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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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aber nicht. "Wo bist du?" -- "Ei! hier auf
der Treppe, die kehr ich," sprach der eine
Blutstropfen. Da ging sie hinaus; auf der
Treppe war niemand: "wo bist du denn?" --
"Ei! hier in der Küche, beim Feuer, da wärm
ich mich!" rief der zweite Blutstropfen; sie
ging in die Küche, aber sie sah niemand: "wo
bist du denn aber?" -- "Ach! hier am Bett,
da schlaf ich!" sie lief in die Kammer ans
Bett, da sah sie ihr eigen Kind in seinem Blu-
te schwimmen. Da erschrack sie und merkte,
daß sie betrogen war, und ward zornig, weil
sie aber eine Hexe war, konnte sie weit in die
Welt hineinsehen, und sah ihre Stieftochter
mit ihren Liebsten forteilen, und sie waren schon
weit weg. Alsbald zog sie ihre Meilenstiefeln
an, und ging ihnen nach, hatte sie auch bald
eingeholt; das Mädchen aber hatte durch den
Zauberstab gewußt, daß sie verfolgt würden,
und sich in einen See, ihren Liebsten Roland
aber in eine Ente verwandelt, die schwamm
darauf. Als nun die Stiefmutter herzu kam,
setzte sie sich an das Ufer und suchte die Ente
mit Brod zu locken, aber es war alle Mühe ver-
geblich, am Abend mußte sie unverrichteter Sa-
che heimgehen. Die zwei nahmen ihre mensch-
liche Gestalt wieder an, und gingen weiter, wie
aber der Tag anbrach wurden sie wieder von
der Hexe verfolgt. Da verwandelte sich das

Kindermärchen. R

aber nicht. „Wo biſt du?“ — „Ei! hier auf
der Treppe, die kehr ich,“ ſprach der eine
Blutstropfen. Da ging ſie hinaus; auf der
Treppe war niemand: „wo biſt du denn?“ —
„Ei! hier in der Kuͤche, beim Feuer, da waͤrm
ich mich!“ rief der zweite Blutstropfen; ſie
ging in die Kuͤche, aber ſie ſah niemand: „wo
biſt du denn aber?“ — „Ach! hier am Bett,
da ſchlaf ich!“ ſie lief in die Kammer ans
Bett, da ſah ſie ihr eigen Kind in ſeinem Blu-
te ſchwimmen. Da erſchrack ſie und merkte,
daß ſie betrogen war, und ward zornig, weil
ſie aber eine Hexe war, konnte ſie weit in die
Welt hineinſehen, und ſah ihre Stieftochter
mit ihren Liebſten forteilen, und ſie waren ſchon
weit weg. Alsbald zog ſie ihre Meilenſtiefeln
an, und ging ihnen nach, hatte ſie auch bald
eingeholt; das Maͤdchen aber hatte durch den
Zauberſtab gewußt, daß ſie verfolgt wuͤrden,
und ſich in einen See, ihren Liebſten Roland
aber in eine Ente verwandelt, die ſchwamm
darauf. Als nun die Stiefmutter herzu kam,
ſetzte ſie ſich an das Ufer und ſuchte die Ente
mit Brod zu locken, aber es war alle Muͤhe ver-
geblich, am Abend mußte ſie unverrichteter Sa-
che heimgehen. Die zwei nahmen ihre menſch-
liche Geſtalt wieder an, und gingen weiter, wie
aber der Tag anbrach wurden ſie wieder von
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[257/0291] aber nicht. „Wo biſt du?“ — „Ei! hier auf der Treppe, die kehr ich,“ ſprach der eine Blutstropfen. Da ging ſie hinaus; auf der Treppe war niemand: „wo biſt du denn?“ — „Ei! hier in der Kuͤche, beim Feuer, da waͤrm ich mich!“ rief der zweite Blutstropfen; ſie ging in die Kuͤche, aber ſie ſah niemand: „wo biſt du denn aber?“ — „Ach! hier am Bett, da ſchlaf ich!“ ſie lief in die Kammer ans Bett, da ſah ſie ihr eigen Kind in ſeinem Blu- te ſchwimmen. Da erſchrack ſie und merkte, daß ſie betrogen war, und ward zornig, weil ſie aber eine Hexe war, konnte ſie weit in die Welt hineinſehen, und ſah ihre Stieftochter mit ihren Liebſten forteilen, und ſie waren ſchon weit weg. Alsbald zog ſie ihre Meilenſtiefeln an, und ging ihnen nach, hatte ſie auch bald eingeholt; das Maͤdchen aber hatte durch den Zauberſtab gewußt, daß ſie verfolgt wuͤrden, und ſich in einen See, ihren Liebſten Roland aber in eine Ente verwandelt, die ſchwamm darauf. Als nun die Stiefmutter herzu kam, ſetzte ſie ſich an das Ufer und ſuchte die Ente mit Brod zu locken, aber es war alle Muͤhe ver- geblich, am Abend mußte ſie unverrichteter Sa- che heimgehen. Die zwei nahmen ihre menſch- liche Geſtalt wieder an, und gingen weiter, wie aber der Tag anbrach wurden ſie wieder von der Hexe verfolgt. Da verwandelte ſich das Kindermärchen. R

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/291>, abgerufen am 22.11.2024.