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Grimm, Herman: Das Kind. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 275–356. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Das Kind schwieg und sah ihn an, und es war ihm, als wäre die von der Dämmerung verhüllte Gestalt des Jünglings leuchtender als die untergehende Sonne, so geblendet ruhten seine Blicke auf ihm. Aber auch Albert sah plötzlich klarer, als er vordem gethan; er fühlte, daß hier der Punkt war, wo eine Schlacht verloren wird, oder gewonnen. Seine Besonnenheit blieb ihm treu; er ergriff still des Mädchens Hand, legte sie wieder in seinen Arm und sagte mit gleichgültigem Ton: Wir gehen jetzt, liebe Emma; dann zu Emil gewandt mit befehlenderer Stimme: Sie erwarten mich hier, Herr von M., wir haben zusammen zu reden.

Emil blieb unbeweglich auf seinem Platz, Emma wandte sich mit Albert dem Hause zu, wo er sie in das offen stehende erleuchtete Gartenzimmer führte und zu einem Sessel geleitete. Ich gehe jetzt wieder zu Herrn von M. hinaus, begann er, und sage ihm, du wünschtest, daß er fortginge. -- Oder soll ich nicht? Soll er lieber bleiben? Du bist frei; es kommt nur auf ein Wort von dir an.

Frei! Lieber Himmel, sie saß da und dankte Gott, daß ihr der Athem nicht ausblieb, denn die Kehle wollte ihn durchaus nicht mehr durchlassen.

Soll ich ihm das sagen, Emma? wiederholte er.

Ja.

Aber er ging noch nicht. Liebste Emma, fragte er noch einmal sanft, thut es dir nicht leid, daß ich

Das Kind schwieg und sah ihn an, und es war ihm, als wäre die von der Dämmerung verhüllte Gestalt des Jünglings leuchtender als die untergehende Sonne, so geblendet ruhten seine Blicke auf ihm. Aber auch Albert sah plötzlich klarer, als er vordem gethan; er fühlte, daß hier der Punkt war, wo eine Schlacht verloren wird, oder gewonnen. Seine Besonnenheit blieb ihm treu; er ergriff still des Mädchens Hand, legte sie wieder in seinen Arm und sagte mit gleichgültigem Ton: Wir gehen jetzt, liebe Emma; dann zu Emil gewandt mit befehlenderer Stimme: Sie erwarten mich hier, Herr von M., wir haben zusammen zu reden.

Emil blieb unbeweglich auf seinem Platz, Emma wandte sich mit Albert dem Hause zu, wo er sie in das offen stehende erleuchtete Gartenzimmer führte und zu einem Sessel geleitete. Ich gehe jetzt wieder zu Herrn von M. hinaus, begann er, und sage ihm, du wünschtest, daß er fortginge. — Oder soll ich nicht? Soll er lieber bleiben? Du bist frei; es kommt nur auf ein Wort von dir an.

Frei! Lieber Himmel, sie saß da und dankte Gott, daß ihr der Athem nicht ausblieb, denn die Kehle wollte ihn durchaus nicht mehr durchlassen.

Soll ich ihm das sagen, Emma? wiederholte er.

Ja.

Aber er ging noch nicht. Liebste Emma, fragte er noch einmal sanft, thut es dir nicht leid, daß ich

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[0035] Das Kind schwieg und sah ihn an, und es war ihm, als wäre die von der Dämmerung verhüllte Gestalt des Jünglings leuchtender als die untergehende Sonne, so geblendet ruhten seine Blicke auf ihm. Aber auch Albert sah plötzlich klarer, als er vordem gethan; er fühlte, daß hier der Punkt war, wo eine Schlacht verloren wird, oder gewonnen. Seine Besonnenheit blieb ihm treu; er ergriff still des Mädchens Hand, legte sie wieder in seinen Arm und sagte mit gleichgültigem Ton: Wir gehen jetzt, liebe Emma; dann zu Emil gewandt mit befehlenderer Stimme: Sie erwarten mich hier, Herr von M., wir haben zusammen zu reden. Emil blieb unbeweglich auf seinem Platz, Emma wandte sich mit Albert dem Hause zu, wo er sie in das offen stehende erleuchtete Gartenzimmer führte und zu einem Sessel geleitete. Ich gehe jetzt wieder zu Herrn von M. hinaus, begann er, und sage ihm, du wünschtest, daß er fortginge. — Oder soll ich nicht? Soll er lieber bleiben? Du bist frei; es kommt nur auf ein Wort von dir an. Frei! Lieber Himmel, sie saß da und dankte Gott, daß ihr der Athem nicht ausblieb, denn die Kehle wollte ihn durchaus nicht mehr durchlassen. Soll ich ihm das sagen, Emma? wiederholte er. Ja. Aber er ging noch nicht. Liebste Emma, fragte er noch einmal sanft, thut es dir nicht leid, daß ich

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:24:04Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:24:04Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Grimm, Herman: Das Kind. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 275–356. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_kind_1910/35>, abgerufen am 22.11.2024.