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Grimm, Herman: Das Kind. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 275–356. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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als ich, kein Anderer! Ich habe niemals gelogen, frage Therese und Papa, ob ich das je that. Unter mein Kopfkissen habe ich ihn Nachts gelegt, und in der Tasche trug ich ihn die Tage mit mir, manchmal faßte ich ihn heimlich an, und ich war glücklich, als ich ihn berührte. Ihre Augen glänzten von verhaltenen Thränen.

Emma! schrie ihr Verlobter auf und faßte sie am Arm, das ist Wahnsinn, was du da redest! -- Sie riß sich mit einer Bewegung los, setzte sich nieder, schlug die Füße über einander, kreuzte die Arme und sah ihn an.

Mach mir doch Vorwürfe, begann sie wieder, sag mir doch, ich sei dir treulos gewesen. Ich habe den Brief nicht gelesen, aber geküßt habe ich ihn: habe ich dir je versprochen, das nicht zu thun? -- Die Gluth ihrer Stimme erstickte in ihren Thränen, sie warf sich wieder hin und drehte das Antlitz der Wand zu.

Albert stand neben ihr. Einmal wollte er reden, doch er schnitt sich das Wort selbst ab. Er wollte gehen, aber er blieb stehn. Er wollte einen Entschluß fassen, aber wozu sich denn entschließen? Sollte er etwas thun, etwas sagen, etwas schreiben? -- Er stand da und hörte sie schluchzen.

Emil war in Rom. Albert hatte ihn an jenem Abend in der Soiree wohl erkannt; es war ihm lieb gewesen, daß er ihm auswich und daß Emma so bald mit Heinrich fortging. Er glaubte damals nicht, daß

als ich, kein Anderer! Ich habe niemals gelogen, frage Therese und Papa, ob ich das je that. Unter mein Kopfkissen habe ich ihn Nachts gelegt, und in der Tasche trug ich ihn die Tage mit mir, manchmal faßte ich ihn heimlich an, und ich war glücklich, als ich ihn berührte. Ihre Augen glänzten von verhaltenen Thränen.

Emma! schrie ihr Verlobter auf und faßte sie am Arm, das ist Wahnsinn, was du da redest! — Sie riß sich mit einer Bewegung los, setzte sich nieder, schlug die Füße über einander, kreuzte die Arme und sah ihn an.

Mach mir doch Vorwürfe, begann sie wieder, sag mir doch, ich sei dir treulos gewesen. Ich habe den Brief nicht gelesen, aber geküßt habe ich ihn: habe ich dir je versprochen, das nicht zu thun? — Die Gluth ihrer Stimme erstickte in ihren Thränen, sie warf sich wieder hin und drehte das Antlitz der Wand zu.

Albert stand neben ihr. Einmal wollte er reden, doch er schnitt sich das Wort selbst ab. Er wollte gehen, aber er blieb stehn. Er wollte einen Entschluß fassen, aber wozu sich denn entschließen? Sollte er etwas thun, etwas sagen, etwas schreiben? — Er stand da und hörte sie schluchzen.

Emil war in Rom. Albert hatte ihn an jenem Abend in der Soiree wohl erkannt; es war ihm lieb gewesen, daß er ihm auswich und daß Emma so bald mit Heinrich fortging. Er glaubte damals nicht, daß

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[0059] als ich, kein Anderer! Ich habe niemals gelogen, frage Therese und Papa, ob ich das je that. Unter mein Kopfkissen habe ich ihn Nachts gelegt, und in der Tasche trug ich ihn die Tage mit mir, manchmal faßte ich ihn heimlich an, und ich war glücklich, als ich ihn berührte. Ihre Augen glänzten von verhaltenen Thränen. Emma! schrie ihr Verlobter auf und faßte sie am Arm, das ist Wahnsinn, was du da redest! — Sie riß sich mit einer Bewegung los, setzte sich nieder, schlug die Füße über einander, kreuzte die Arme und sah ihn an. Mach mir doch Vorwürfe, begann sie wieder, sag mir doch, ich sei dir treulos gewesen. Ich habe den Brief nicht gelesen, aber geküßt habe ich ihn: habe ich dir je versprochen, das nicht zu thun? — Die Gluth ihrer Stimme erstickte in ihren Thränen, sie warf sich wieder hin und drehte das Antlitz der Wand zu. Albert stand neben ihr. Einmal wollte er reden, doch er schnitt sich das Wort selbst ab. Er wollte gehen, aber er blieb stehn. Er wollte einen Entschluß fassen, aber wozu sich denn entschließen? Sollte er etwas thun, etwas sagen, etwas schreiben? — Er stand da und hörte sie schluchzen. Emil war in Rom. Albert hatte ihn an jenem Abend in der Soiree wohl erkannt; es war ihm lieb gewesen, daß er ihm auswich und daß Emma so bald mit Heinrich fortging. Er glaubte damals nicht, daß

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:24:04Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:24:04Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Grimm, Herman: Das Kind. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 275–356. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_kind_1910/59>, abgerufen am 27.11.2024.