Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Da war eine Freude; aber das Pferd das fraß
nicht, der Vogel, der pfiff nicht und die Prin-
zessin die weinte.

Ihr jüngster Bruder lag unten im Brun-
nen, der zum Glück trocken war, und wiewohl
er keins seiner Glieder gebrochen hatte, konnte
er doch keinen Weg finden, um heraus zu kom-
men. Indessen kam der alte Fuchs noch ein-
mal, schalt ihn aus, daß er ihm nicht gehört,
sonst wäre ihm nichts davon begegnet: "doch
aber kann ichs nicht lassen und muß dir her-
aushelfen; pack an meinen Schwanz und halte
fest." Darauf kroch der Fuchs und schleppte
ihn zum Brunnen heraus. Wie sie oben wa-
ren, sagte der Fuchs: "deine Brüder haben
Wächter gesetzt, die dich tödten sollen, wenn du
über die Grenze kämest." Da zog er armen
Mannes Kleider an, und kam unbekannt bis
an des Königs Hof, und kaum war er da, so
fraß das Pferd, so pfiff der Vogel und die
Prinzessin hörte Weinens auf. Da trat er
vor den König und offenbarte das Bubenstück
seiner Brüder und alles, wie es sich zugetragen
hatte. Die Brüder wurden ergriffen und hin-
gerichtet, und er bekam die Prinzessin, und nach
des Königs Tode das Reich.

Lang danach ging er einmal wieder in den
Wald, da begegnete ihm der alte Fuchs und
bat aufs flehentlichste, er möchte ihn todtschie-

Da war eine Freude; aber das Pferd das fraß
nicht, der Vogel, der pfiff nicht und die Prin-
zeſſin die weinte.

Ihr juͤngſter Bruder lag unten im Brun-
nen, der zum Gluͤck trocken war, und wiewohl
er keins ſeiner Glieder gebrochen hatte, konnte
er doch keinen Weg finden, um heraus zu kom-
men. Indeſſen kam der alte Fuchs noch ein-
mal, ſchalt ihn aus, daß er ihm nicht gehoͤrt,
ſonſt waͤre ihm nichts davon begegnet: „doch
aber kann ichs nicht laſſen und muß dir her-
aushelfen; pack an meinen Schwanz und halte
feſt.“ Darauf kroch der Fuchs und ſchleppte
ihn zum Brunnen heraus. Wie ſie oben wa-
ren, ſagte der Fuchs: „deine Bruͤder haben
Waͤchter geſetzt, die dich toͤdten ſollen, wenn du
uͤber die Grenze kaͤmeſt.“ Da zog er armen
Mannes Kleider an, und kam unbekannt bis
an des Koͤnigs Hof, und kaum war er da, ſo
fraß das Pferd, ſo pfiff der Vogel und die
Prinzeſſin hoͤrte Weinens auf. Da trat er
vor den Koͤnig und offenbarte das Bubenſtuͤck
ſeiner Bruͤder und alles, wie es ſich zugetragen
hatte. Die Bruͤder wurden ergriffen und hin-
gerichtet, und er bekam die Prinzeſſin, und nach
des Koͤnigs Tode das Reich.

