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Grimm, Herman: Das Kind. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 275–356. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Straßen der Stadt und hatte endlich, als er interesselos die Häuser ansah, eine kleine Thüre vor sich, die ihn frappirte. Er wußte nicht warum, aber es war ihm da etwas begegnet. Der Abend dämmerte schon. Auf dem Steine vor der Thüre saß eine junge Frau; auch diese fiel ihm auf. Sie hatte ein Kind im Schooße liegen, ein anderes krabbelte neben ihr auf dem Wege umher.

Albert blieb stehen und betrachtete sie. Es war nichts Auffallendes daran; Künstler pflegen das oft und überall zu thun, die Frau kümmerte das auch nicht viel, sie war wohl schon öfter so beschaut worden, wenn sie dasaß. Aber verstohlen sah sie den Fremden doch an, und als sich so ihre Augen trafen, da fiel ihm plötzlich Alles wieder ein, und auch ihr schien es so zu ergehen, denn ihre Züge bekamen einen Ausdruck zweifelhaften Lächelns, das die Lust, ihn anzureden, verrieth, und die Scheu, es zu wagen.

Vor drei Jahren war er eines Abends hier vorüber gegangen (er wußte es nun wieder, und um so lebhafter, als er sich inzwischen nie daran erinnert hatte), in derselben Hausthüre hatte ein zorniger Mann gestanden; diese Frau, die damals noch ein Mädchen war, hielt er an der Hand und wollte sie ins Haus zurückreißen, aber ein junger schöner Bursche hielt sie an der andern, und es sprühte eine Fluth von Worten zwischen den Dreien, hier drohend, dort bittend, und Verzweiflung zwischendurch, daß Albert dicht herantrat

Straßen der Stadt und hatte endlich, als er interesselos die Häuser ansah, eine kleine Thüre vor sich, die ihn frappirte. Er wußte nicht warum, aber es war ihm da etwas begegnet. Der Abend dämmerte schon. Auf dem Steine vor der Thüre saß eine junge Frau; auch diese fiel ihm auf. Sie hatte ein Kind im Schooße liegen, ein anderes krabbelte neben ihr auf dem Wege umher.

Albert blieb stehen und betrachtete sie. Es war nichts Auffallendes daran; Künstler pflegen das oft und überall zu thun, die Frau kümmerte das auch nicht viel, sie war wohl schon öfter so beschaut worden, wenn sie dasaß. Aber verstohlen sah sie den Fremden doch an, und als sich so ihre Augen trafen, da fiel ihm plötzlich Alles wieder ein, und auch ihr schien es so zu ergehen, denn ihre Züge bekamen einen Ausdruck zweifelhaften Lächelns, das die Lust, ihn anzureden, verrieth, und die Scheu, es zu wagen.

Vor drei Jahren war er eines Abends hier vorüber gegangen (er wußte es nun wieder, und um so lebhafter, als er sich inzwischen nie daran erinnert hatte), in derselben Hausthüre hatte ein zorniger Mann gestanden; diese Frau, die damals noch ein Mädchen war, hielt er an der Hand und wollte sie ins Haus zurückreißen, aber ein junger schöner Bursche hielt sie an der andern, und es sprühte eine Fluth von Worten zwischen den Dreien, hier drohend, dort bittend, und Verzweiflung zwischendurch, daß Albert dicht herantrat

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[0061] Straßen der Stadt und hatte endlich, als er interesselos die Häuser ansah, eine kleine Thüre vor sich, die ihn frappirte. Er wußte nicht warum, aber es war ihm da etwas begegnet. Der Abend dämmerte schon. Auf dem Steine vor der Thüre saß eine junge Frau; auch diese fiel ihm auf. Sie hatte ein Kind im Schooße liegen, ein anderes krabbelte neben ihr auf dem Wege umher. Albert blieb stehen und betrachtete sie. Es war nichts Auffallendes daran; Künstler pflegen das oft und überall zu thun, die Frau kümmerte das auch nicht viel, sie war wohl schon öfter so beschaut worden, wenn sie dasaß. Aber verstohlen sah sie den Fremden doch an, und als sich so ihre Augen trafen, da fiel ihm plötzlich Alles wieder ein, und auch ihr schien es so zu ergehen, denn ihre Züge bekamen einen Ausdruck zweifelhaften Lächelns, das die Lust, ihn anzureden, verrieth, und die Scheu, es zu wagen. Vor drei Jahren war er eines Abends hier vorüber gegangen (er wußte es nun wieder, und um so lebhafter, als er sich inzwischen nie daran erinnert hatte), in derselben Hausthüre hatte ein zorniger Mann gestanden; diese Frau, die damals noch ein Mädchen war, hielt er an der Hand und wollte sie ins Haus zurückreißen, aber ein junger schöner Bursche hielt sie an der andern, und es sprühte eine Fluth von Worten zwischen den Dreien, hier drohend, dort bittend, und Verzweiflung zwischendurch, daß Albert dicht herantrat

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:24:04Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:24:04Z)

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Zitationshilfe: Grimm, Herman: Das Kind. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 275–356. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_kind_1910/61>, abgerufen am 27.11.2024.