Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

ten, davon trank die Prinzessin, und die Folge
war, daß sie zwei Prinzen gebar, die darnach
Johannes-Wassersprung und Caspar-Wasser-
sprung genannt wurden, und wovon einer dem
andern vollkommen ähnlich war. Ihr Groß-
vater, der alte König, ließ sie die Jägerei ler-
nen, und sie wuchsen heran, wurden groß und
schön. Da kam die Zeit, wo sie in die Welt
ziehen mußten; jeder von ihnen erhielt einen
silbernen Stern, ein Pferd und einen Hund
mit auf die Fahrt. Sie kamen zuerst in einen
Wald, und sahen zugleich zwei Hasen und woll-
ten darnach schießen, die Hasen aber baten um
Gnade und sagten, sie mögten sie doch in ihre
Dienste aufnehmen, sie könnten ihnen nützlich
seyn, und in jeder Gefahr Hülfe leisten. Die
zwei Brüder ließen sich bewegen, und nahmen
sie als Diener mit; nicht lang so kamen zwei
Bären, wie sie auf die zielten, riefen die gleich-
falls um Gnade, und versprachen treu zu die-
nen: also ward auch damit das Gefolge ver-
mehrt. Nun kamen sie auf einen Scheideweg,
da sprachen sie: "wir müssen uns trennen, und
der eine soll rechts, der andere links weiter zie-
hen!" aber jeder steckte ein Messer in einen
Baum am Scheideweg, an deren Rost wollten
sie erkennen, wie es dem andern ergehe, und
ob er noch lebe; dann nahmen sie Abschied, küß-
ten einander und ritten fort.


ten, davon trank die Prinzeſſin, und die Folge
war, daß ſie zwei Prinzen gebar, die darnach
Johannes-Waſſerſprung und Caspar-Waſſer-
ſprung genannt wurden, und wovon einer dem
andern vollkommen aͤhnlich war. Ihr Groß-
vater, der alte Koͤnig, ließ ſie die Jaͤgerei ler-
nen, und ſie wuchſen heran, wurden groß und
ſchoͤn. Da kam die Zeit, wo ſie in die Welt
ziehen mußten; jeder von ihnen erhielt einen
ſilbernen Stern, ein Pferd und einen Hund
mit auf die Fahrt. Sie kamen zuerſt in einen
Wald, und ſahen zugleich zwei Haſen und woll-
ten darnach ſchießen, die Haſen aber baten um
Gnade und ſagten, ſie moͤgten ſie doch in ihre
Dienſte aufnehmen, ſie koͤnnten ihnen nuͤtzlich
ſeyn, und in jeder Gefahr Huͤlfe leiſten. Die
zwei Bruͤder ließen ſich bewegen, und nahmen
ſie als Diener mit; nicht lang ſo kamen zwei
Baͤren, wie ſie auf die zielten, riefen die gleich-
falls um Gnade, und verſprachen treu zu die-
nen: alſo ward auch damit das Gefolge ver-
mehrt. Nun kamen ſie auf einen Scheideweg,
da ſprachen ſie: „wir muͤſſen uns trennen, und
der eine ſoll rechts, der andere links weiter zie-
hen!“ aber jeder ſteckte ein Meſſer in einen
Baum am Scheideweg, an deren Roſt wollten
ſie erkennen, wie es dem andern ergehe, und
ob er noch lebe; dann nahmen ſie Abſchied, kuͤß-
ten einander und ritten fort.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0378" n="344"/>
ten, davon trank die Prinze&#x017F;&#x017F;in, und die Folge<lb/>
war, daß &#x017F;ie zwei Prinzen gebar, die darnach<lb/>
Johannes-Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;prung und Caspar-Wa&#x017F;&#x017F;er-<lb/>
&#x017F;prung genannt wurden, und wovon einer dem<lb/>
andern vollkommen a&#x0364;hnlich war. Ihr Groß-<lb/>
