihn aber le- benslang erhalten ſoll. Der Sohn verheirathet ſich, und die junge Koͤnigin klagt uͤber das Hu- ſten des Alten. Der Sohn laͤßt den Vater unter die Stiege auf Stroh legen, wo er viele Jahre, nicht beſſer als die Hunde, leben muß. Der En- kel wird groß, bringt ſeinem Großvater alle Tage Eſſen und Trinken, einmal friert dieſer und bittet um eine Roßdecke. Der Enkel geht in den Stall, nimmt eine gute Decke, und ſchneidet ſie in Un- muth entzwei; der Vater fragt, warum er das thue? „die eine Haͤlfte bring ich dem Großvater, die andere heb ich auf, dich einmal damit zu be- decken.“ (S. Wunderhorn II, 269.) Ein altfran- zoͤſ. Fabliau (bei Meon 4, S. 479. 485.) weicht davon nur wenig ab: der Sohn verſtoßt auf Antrieb ſeiner Frau den alten Vater, der bittet um ein Kleid, das ſchlaͤgt er ihm ab, dann um eine Pfer- dedecke, weil das Herz ihm vor Froſt zittere. Der Sohn heißt ſein Kind mit dem Alten in den Stall gehen und ihm eine geben, der Enkel ſchneidet ſie mitten entzwei, der Großvater verklagt ihn des- halb, der Enkel vertheidigt ſich aber bei ſeinem Vater, er muͤſſe die Haͤlfte fuͤr ihn aufheben, wenn er ihn erſt aus dem Haus treibe. Da geht der Sohn in ſich und nimmt den Großvater in allen Ehren wieder zu ſich. In Paulis Scherz und Ernſt. (Daniſch: Lyſtig Skiemt og Alvor S. 73.) bittet der Großvater um ein neues Kleid, der D 2

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. LI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/473>, abgerufen am 23.11.2024.