der Gedanke, das meiste und beste zu be- sitzen. Alles ist mit wenigen bemerkten Aus- nahmen fast nur in Hessen und den Main- und Kinziggegenden in der Grafschaft Ha- nau, wo wir her sind, nach mündlicher Ue- berlieferung gesammelt; darum knüpft sich uns an jedes Einzelne noch eine angenehme Erinnerung. Wenig Bücher sind mit solcher Lust entstanden, und wir sagen gern hier noch einmal öffentlich Allen Dank, die Theil daran haben.
Es war vielleicht gerade Zeit, diese Märchen festzuhalten, da diejenigen, die sie bewahren sollen, immer seltner werden (frei- lich, die sie noch wissen, wissen auch recht viel, weil die Menschen ihnen absterben, sie nicht den Menschen), denn die Sitte darin nimmt selber immer mehr ab, wie alle heim- lichen Plätze in Wohnungen und Gärten ei- ner leeren Prächtigkeit weichen, die dem Lä- cheln gleicht, womit man von ihnen spricht, welches vornehm aussieht und doch so we- nig kostet. Wo sie noch da sind, da leben sie so, daß man nicht daran denkt, ob sie gut oder schlecht sind, poetisch oder abge- schmackt, man weiß sie und liebt sie, weil
der Gedanke, das meiſte und beſte zu be- ſitzen. Alles iſt mit wenigen bemerkten Aus- nahmen faſt nur in Heſſen und den Main- und Kinziggegenden in der Grafſchaft Ha- nau, wo wir her ſind, nach muͤndlicher Ue- berlieferung geſammelt; darum knuͤpft ſich uns an jedes Einzelne noch eine angenehme Erinnerung. Wenig Buͤcher ſind mit ſolcher Luſt entſtanden, und wir ſagen gern hier noch einmal oͤffentlich Allen Dank, die Theil daran haben.
Es war vielleicht gerade Zeit, dieſe Maͤrchen feſtzuhalten, da diejenigen, die ſie bewahren ſollen, immer ſeltner werden (frei- lich, die ſie noch wiſſen, wiſſen auch recht viel, weil die Menſchen ihnen abſterben, ſie nicht den Menſchen), denn die Sitte darin nimmt ſelber immer mehr ab, wie alle heim- lichen Plaͤtze in Wohnungen und Gaͤrten ei- ner leeren Praͤchtigkeit weichen, die dem Laͤ- cheln gleicht, womit man von ihnen ſpricht, welches vornehm ausſieht und doch ſo we- nig koſtet. Wo ſie noch da ſind, da leben ſie ſo, daß man nicht daran denkt, ob ſie gut oder ſchlecht ſind, poetiſch oder abge- ſchmackt, man weiß ſie und liebt ſie, weil
<TEI><text><front><divn="1"><p><pbfacs="#f0013"n="VII"/>
der Gedanke, das meiſte und beſte zu be-<lb/>ſitzen. Alles iſt mit wenigen bemerkten Aus-<lb/>
nahmen faſt nur in Heſſen und den Main-<lb/>
und Kinziggegenden in der Grafſchaft Ha-<lb/>
nau, wo wir her ſind, nach muͤndlicher Ue-<lb/>
berlieferung geſammelt; darum knuͤpft ſich<lb/>
uns an jedes Einzelne noch eine angenehme<lb/>
Erinnerung. Wenig Buͤcher ſind mit ſolcher<lb/>
Luſt entſtanden, und wir ſagen gern hier<lb/>
noch einmal oͤffentlich Allen Dank, die Theil<lb/>
daran haben.</p><lb/><p>Es war vielleicht gerade Zeit, dieſe<lb/>
Maͤrchen feſtzuhalten, da diejenigen, die ſie<lb/>
bewahren ſollen, immer ſeltner werden (frei-<lb/>
lich, die ſie noch wiſſen, wiſſen auch recht<lb/>
viel, weil die Menſchen ihnen abſterben, ſie<lb/>
nicht den Menſchen), denn die Sitte darin<lb/>
nimmt ſelber immer mehr ab, wie alle heim-<lb/>
lichen Plaͤtze in Wohnungen und Gaͤrten ei-<lb/>
ner leeren Praͤchtigkeit weichen, die dem Laͤ-<lb/>
cheln gleicht, womit man von ihnen ſpricht,<lb/>
welches vornehm ausſieht und doch ſo we-<lb/>
nig koſtet. Wo ſie noch da ſind, da leben<lb/>ſie ſo, daß man nicht daran denkt, ob ſie<lb/>
gut oder ſchlecht ſind, poetiſch oder abge-<lb/>ſchmackt, man weiß ſie und liebt ſie, weil<lb/></p></div></front></text></TEI>
[VII/0013]
der Gedanke, das meiſte und beſte zu be-
ſitzen. Alles iſt mit wenigen bemerkten Aus-
nahmen faſt nur in Heſſen und den Main-
und Kinziggegenden in der Grafſchaft Ha-
nau, wo wir her ſind, nach muͤndlicher Ue-
berlieferung geſammelt; darum knuͤpft ſich
uns an jedes Einzelne noch eine angenehme
Erinnerung. Wenig Buͤcher ſind mit ſolcher
Luſt entſtanden, und wir ſagen gern hier
noch einmal oͤffentlich Allen Dank, die Theil
daran haben.
Es war vielleicht gerade Zeit, dieſe
Maͤrchen feſtzuhalten, da diejenigen, die ſie
bewahren ſollen, immer ſeltner werden (frei-
lich, die ſie noch wiſſen, wiſſen auch recht
viel, weil die Menſchen ihnen abſterben, ſie
nicht den Menſchen), denn die Sitte darin
nimmt ſelber immer mehr ab, wie alle heim-
lichen Plaͤtze in Wohnungen und Gaͤrten ei-
ner leeren Praͤchtigkeit weichen, die dem Laͤ-
cheln gleicht, womit man von ihnen ſpricht,
welches vornehm ausſieht und doch ſo we-
nig koſtet. Wo ſie noch da ſind, da leben
ſie ſo, daß man nicht daran denkt, ob ſie
gut oder ſchlecht ſind, poetiſch oder abge-
ſchmackt, man weiß ſie und liebt ſie, weil
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. VII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/13>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.