vater, der alte Ko&#x0364;nig, ließ &#x017F;ie die Ja&#x0364;gerei ler-<lb/>
nen, und &#x017F;ie wuch&#x017F;en heran, wurden groß und<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;n. Da kam die Zeit, wo &#x017F;ie in die Welt<lb/>
ziehen mußten; jeder von ihnen erhielt einen<lb/>
&#x017F;ilbernen Stern, ein Pferd und einen Hund<lb/>
mit auf die Fahrt. Sie kamen zuer&#x017F;t in einen<lb/>
Wald, und &#x017F;ahen zugleich zwei Ha&#x017F;en und woll-<lb/>
ten darnach &#x017F;chießen, die Ha&#x017F;en aber baten um<lb/>
Gnade und &#x017F;agten, &#x017F;ie mo&#x0364;gten &#x017F;ie doch in ihre<lb/>
Dien&#x017F;te aufnehmen, &#x017F;ie ko&#x0364;nnten ihnen nu&#x0364;tzlich<lb/>
&#x017F;eyn, und in jeder Gefahr Hu&#x0364;lfe lei&#x017F;ten. Die<lb/>
zwei Bru&#x0364;der ließen &#x017F;ich bewegen, und nahmen<lb/>
&#x017F;ie als Diener mit; nicht lang &#x017F;o kamen zwei<lb/>
Ba&#x0364;ren, wie &#x017F;ie auf die zielten, riefen die gleich-<lb/>
falls um Gnade, und ver&#x017F;prachen treu zu die-<lb/>
nen: al&#x017F;o ward auch damit das Gefolge ver-<lb/>
mehrt. Nun kamen &#x017F;ie auf einen Scheideweg,<lb/>
da &#x017F;prachen &#x017F;ie: &#x201E;wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en uns trennen, und<lb/>
der eine &#x017F;oll rechts, der andere links weiter zie-<lb/>
hen!&#x201C; aber jeder &#x017F;teckte ein Me&#x017F;&#x017F;er in einen<lb/>
Baum am Scheideweg, an deren Ro&#x017F;t wollten<lb/>
&#x017F;ie erkennen, wie es dem andern ergehe, und<lb/>
ob er noch lebe; dann nahmen &#x017F;ie Ab&#x017F;chied, ku&#x0364;ß-<lb/>
ten einander und ritten fort.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[344/0378] ten, davon trank die Prinzeſſin, und die Folge war, daß ſie zwei Prinzen gebar, die darnach Johannes-Waſſerſprung und Caspar-Waſſer- ſprung genannt wurden, und wovon einer dem andern vollkommen aͤhnlich war. Ihr Groß- vater, der alte Koͤnig, ließ ſie die Jaͤgerei ler- nen, und ſie wuchſen heran, wurden groß und ſchoͤn. Da kam die Zeit, wo ſie in die Welt ziehen mußten; jeder von ihnen erhielt einen ſilbernen Stern, ein Pferd und einen Hund mit auf die Fahrt. Sie kamen zuerſt in einen Wald, und ſahen zugleich zwei Haſen und woll- ten darnach ſchießen, die Haſen aber baten um Gnade und ſagten, ſie moͤgten ſie doch in ihre Dienſte aufnehmen, ſie koͤnnten ihnen nuͤtzlich ſeyn, und in jeder Gefahr Huͤlfe leiſten. Die zwei Bruͤder ließen ſich bewegen, und nahmen ſie als Diener mit; nicht lang ſo kamen zwei Baͤren, wie ſie auf die zielten, riefen die gleich- falls um Gnade, und verſprachen treu zu die- nen: alſo ward auch damit das Gefolge ver- mehrt. Nun kamen ſie auf einen Scheideweg, da ſprachen ſie: „wir muͤſſen uns trennen, und der eine ſoll rechts, der andere links weiter zie- hen!“ aber jeder ſteckte ein Meſſer in einen Baum am Scheideweg, an deren Roſt wollten ſie erkennen, wie es dem andern ergehe, und ob er noch lebe; dann nahmen ſie Abſchied, kuͤß- ten einander und ritten fort.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/378
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/378>, abgerufen am 24.11.2024.