sem Sinne existirt noch keine Sammlung in Deutschland, man hat sie fast immer nur als Stoff benutzt, um größere Erzählungen daraus zu machen, die willkührlich erweitert, verändert, was sie auch sonst werth seyn konnten, doch immer den Kindern das Ihri- ge aus den Händen rissen, und ihnen nichts dafür gaben. Selbst wer an sie gedacht, konnte es doch nicht lassen, Manieren, wel- che die Zeitpoesie gab, hineinzumischen; fast immer hat es auch an Fleiß beim Sammeln gefehlt und ein paar wenige, zufällig etwa aufgefaßte, wurden sogleich mitgetheilt *).
*)Musäus und Naubert verarbeiteten meist, was wir vorhin Localsage nannten, der viel schätzbarere Otmar nur lauter solche; eine Erfurter Sammlung von 1787. ist arm, eine Leipziger von 1799. gehört nur halb hierher, wiewohl sie nicht ganz schlecht zu nennen, eine Braunschweiger von 1801. unter diesen die reichste, obgleich mit ihnen in verkehrtem Ton. Aus der neusten Büschingischen war für uns nichts zu nehmen, ausdrücklich aber muß noch bemerkt werden, daß eine vor ein paar Jahren von einem Namensverwandten A. L. Grimm unter dem Titel: Kindermärchen zu Heidelberg herausgekommene, nicht eben wohl
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ſem Sinne exiſtirt noch keine Sammlung in Deutſchland, man hat ſie faſt immer nur als Stoff benutzt, um groͤßere Erzaͤhlungen daraus zu machen, die willkuͤhrlich erweitert, veraͤndert, was ſie auch ſonſt werth ſeyn konnten, doch immer den Kindern das Ihri- ge aus den Haͤnden riſſen, und ihnen nichts dafuͤr gaben. Selbſt wer an ſie gedacht, konnte es doch nicht laſſen, Manieren, wel- che die Zeitpoeſie gab, hineinzumiſchen; faſt immer hat es auch an Fleiß beim Sammeln gefehlt und ein paar wenige, zufaͤllig etwa aufgefaßte, wurden ſogleich mitgetheilt *).
*)Muſaͤus und Naubert verarbeiteten meiſt, was wir vorhin Localſage nannten, der viel ſchaͤtzbarere Otmar nur lauter ſolche; eine Erfurter Sammlung von 1787. iſt arm, eine Leipziger von 1799. gehoͤrt nur halb hierher, wiewohl ſie nicht ganz ſchlecht zu nennen, eine Braunſchweiger von 1801. unter dieſen die reichſte, obgleich mit ihnen in verkehrtem Ton. Aus der neuſten Buͤſchingiſchen war fuͤr uns nichts zu nehmen, ausdruͤcklich aber muß noch bemerkt werden, daß eine vor ein paar Jahren von einem Namensverwandten A. L. Grimm unter dem Titel: Kindermaͤrchen zu Heidelberg herausgekommene, nicht eben wohl
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[XIX/0025]
ſem Sinne exiſtirt noch keine Sammlung in
Deutſchland, man hat ſie faſt immer nur
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daraus zu machen, die willkuͤhrlich erweitert,
veraͤndert, was ſie auch ſonſt werth ſeyn
konnten, doch immer den Kindern das Ihri-
ge aus den Haͤnden riſſen, und ihnen nichts
dafuͤr gaben. Selbſt wer an ſie gedacht,
konnte es doch nicht laſſen, Manieren, wel-
che die Zeitpoeſie gab, hineinzumiſchen; faſt
immer hat es auch an Fleiß beim Sammeln
gefehlt und ein paar wenige, zufaͤllig etwa
aufgefaßte, wurden ſogleich mitgetheilt *).
*) Muſaͤus und Naubert verarbeiteten meiſt,
was wir vorhin Localſage nannten, der viel
ſchaͤtzbarere Otmar nur lauter ſolche; eine
Erfurter Sammlung von 1787. iſt arm, eine
Leipziger von 1799. gehoͤrt nur halb hierher,
wiewohl ſie nicht ganz ſchlecht zu nennen, eine
Braunſchweiger von 1801. unter dieſen die
reichſte, obgleich mit ihnen in verkehrtem Ton.
Aus der neuſten Buͤſchingiſchen war fuͤr
uns nichts zu nehmen, ausdruͤcklich aber muß
noch bemerkt werden, daß eine vor ein paar
Jahren von einem Namensverwandten A. L.
Grimm unter dem Titel: Kindermaͤrchen zu
Heidelberg herausgekommene, nicht eben wohl
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. XIX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/25>, abgerufen am 22.07.2024.
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