Johannes-Wassersprung kam in eine Stadt, da war alles still und traurig, weil die Prin- zessin einem Drachen sollte geopfert werden, der das ganze Land verwüstete, und anders nicht konnte besänftigt werden. Es war bekannt ge- macht, wer sein Leben daran wagen wolle und den Drachen tödte, der solle die Prinzessin zur Gemahlin haben, niemand aber hatte sich ge- funden; auch hatte man das Unthier hinterge- hen wollen, und die Kammerjungfer der Prin- zessin hinausgeschickt, aber die hatte es gleich erkannt und nicht gewollt. Johannes-Wasser- sprung dachte: du mußt dein Glück auf die Probe stellen, vielleicht gelingt dirs und machte sich mit seiner Begleitung auf, gegen das Dra- chennest. Der Kampf war gewaltig: der Dra- che spie Feuer und Flammen, und zündete das Gras rings herum an, so daß Johannes-Was- sersprung gewiß erstickt wäre, wenn nicht Has, Hund und Bär das Feuer ausgetreten und ge- dämpft hätten; endlich mußte der Drache aber unterliegen, und Johannes-Wassersprung hieb ihm seine sieben Köpfe herunter, dann schnitt er die Zungen heraus und steckte sie zu sich; nun aber war er so müd, daß er sich auf der Stelle niederlegte und einschlief. Während er da schlief, kam der Kutscher der Prinzessin, und als er den Mann da liegen sah, und die sieben Drachenköpfe daneben, dachte er, das mußt du
Johannes-Waſſerſprung kam in eine Stadt, da war alles ſtill und traurig, weil die Prin- zeſſin einem Drachen ſollte geopfert werden, der das ganze Land verwuͤſtete, und anders nicht konnte beſaͤnftigt werden. Es war bekannt ge- macht, wer ſein Leben daran wagen wolle und den Drachen toͤdte, der ſolle die Prinzeſſin zur Gemahlin haben, niemand aber hatte ſich ge- funden; auch hatte man das Unthier hinterge- hen wollen, und die Kammerjungfer der Prin- zeſſin hinausgeſchickt, aber die hatte es gleich erkannt und nicht gewollt. Johannes-Waſſer- ſprung dachte: du mußt dein Gluͤck auf die Probe ſtellen, vielleicht gelingt dirs und machte ſich mit ſeiner Begleitung auf, gegen das Dra- chenneſt. Der Kampf war gewaltig: der Dra- che ſpie Feuer und Flammen, und zuͤndete das Gras rings herum an, ſo daß Johannes-Waſ- ſerſprung gewiß erſtickt waͤre, wenn nicht Has, Hund und Baͤr das Feuer ausgetreten und ge- daͤmpft haͤtten; endlich mußte der Drache aber unterliegen, und Johannes-Waſſerſprung hieb ihm ſeine ſieben Koͤpfe herunter, dann ſchnitt er die Zungen heraus und ſteckte ſie zu ſich; nun aber war er ſo muͤd, daß er ſich auf der Stelle niederlegte und einſchlief. Waͤhrend er da ſchlief, kam der Kutſcher der Prinzeſſin, und als er den Mann da liegen ſah, und die ſieben Drachenkoͤpfe daneben, dachte er, das mußt du
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0379"n="345"/><p>Johannes-Waſſerſprung kam in eine Stadt,<lb/>
da war alles ſtill und traurig, weil die Prin-<lb/>
zeſſin einem Drachen ſollte geopfert werden, der<lb/>
das ganze Land verwuͤſtete, und anders nicht<lb/>
konnte beſaͤnftigt werden. Es war bekannt ge-<lb/>
macht, wer ſein Leben daran wagen wolle und<lb/>
den Drachen toͤdte, der ſolle die Prinzeſſin zur<lb/>
Gemahlin haben, niemand aber hatte ſich ge-<lb/>
funden; auch hatte man das Unthier hinterge-<lb/>
hen wollen, und die Kammerjungfer der Prin-<lb/>
zeſſin hinausgeſchickt, aber die hatte es gleich<lb/>
erkannt und nicht gewollt. Johannes-Waſſer-<lb/>ſprung dachte: du mußt dein Gluͤck auf die<lb/>
Probe ſtellen, vielleicht gelingt dirs und machte<lb/>ſich mit ſeiner Begleitung auf, gegen das Dra-<lb/>
chenneſt. Der Kampf war gewaltig: der Dra-<lb/>
che ſpie Feuer und Flammen, und zuͤndete das<lb/>
Gras rings herum an, ſo daß Johannes-Waſ-<lb/>ſerſprung gewiß erſtickt waͤre, wenn nicht Has,<lb/>
Hund und Baͤr das Feuer ausgetreten und ge-<lb/>
daͤmpft haͤtten; endlich mußte der Drache aber<lb/>
unterliegen, und Johannes-Waſſerſprung hieb<lb/>
ihm ſeine ſieben Koͤpfe herunter, dann ſchnitt<lb/>
er die Zungen heraus und ſteckte ſie zu ſich;<lb/>
nun aber war er ſo muͤd, daß er ſich auf der<lb/>
Stelle niederlegte und einſchlief. Waͤhrend er<lb/>
da ſchlief, kam der Kutſcher der Prinzeſſin, und<lb/>
als er den Mann da liegen ſah, und die ſieben<lb/>
Drachenkoͤpfe daneben, dachte er, das mußt du<lb/></p></div></body></text></TEI>
[345/0379]
Johannes-Waſſerſprung kam in eine Stadt,
da war alles ſtill und traurig, weil die Prin-
zeſſin einem Drachen ſollte geopfert werden, der
das ganze Land verwuͤſtete, und anders nicht
konnte beſaͤnftigt werden. Es war bekannt ge-
macht, wer ſein Leben daran wagen wolle und
den Drachen toͤdte, der ſolle die Prinzeſſin zur
Gemahlin haben, niemand aber hatte ſich ge-
funden; auch hatte man das Unthier hinterge-
hen wollen, und die Kammerjungfer der Prin-
zeſſin hinausgeſchickt, aber die hatte es gleich
erkannt und nicht gewollt. Johannes-Waſſer-
ſprung dachte: du mußt dein Gluͤck auf die
Probe ſtellen, vielleicht gelingt dirs und machte
ſich mit ſeiner Begleitung auf, gegen das Dra-
chenneſt. Der Kampf war gewaltig: der Dra-
che ſpie Feuer und Flammen, und zuͤndete das
Gras rings herum an, ſo daß Johannes-Waſ-
ſerſprung gewiß erſtickt waͤre, wenn nicht Has,
Hund und Baͤr das Feuer ausgetreten und ge-
daͤmpft haͤtten; endlich mußte der Drache aber
unterliegen, und Johannes-Waſſerſprung hieb
ihm ſeine ſieben Koͤpfe herunter, dann ſchnitt
er die Zungen heraus und ſteckte ſie zu ſich;
nun aber war er ſo muͤd, daß er ſich auf der
Stelle niederlegte und einſchlief. Waͤhrend er
da ſchlief, kam der Kutſcher der Prinzeſſin, und
als er den Mann da liegen ſah, und die ſieben
Drachenkoͤpfe daneben, dachte er, das mußt du
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/379>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.