Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Bäumen sich bogen. Der Schneider sich nicht
lange besann, was ihm zu thun wäre, schnell
sein Busen voll Stein lase, auf den Baum,
darunter sie lagen, stiege, anfing den einen mit
dem Stein auf seine Brust zu werfen, davon
er alsbald erwachte, über den andern zürnen
ward, und sagte, warum er ihn schlüg? der an-
dere aber entschuldigte sich so best' er mogte; in-
dem sie wieder schlafen wollten, der Schneider
wieder einen Stein faßte und den andern warf,
darvon er über sein Mitgesellen zürnen ward
und sagte, warum er ihn werfe? Als sie aber
von solchem Zanken ließen und ihnen die Au-
gen zugangen waren, der Schneider gar heftig
auf den ersten warf, daß der Riese nicht mehr
vertragen mogte, seinen Gesellen heftig schluge
(dann er vermeinte, er wäre von ihm geschla-
gen), welches der andere auch nicht leiden wollt',
aufstunden, Bäum ausrissen und einander selb
zu todt schlugen, doch zu allem Glück den Baum,
darauf der Schneider saß, stehen ließen. Als
solches der Schneider sahe, baß zu Muth ward,
dann er nie gewesen war, fröhlichen ab dem
Baum stiege, jeglichem mit seinem Schwert ein
Wunden oder etlich schlug und wieder aus dem
Wald zu den Reutern ging. Die Reuter ihn
fragten, ob er die Riesen nirgends gesehen hät-
te? "ja, sagte der Schneider, ich hab sie zu
todt geschlagen und unter dem Baum liegen

lassen."

Baͤumen ſich bogen. Der Schneider ſich nicht
lange beſann, was ihm zu thun waͤre, ſchnell
ſein Buſen voll Stein laſe, auf den Baum,
darunter ſie lagen, ſtiege, anfing den einen mit
dem Stein auf ſeine Bruſt zu werfen, davon
er alsbald erwachte, uͤber den andern zuͤrnen
ward, und ſagte, warum er ihn ſchluͤg? der an-
dere aber entſchuldigte ſich ſo beſt' er mogte; in-
dem ſie wieder ſchlafen wollten, der Schneider
wieder einen Stein faßte und den andern warf,
darvon er uͤber ſein Mitgeſellen zuͤrnen ward
und ſagte, warum er ihn werfe? Als ſie aber
von ſolchem Zanken ließen und ihnen die Au-
gen zugangen waren, der Schneider gar heftig
auf den erſten warf, daß der Rieſe nicht mehr
vertragen mogte, ſeinen Geſellen heftig ſchluge
(dann er vermeinte, er waͤre von ihm geſchla-
gen), welches der andere auch nicht leiden wollt',
aufſtunden, Baͤum ausriſſen und einander ſelb
zu todt ſchlugen, doch zu allem Gluͤck den Baum,
darauf der Schneider ſaß, ſtehen ließen. Als
ſolches der Schneider ſahe, baß zu Muth ward,
dann er nie geweſen war, froͤhlichen ab dem
Baum ſtiege, jeglichem mit ſeinem Schwert ein
Wunden oder etlich ſchlug und wieder aus dem
Wald zu den Reutern ging. Die Reuter ihn
fragten, ob er die Rieſen nirgends geſehen haͤt-
te? „ja, ſagte der Schneider, ich hab ſie zu
todt geſchlagen und unter dem Baum liegen

