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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. composition. schlußbemerkungen.
goth. tani f. tavi. 3) die ableitungsbuchslaben bleiben in
dem ersten wort, wie die aus der dritten decl. gegebnen
beispiele zeigen. Man kann daraus lernen, was zur
flexion gehört oder nicht, und daß pons, pietas stehen
für pont-s, pietat-s. Doppelformen wie lapidi-cida und
lapi-cida gründen sich auf ein doppeltes lapid-s und lap-
is, vulni-ser, vulni-ficus auf eine ältere form die im gen.
kein -[ - 2 Zeichen fehlen] einschob. Bemerkenswerth ist das wegbleibende
-in bei homi-cidium sangni-suga, nicht homini-cidium,
sanguini-suga, wie im goth. guma-kunds stehet, weil im
deutschen das -n offenbar flexion ist, nämlich princip
der schwachen (vgl. oben s. 538.). Ich entsinne mich
keines solchen lat. -in, das bei der compos. haftete (das
nachher anzuführende semini-verbius ist spätere bildung),
in die ableitungen geht es häufig ein, graminosus, semi-
nosus, ominosus etc. Die natur dieser formel scheint von
altersher schwankend bald derivativisch, bald flexivisch.
4) ableitende -i und -u pflegen dem comp. vocal zu
weichen, vgl. die beispiele aus vierter decl.; mit denen auf
-ia, -ius wird kaum zusammengesetzt, in tibei-cen geht
der lange vocal aus tibi-i-cen hervor, warum aber kur-
zer in medi-dies, medi-terraneus, medi-tullium? Zuwei-
len verschlingt aber auch -u den bindelaut, man findet
arcu-potens, cornu-peta, doch acu-pictus, manu-factus,
manu-missus, manu-scriptus sind vielmehr uneigentliche
composita, aus dem angerückten abl. sg. erwachsen, sowie
manu-pretium f. manus pretium steht, ich weiß nicht,
ob domuitio f. domum itio? Zeigt qu- in hirqui-tallus,
sterqui-linium (neben hirci-tallus) ableitendes -u an?
solche -qui könnte man sich auch bei zus. setzung von
acus, arcus, pecus, specus, lacus, quercus etc. denken;
es kommen keine vor. 5) bisweilen ist das erste wort
dunkel oder unsicher, z. b. aru-spex oder haru-spex (vgl.
au-Ipex f. avi-spex) meri-dies (von merns? oder f.
medi-?) mani-festus (von manus? vgl. hand-greiflich) gaju-
gena, u. a. m. mulci-ber gehört nicht hierher, s. unten.
6) wie im deutschen (s. 666. 667.) zeugt die composition
adjectiva aus subst. und sowohl ohne ableitung (levi-
somnus, magn-animus, hirci-pilus, longi-pes, miseri-
cors) als mit ableitendem -i: pusill-animis, parvi-collis,
vgl. die partikelcomp. im-berbis, im-bellis, de-pilis etc.
7) können verba eigentlich zus. gesetzt werden? in der
regel scheinen fie nur herleitbar aus componierten nomi-
nibus folglich tergi-versor ein tergi-versus voraussetzend;
composition r it partic. (wie alti-volans, omni-medens)

III. compoſition. ſchlußbemerkungen.
goth. tánï f. tavi. 3) die ableitungsbuchſlaben bleiben in
dem erſten wort, wie die aus der dritten decl. gegebnen
beiſpiele zeigen. Man kann daraus lernen, was zur
flexion gehört oder nicht, und daß pons, pietas ſtehen
für pont-s, pietat-s. Doppelformen wie lapidi-cida und
lapi-cida gründen ſich auf ein doppeltes lapid-s und lap-
is, vulni-ſer, vulni-ficus auf eine ältere form die im gen.
kein -[ – 2 Zeichen fehlen] einſchob. Bemerkenswerth iſt das wegbleibende
-in bei homi-cidium ſangni-ſuga, nicht homini-cidium,
ſanguini-ſuga, wie im goth. guma-kunds ſtehet, weil im
deutſchen das -n offenbar flexion iſt, nämlich princip
der ſchwachen (vgl. oben ſ. 538.). Ich entſinne mich
keines ſolchen lat. -in, das bei der compoſ. haftete (das
nachher anzuführende ſemini-verbius iſt ſpätere bildung),
in die ableitungen geht es häufig ein, graminoſus, ſemi-
noſus, ominoſus etc. Die natur dieſer formel ſcheint von
altersher ſchwankend bald derivativiſch, bald flexiviſch.
4) ableitende -i und -u pflegen dem comp. vocal zu
weichen, vgl. die beiſpiele aus vierter decl.; mit denen auf
-ia, -ius wird kaum zuſammengeſetzt, in tibî-cen geht
der lange vocal aus tibi-i-cen hervor, warum aber kur-
zer in medi-dies, medi-terraneus, medi-tullium? Zuwei-
len verſchlingt aber auch -u den bindelaut, man findet
arcu-potens, cornu-peta, doch acu-pictus, manu-factus,
manu-miſſus, manu-ſcriptus ſind vielmehr uneigentliche
compoſita, aus dem angerückten abl. ſg. erwachſen, ſowie
manu-pretium f. manus pretium ſteht, ich weiß nicht,
ob domuitio f. domum itio? Zeigt qu- in hirqui-tallus,
ſterqui-linium (neben hirci-tallus) ableitendes -u an?
ſolche -qui könnte man ſich auch bei zuſ. ſetzung von
acus, arcus, pecus, ſpecus, lacus, quercus etc. denken;
es kommen keine vor. 5) bisweilen iſt das erſte wort
dunkel oder unſicher, z. b. aru-ſpex oder haru-ſpex (vgl.
au-Ipex f. avi-ſpex) meri-dies (von merns? oder f.
medi-?) mani-feſtus (von manus? vgl. hand-greiflich) gaju-
gena, u. a. m. mulci-ber gehört nicht hierher, ſ. unten.
6) wie im deutſchen (ſ. 666. 667.) zeugt die compoſition
adjectiva aus ſubſt. und ſowohl ohne ableitung (levi-
ſomnus, magn-animus, hirci-pilus, longi-pes, miſeri-
cors) als mit ableitendem -i: puſill-animis, parvi-collis,
vgl. die partikelcomp. im-berbis, im-bellis, de-pilis etc.
7) können verba eigentlich zuſ. geſetzt werden? in der
regel ſcheinen fie nur herleitbar aus componierten nomi-
nibus folglich tergi-verſor ein tergi-verſus vorausſetzend;
compoſition r it partic. (wie alti-volans, omni-medens)

