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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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haben, die verkauf mir doch." -- "Du kannst
sie kriegen, wenn du mir den Kasten giebst,
worauf ich sitze. Der Mann wollte gleich, die
Frau aber sagte: "nein, das geht nicht, der
Kasten ist mir gar zu lieb, den geb ich nicht
weg; der Mann aber sprach: "stell dich doch
nicht so dumm, was nützt dir so ein alter Ka-
sten;" gab damit dem Bruder den Kasten für
den Vogel.

Der Schne der nahm den Kasten auf einen
Schubkarren, und fuhr ihn fort: unterwegs
sprach er: "ich nehm den Kasten und werf ihn
ins Wasser, ich nehm den Kasten und werf ihn
ins Wasser!" Endlich regte sich der Pfaff in-
wendig und sagte: "ihr wißt viel was in dem
Kasten ist, laßt mich heraus, ich will euch 50
Thaler geben." -- "Ja, dafür will ich es schon
thun," ließ ihn heraus, und ging mit dem Gel-
de heim. Die Leute wunderten sich, wo er das
viele Geld her habe, er aber sprach: "ich will
euch sagen, die Felle stehen in so hohem Preis,
da hab ich meine alte Kuh geschlachtet und fürs
Fell so viel gelöst." Die Leute im Dorf woll-
ten auch davon profitiren, waren her und schnit-
ten allen ihren Ochsen, Kühen und Schafen
die Hälse ab, und trugen die Felle in die Stadt,
wofür sie aber blutwenig lösten, weil ihrer so
viel auf einmal feilgeboten wurden. Da ärger-
ten sich die Bauern über den Schaden, und

haben, die verkauf mir doch.“ — „Du kannſt
ſie kriegen, wenn du mir den Kaſten giebſt,
worauf ich ſitze. Der Mann wollte gleich, die
Frau aber ſagte: „nein, das geht nicht, der
Kaſten iſt mir gar zu lieb, den geb ich nicht
weg; der Mann aber ſprach: „ſtell dich doch
nicht ſo dumm, was nuͤtzt dir ſo ein alter Ka-
ſten;“ gab damit dem Bruder den Kaſten fuͤr
den Vogel.

Der Schne der nahm den Kaſten auf einen
Schubkarren, und fuhr ihn fort: unterwegs
ſprach er: „ich nehm den Kaſten und werf ihn
ins Waſſer, ich nehm den Kaſten und werf ihn
ins Waſſer!“ Endlich regte ſich der Pfaff in-
wendig und ſagte: „ihr wißt viel was in dem
Kaſten iſt, laßt mich heraus, ich will euch 50
Thaler geben.“ — „Ja, dafuͤr will ich es ſchon
thun,“ ließ ihn heraus, und ging mit dem Gel-
de heim. Die Leute wunderten ſich, wo er das
viele Geld her habe, er aber ſprach: „ich will
euch ſagen, die Felle ſtehen in ſo hohem Preis,
da hab ich meine alte Kuh geſchlachtet und fuͤrs
Fell ſo viel geloͤſt.“ Die Leute im Dorf woll-
ten auch davon profitiren, waren her und ſchnit-
ten allen ihren Ochſen, Kuͤhen und Schafen
die Haͤlſe ab, und trugen die Felle in die Stadt,
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[282/0316] haben, die verkauf mir doch.“ — „Du kannſt ſie kriegen, wenn du mir den Kaſten giebſt, worauf ich ſitze. Der Mann wollte gleich, die Frau aber ſagte: „nein, das geht nicht, der Kaſten iſt mir gar zu lieb, den geb ich nicht weg; der Mann aber ſprach: „ſtell dich doch nicht ſo dumm, was nuͤtzt dir ſo ein alter Ka- ſten;“ gab damit dem Bruder den Kaſten fuͤr den Vogel. Der Schne der nahm den Kaſten auf einen Schubkarren, und fuhr ihn fort: unterwegs ſprach er: „ich nehm den Kaſten und werf ihn ins Waſſer, ich nehm den Kaſten und werf ihn ins Waſſer!“ Endlich regte ſich der Pfaff in- wendig und ſagte: „ihr wißt viel was in dem Kaſten iſt, laßt mich heraus, ich will euch 50 Thaler geben.“ — „Ja, dafuͤr will ich es ſchon thun,“ ließ ihn heraus, und ging mit dem Gel- de heim. Die Leute wunderten ſich, wo er das viele Geld her habe, er aber ſprach: „ich will euch ſagen, die Felle ſtehen in ſo hohem Preis, da hab ich meine alte Kuh geſchlachtet und fuͤrs Fell ſo viel geloͤſt.“ Die Leute im Dorf woll- ten auch davon profitiren, waren her und ſchnit- ten allen ihren Ochſen, Kuͤhen und Schafen die Haͤlſe ab, und trugen die Felle in die Stadt, wofuͤr ſie aber blutwenig loͤſten, weil ihrer ſo viel auf einmal feilgeboten wurden. Da aͤrger- ten ſich die Bauern uͤber den Schaden, und

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/316>, abgerufen am 24.11.2024.