hinunter, kommt in einen herrlichen Garten und in ein Haus, wo niemand ist, in der Küche will die Suppe überlaufen, will der Braten eben verbren- nen und der Kuchen im Backofen eben schwarz werden. Sie setzt die Suppe geschwind ab, gießt Wasser zum Braten, und nimmt den Kuchen her- aus und richtet an; so hungrig sie aber ist, nimmt sie doch nichts davon außer ein paar Krümchen, die beim Anrichten vom Kuchen herabgefallen sind. Darauf kommt eine Nixe mit furchtbaren Haaren, die gewiß in einem Jahr nicht gekämmt waren, und verlangt, sie solle sie kämmen, aber nicht rup- fen und nicht ein einzig Haar ausziehen, welches sie endlich mit vielem Geschick zu Stande bringt. Nun sagt die Nixe, sie wolle sie gern bei sich be- halten, sie könne aber nicht, weil sie die paar Kru- men gegessen habe; doch schenkt sie ihr einen Ring und andere Sachen, wenn sie den Nachts drehe, wolle sie zu ihr kommen. Die andere Tochter soll nun auch zu der Nixe, und wird in den Brunnen geworfen; sie macht aber alles verkehrt, bezähmt ihren Hunger nicht, und kommt dafür mit schlechten Geschenken zurück.
Nach dieser Recension ist das Märchen in der Naubertischen Sammlung I, 136 -- 179. bearbei- tet und in der Manier der andern, aber recht an- genehm, erweitert. In der jungen Amerikanerin oder Verkürzung müßiger Stunden auf dem Meer. Ulm 1765. Th. 1 ist auch dies Mährchen benutzt. Das Murmelthier (Ciron), so heißt das Stiefkind, muß die gröbste Arbeit verrichten, die Schafe hü- ten, und dabei eine gegebene Zahl gesponnener Faden mit nach Haus bringen. Das Mädchen setzt sich oft an einen Brunnenrand, eines Tages will es sich das Gesicht waschen und fällt hinein. Als es wieder zu sich kommt, befindet es sich in einer Cristallkugel unter den Händen einer schönen Brunnenfrau, der es die Haare kämmen muß, da- für bekommt es ein kostbares Kleid und so oft es seine Haare schüttelt und sich kämmt, sollen glän- zende Blumen herausfallen und wenn es in Noth ist, soll es sich herabstürzen und Hülfe bei ihr fin. den. Dann giebt sie ihm noch einen Schäferstab,
hinunter, kommt in einen herrlichen Garten und in ein Haus, wo niemand iſt, in der Kuͤche will die Suppe uͤberlaufen, will der Braten eben verbren- nen und der Kuchen im Backofen eben ſchwarz werden. Sie ſetzt die Suppe geſchwind ab, gießt Waſſer zum Braten, und nimmt den Kuchen her- aus und richtet an; ſo hungrig ſie aber iſt, nimmt ſie doch nichts davon außer ein paar Kruͤmchen, die beim Anrichten vom Kuchen herabgefallen ſind. Darauf kommt eine Nixe mit furchtbaren Haaren, die gewiß in einem Jahr nicht gekaͤmmt waren, und verlangt, ſie ſolle ſie kaͤmmen, aber nicht rup- fen und nicht ein einzig Haar ausziehen, welches ſie endlich mit vielem Geſchick zu Stande bringt. Nun ſagt die Nixe, ſie wolle ſie gern bei ſich be- halten, ſie koͤnne aber nicht, weil ſie die paar Kru- men gegeſſen habe; doch ſchenkt ſie ihr einen Ring und andere Sachen, wenn ſie den Nachts drehe, wolle ſie zu ihr kommen. Die andere Tochter ſoll nun auch zu der Nixe, und wird in den Brunnen geworfen; ſie macht aber alles verkehrt, bezaͤhmt ihren Hunger nicht, und kommt dafuͤr mit ſchlechten Geſchenken zuruͤck.