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[968/0986] III. compoſition. ſchlußbemerkungen. goth. tánï f. tavi. 3) die ableitungsbuchſlaben bleiben in dem erſten wort, wie die aus der dritten decl. gegebnen beiſpiele zeigen. Man kann daraus lernen, was zur flexion gehört oder nicht, und daß pons, pietas ſtehen für pont-s, pietat-s. Doppelformen wie lapidi-cida und lapi-cida gründen ſich auf ein doppeltes lapid-s und lap- is, vulni-ſer, vulni-ficus auf eine ältere form die im gen. kein -__ einſchob. Bemerkenswerth iſt das wegbleibende -in bei homi-cidium ſangni-ſuga, nicht homini-cidium, ſanguini-ſuga, wie im goth. guma-kunds ſtehet, weil im deutſchen das -n offenbar flexion iſt, nämlich princip der ſchwachen (vgl. oben ſ. 538.). Ich entſinne mich keines ſolchen lat. -in, das bei der compoſ. haftete (das nachher anzuführende ſemini-verbius iſt ſpätere bildung), in die ableitungen geht es häufig ein, graminoſus, ſemi- noſus, ominoſus etc. Die natur dieſer formel ſcheint von altersher ſchwankend bald derivativiſch, bald flexiviſch. 4) ableitende -i und -u pflegen dem comp. vocal zu weichen, vgl. die beiſpiele aus vierter decl.; mit denen auf -ia, -ius wird kaum zuſammengeſetzt, in tibî-cen geht der lange vocal aus tibi-i-cen hervor, warum aber kur- zer in medi-dies, medi-terraneus, medi-tullium? Zuwei- len verſchlingt aber auch -u den bindelaut, man findet arcu-potens, cornu-peta, doch acu-pictus, manu-factus, manu-miſſus, manu-ſcriptus ſind vielmehr uneigentliche compoſita, aus dem angerückten abl. ſg. erwachſen, ſowie manu-pretium f. manus pretium ſteht, ich weiß nicht, ob domuitio f. domum itio? Zeigt qu- in hirqui-tallus, ſterqui-linium (neben hirci-tallus) ableitendes -u an? ſolche -qui könnte man ſich auch bei zuſ. ſetzung von acus, arcus, pecus, ſpecus, lacus, quercus etc. denken; es kommen keine vor. 5) bisweilen iſt das erſte wort dunkel oder unſicher, z. b. aru-ſpex oder haru-ſpex (vgl. au-Ipex f. avi-ſpex) meri-dies (von merns? oder f. medi-?) mani-feſtus (von manus? vgl. hand-greiflich) gaju- gena, u. a. m. mulci-ber gehört nicht hierher, ſ. unten. 6) wie im deutſchen (ſ. 666. 667.) zeugt die compoſition adjectiva aus ſubſt. und ſowohl ohne ableitung (levi- ſomnus, magn-animus, hirci-pilus, longi-pes, miſeri- cors) als mit ableitendem -i: puſill-animis, parvi-collis, vgl. die partikelcomp. im-berbis, im-bellis, de-pilis etc. 7) können verba eigentlich zuſ. geſetzt werden? in der regel ſcheinen fie nur herleitbar aus componierten nomi- nibus folglich tergi-verſor ein tergi-verſus vorausſetzend; compoſition r it partic. (wie alti-volans, omni-medens)

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 968. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/986>, abgerufen am 25.11.2024.