Lang danach ging er einmal wieder in den
Wald, da begegnete ihm der alte Fuchs und
bat aufs flehentlichſte, er moͤchte ihn todtſchie-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0303" n="269"/>
Da war eine Freude; aber das Pferd das fraß<lb/>
nicht, der Vogel, der pfiff nicht und die Prin-<lb/>
ze&#x017F;&#x017F;in die weinte.</p><lb/>
        <p>Ihr ju&#x0364;ng&#x017F;ter Bruder lag unten im Brun-<lb/>
nen, der zum Glu&#x0364;ck trocken war, und wiewohl<lb/>
er keins &#x017F;einer Glieder gebrochen hatte, konnte<lb/>
er doch keinen Weg finden, um heraus zu kom-<lb/>
men. Inde&#x017F;&#x017F;en kam der alte Fuchs noch ein-<lb/>
mal, &#x017F;chalt ihn aus, daß er ihm nicht geho&#x0364;rt,<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t wa&#x0364;re ihm nichts davon begegnet: &#x201E;doch<lb/>
aber kann ichs nicht la&#x017F;&#x017F;en und muß dir her-<lb/>
aushelfen; pack an meinen Schwanz und halte<lb/>
fe&#x017F;t.&#x201C; Darauf kroch der Fuchs und &#x017F;chleppte<lb/>
ihn zum Brunnen heraus. Wie &#x017F;ie oben wa-<lb/>
ren, &#x017F;agte der Fuchs: &#x201E;deine Bru&#x0364;der haben<lb/>
Wa&#x0364;chter ge&#x017F;etzt, die dich to&#x0364;dten &#x017F;ollen, wenn du<lb/>
u&#x0364;ber die Grenze ka&#x0364;me&#x017F;t.&#x201C; Da zog er armen<lb/>
Mannes Kleider an, und kam unbekannt bis<lb/>
an des Ko&#x0364;nigs Hof, und kaum war er da, &#x017F;o<lb/>
fraß das Pferd, &#x017F;o pfiff der Vogel und die<lb/>
Prinze&#x017F;&#x017F;in ho&#x0364;rte Weinens auf. Da trat er<lb/>
vor den Ko&#x0364;nig und offenbarte das Buben&#x017F;tu&#x0364;ck<lb/>
&#x017F;einer Bru&#x0364;der und alles, wie es &#x017F;ich zugetragen<lb/>
hatte. Die Bru&#x0364;der wurden ergriffen und hin-<lb/>
gerichtet, und er bekam die Prinze&#x017F;&#x017F;in, und nach<lb/>
des Ko&#x0364;nigs Tode das Reich.</p><lb/>
        <p>Lang danach ging er einmal wieder in den<lb/>
Wald, da begegnete ihm der alte Fuchs und<lb/>
bat aufs flehentlich&#x017F;te, er mo&#x0364;chte ihn todt&#x017F;chie-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[269/0303] Da war eine Freude; aber das Pferd das fraß nicht, der Vogel, der pfiff nicht und die Prin- zeſſin die weinte. Ihr juͤngſter Bruder lag unten im Brun- nen, der zum Gluͤck trocken war, und wiewohl er keins ſeiner Glieder gebrochen hatte, konnte er doch keinen Weg finden, um heraus zu kom- men. Indeſſen kam der alte Fuchs noch ein- mal, ſchalt ihn aus, daß er ihm nicht gehoͤrt, ſonſt waͤre ihm nichts davon begegnet: „doch aber kann ichs nicht laſſen und muß dir her- aushelfen; pack an meinen Schwanz und halte feſt.“ Darauf kroch der Fuchs und ſchleppte ihn zum Brunnen heraus. Wie ſie oben wa- ren, ſagte der Fuchs: „deine Bruͤder haben Waͤchter geſetzt, die dich toͤdten ſollen, wenn du uͤber die Grenze kaͤmeſt.“ Da zog er armen Mannes Kleider an, und kam unbekannt bis an des Koͤnigs Hof, und kaum war er da, ſo fraß das Pferd, ſo pfiff der Vogel und die Prinzeſſin hoͤrte Weinens auf. Da trat er vor den Koͤnig und offenbarte das Bubenſtuͤck ſeiner Bruͤder und alles, wie es ſich zugetragen hatte. Die Bruͤder wurden ergriffen und hin- gerichtet, und er bekam die Prinzeſſin, und nach des Koͤnigs Tode das Reich. Lang danach ging er einmal wieder in den Wald, da begegnete ihm der alte Fuchs und bat aufs flehentlichſte, er moͤchte ihn todtſchie-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/303
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/303>, abgerufen am 03.07.2024.