Nach dieſer Recenſion iſt das Maͤrchen in der Naubertiſchen Sammlung I, 136 — 179. bearbei- tet und in der Manier der andern, aber recht an- genehm, erweitert. In der jungen Amerikanerin oder Verkuͤrzung muͤßiger Stunden auf dem Meer. Ulm 1765. Th. 1 iſt auch dies Maͤhrchen benutzt. Das Murmelthier (Ciron), ſo heißt das Stiefkind, muß die groͤbſte Arbeit verrichten, die Schafe huͤ- ten, und dabei eine gegebene Zahl geſponnener Faden mit nach Haus bringen. Das Maͤdchen ſetzt ſich oft an einen Brunnenrand, eines Tages will es ſich das Geſicht waſchen und faͤllt hinein. Als es wieder zu ſich kommt, befindet es ſich in einer Criſtallkugel unter den Haͤnden einer ſchoͤnen Brunnenfrau, der es die Haare kaͤmmen muß, da- fuͤr bekommt es ein koſtbares Kleid und ſo oft es ſeine Haare ſchuͤttelt und ſich kaͤmmt, ſollen glaͤn- zende Blumen herausfallen und wenn es in Noth iſt, ſoll es ſich herabſtuͤrzen und Huͤlfe bei ihr fin. den. Dann giebt ſie ihm noch einen Schaͤferſtab,
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[XVIII/0440]
hinunter, kommt in einen herrlichen Garten und in
ein Haus, wo niemand iſt, in der Kuͤche will die
Suppe uͤberlaufen, will der Braten eben verbren-
nen und der Kuchen im Backofen eben ſchwarz
werden. Sie ſetzt die Suppe geſchwind ab, gießt
Waſſer zum Braten, und nimmt den Kuchen her-
aus und richtet an; ſo hungrig ſie aber iſt, nimmt
ſie doch nichts davon außer ein paar Kruͤmchen,
die beim Anrichten vom Kuchen herabgefallen ſind.
Darauf kommt eine Nixe mit furchtbaren Haaren,
die gewiß in einem Jahr nicht gekaͤmmt waren,
und verlangt, ſie ſolle ſie kaͤmmen, aber nicht rup-
fen und nicht ein einzig Haar ausziehen, welches
ſie endlich mit vielem Geſchick zu Stande bringt.
Nun ſagt die Nixe, ſie wolle ſie gern bei ſich be-
halten, ſie koͤnne aber nicht, weil ſie die paar Kru-
men gegeſſen habe; doch ſchenkt ſie ihr einen Ring
und andere Sachen, wenn ſie den Nachts drehe,
wolle ſie zu ihr kommen. Die andere Tochter ſoll
nun auch zu der Nixe, und wird in den Brunnen
geworfen; ſie macht aber alles verkehrt, bezaͤhmt
ihren Hunger nicht, und kommt dafuͤr mit ſchlechten
Geſchenken zuruͤck.
Nach dieſer Recenſion iſt das Maͤrchen in der
Naubertiſchen Sammlung I, 136 — 179. bearbei-
tet und in der Manier der andern, aber recht an-
genehm, erweitert. In der jungen Amerikanerin
oder Verkuͤrzung muͤßiger Stunden auf dem Meer.
Ulm 1765. Th. 1 iſt auch dies Maͤhrchen benutzt.
Das Murmelthier (Ciron), ſo heißt das Stiefkind,
muß die groͤbſte Arbeit verrichten, die Schafe huͤ-
ten, und dabei eine gegebene Zahl geſponnener
Faden mit nach Haus bringen. Das Maͤdchen
ſetzt ſich oft an einen Brunnenrand, eines Tages
will es ſich das Geſicht waſchen und faͤllt hinein.
Als es wieder zu ſich kommt, befindet es ſich in
einer Criſtallkugel unter den Haͤnden einer ſchoͤnen
Brunnenfrau, der es die Haare kaͤmmen muß, da-
fuͤr bekommt es ein koſtbares Kleid und ſo oft es
ſeine Haare ſchuͤttelt und ſich kaͤmmt, ſollen glaͤn-
zende Blumen herausfallen und wenn es in Noth
iſt, ſoll es ſich herabſtuͤrzen und Huͤlfe bei ihr fin.
den. Dann giebt ſie ihm noch einen Schaͤferſtab,
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. XVIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/440>, abgerufen am 23.11.2024.
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