Waldes Einsamkeit verlassen, der Wind er- schreckt sie, Furcht vor den wilden Thieren, aber sie stehen sich in allen Treuen bei, das Brüderchen weiß den Weg nach Haus wie- der zu finden, oder das Schwesterchen, wenn Zauberei es verwandelt, leitet es als Reh- kälbchen und sucht ihm Kräuter und Moos zum Lager; oder es sitzt schweigend und näht ein Hemd aus Sternblumen, das den Zauber vernichtet. Der ganze Umkreis die- ser Welt ist bestimmt abgeschlossen: Kö- nige, Prinzen, treue Diener und ehrliche Handwerker, vor allen Fischer, Müller, Köh- ler und Hirten, die der Natur am nächsten geblieben, erscheinen darin; das andere ist ihr fremd und unbekannt. Auch, wie in den Mythen, die von der goldnen Zeit re- den, ist die ganze Natur belebt, Sonne, Mond und Sterne sind zugänglich, geben Geschenke, oder lassen sich wohl gar in Klei- der weben, in den Bergen arbeiten[...] die Zwer- ge nach dem Metall, in dem Wasser schla- fen die Nixen, die Vögel[...] (Tauben sind die geliebtesten und hülfreichsten), Pflanzen, Stei- ne reden und wissen ihr Mitgefühl auszu- drücken, das Blut selber ruft und spricht,
Waldes Einſamkeit verlaſſen, der Wind er- ſchreckt ſie, Furcht vor den wilden Thieren, aber ſie ſtehen ſich in allen Treuen bei, das Bruͤderchen weiß den Weg nach Haus wie- der zu finden, oder das Schweſterchen, wenn Zauberei es verwandelt, leitet es als Reh- kaͤlbchen und ſucht ihm Kraͤuter und Moos zum Lager; oder es ſitzt ſchweigend und naͤht ein Hemd aus Sternblumen, das den Zauber vernichtet. Der ganze Umkreis die- ſer Welt iſt beſtimmt abgeſchloſſen: Koͤ- nige, Prinzen, treue Diener und ehrliche Handwerker, vor allen Fiſcher, Muͤller, Koͤh- ler und Hirten, die der Natur am naͤchſten geblieben, erſcheinen darin; das andere iſt ihr fremd und unbekannt. Auch, wie in den Mythen, die von der goldnen Zeit re- den, iſt die ganze Natur belebt, Sonne, Mond und Sterne ſind zugaͤnglich, geben Geſchenke, oder laſſen ſich wohl gar in Klei- der weben, in den Bergen arbeiten[…] die Zwer- ge nach dem Metall, in dem Waſſer ſchla- fen die Nixen, die Voͤgel[…] (Tauben ſind die geliebteſten und huͤlfreichſten), Pflanzen, Stei- ne reden und wiſſen ihr Mitgefuͤhl auszu- druͤcken, das Blut ſelber ruft und ſpricht,
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[X/0016]
Waldes Einſamkeit verlaſſen, der Wind er-
ſchreckt ſie, Furcht vor den wilden Thieren,
aber ſie ſtehen ſich in allen Treuen bei, das
Bruͤderchen weiß den Weg nach Haus wie-
der zu finden, oder das Schweſterchen, wenn
Zauberei es verwandelt, leitet es als Reh-
kaͤlbchen und ſucht ihm Kraͤuter und Moos
zum Lager; oder es ſitzt ſchweigend und
naͤht ein Hemd aus Sternblumen, das den
Zauber vernichtet. Der ganze Umkreis die-
ſer Welt iſt beſtimmt abgeſchloſſen: Koͤ-
nige, Prinzen, treue Diener und ehrliche
Handwerker, vor allen Fiſcher, Muͤller, Koͤh-
ler und Hirten, die der Natur am naͤchſten
geblieben, erſcheinen darin; das andere iſt
ihr fremd und unbekannt. Auch, wie in
den Mythen, die von der goldnen Zeit re-
den, iſt die ganze Natur belebt, Sonne,
Mond und Sterne ſind zugaͤnglich, geben
Geſchenke, oder laſſen ſich wohl gar in Klei-
der weben, in den Bergen arbeiten die Zwer-
ge nach dem Metall, in dem Waſſer ſchla-
fen die Nixen, die Voͤgel (Tauben ſind die
geliebteſten und huͤlfreichſten), Pflanzen, Stei-
ne reden und wiſſen ihr Mitgefuͤhl auszu-
druͤcken, das Blut ſelber ruft und ſpricht,
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. X. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/16>, abgerufen am 25.11.2024.
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