laſſen.“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0114" n="80"/>
Ba&#x0364;umen &#x017F;ich bogen. Der Schneider &#x017F;ich nicht<lb/>
lange be&#x017F;ann, was ihm zu thun wa&#x0364;re, &#x017F;chnell<lb/>
&#x017F;ein Bu&#x017F;en voll Stein la&#x017F;e, auf den Baum,<lb/>
darunter &#x017F;ie lagen, &#x017F;tiege, anfing den einen mit<lb/>
dem Stein auf &#x017F;eine Bru&#x017F;t zu werfen, davon<lb/>
er alsbald erwachte, u&#x0364;ber den andern zu&#x0364;rnen<lb/>
ward, und &#x017F;agte, warum er ihn &#x017F;chlu&#x0364;g? der an-<lb/>
dere aber ent&#x017F;chuldigte &#x017F;ich &#x017F;o be&#x017F;t' er mogte; in-<lb/>
dem &#x017F;ie wieder &#x017F;chlafen wollten, der Schneider<lb/>
wieder einen Stein faßte und den andern warf,<lb/>
darvon er u&#x0364;ber &#x017F;ein Mitge&#x017F;ellen zu&#x0364;rnen ward<lb/>
und &#x017F;agte, warum er ihn werfe? Als &#x017F;ie aber<lb/>
von &#x017F;olchem Zanken ließen und ihnen die Au-<lb/>
gen zugangen waren, der Schneider gar heftig<lb/>
auf den er&#x017F;ten warf, daß der Rie&#x017F;e nicht mehr<lb/>
vertragen mogte, &#x017F;einen Ge&#x017F;ellen heftig &#x017F;chluge<lb/>
(dann er vermeinte, er wa&#x0364;re von ihm ge&#x017F;chla-<lb/>
gen), welches der andere auch nicht leiden wollt',<lb/>
auf&#x017F;tunden, Ba&#x0364;um ausri&#x017F;&#x017F;en und einander &#x017F;elb<lb/>
zu todt &#x017F;chlugen, doch zu allem Glu&#x0364;ck den Baum,<lb/>
darauf der Schneider &#x017F;aß, &#x017F;tehen ließen. Als<lb/>
&#x017F;olches der Schneider &#x017F;ahe, baß zu Muth ward,<lb/>
dann er nie gewe&#x017F;en war, fro&#x0364;hlichen ab dem<lb/>
Baum &#x017F;tiege, jeglichem mit &#x017F;einem Schwert ein<lb/>
Wunden oder etlich &#x017F;chlug und wieder aus dem<lb/>
Wald zu den Reutern ging. Die Reuter ihn<lb/>
fragten, ob er die Rie&#x017F;en nirgends ge&#x017F;ehen ha&#x0364;t-<lb/>
te? &#x201E;ja, &#x017F;agte der Schneider, ich hab &#x017F;ie zu<lb/>
todt ge&#x017F;chlagen und unter dem Baum liegen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">la&#x017F;&#x017F;en.&#x201C;</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0114] Baͤumen ſich bogen. Der Schneider ſich nicht lange beſann, was ihm zu thun waͤre, ſchnell ſein Buſen voll Stein laſe, auf den Baum, darunter ſie lagen, ſtiege, anfing den einen mit dem Stein auf ſeine Bruſt zu werfen, davon er alsbald erwachte, uͤber den andern zuͤrnen ward, und ſagte, warum er ihn ſchluͤg? der an- dere aber entſchuldigte ſich ſo beſt' er mogte; in- dem ſie wieder ſchlafen wollten, der Schneider wieder einen Stein faßte und den andern warf, darvon er uͤber ſein Mitgeſellen zuͤrnen ward und ſagte, warum er ihn werfe? Als ſie aber von ſolchem Zanken ließen und ihnen die Au- gen zugangen waren, der Schneider gar heftig auf den erſten warf, daß der Rieſe nicht mehr vertragen mogte, ſeinen Geſellen heftig ſchluge (dann er vermeinte, er waͤre von ihm geſchla- gen), welches der andere auch nicht leiden wollt', aufſtunden, Baͤum ausriſſen und einander ſelb zu todt ſchlugen, doch zu allem Gluͤck den Baum, darauf der Schneider ſaß, ſtehen ließen. Als ſolches der Schneider ſahe, baß zu Muth ward, dann er nie geweſen war, froͤhlichen ab dem Baum ſtiege, jeglichem mit ſeinem Schwert ein Wunden oder etlich ſchlug und wieder aus dem Wald zu den Reutern ging. Die Reuter ihn fragten, ob er die Rieſen nirgends geſehen haͤt- te? „ja, ſagte der Schneider, ich hab ſie zu todt geſchlagen und unter dem Baum liegen laſſen.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/114
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/114>, abgerufen am 04.05.2024.