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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. composition. schlußbemerkungen.
wein-berg, wasch-frau, melk-faß; societas, puritas, justi-
tia, dominium vor unserm gesell-schaft, rein-heit, gerech-
tig-keit, eigen-thum, weil hier lauter einfache begriffe
gemeint sind. Unzusammengesetzte wörter geben sich
leichter zur ableitung und fortzusammensetzung her;
aus compositis werden nicht gern ableitungen gebildet
und schwerfällige decomposita, z. b. herus durch haus-
herr übersetzt, klingt hausherrisch f. herilis schon steif
und wie sollen wir sagen für heri-fuga? pluviosus,
pluvialis läßt sich in regen-haft verdeutschen, nicht aber
imbricus in platz-regen-haft ohne ziererei. Manche un-
serer zusammensetzungen scheinen eine nach schädlicher
verwilderung erfolgte sprachausbildung zu verrathen;
einzelnen haftete zuerst etwas unedles an (s. 937. 941. 942.),
bevor sie gebrauch und bedürfnis annehmlich machten.
Die lichtseite der deutschen composition habe ich durch
darstellung ihres unerschöpflichen reichthums und ihrer
vielfachen abstufung aufgedeckt.

4) bei vergleichung fremder sprachen ist mir das an-
gelegenste, auch in ihnen den compositionsvocal als sol-
chen
nachzuweisen. Von ihm hängt, wie bei uns, alle
eigentliche zusammensetzung ab. Es ist, wie im deut-
schen, immer ein kurzer vocal.

a) im latein -i; daß es kein casus-i sein kann folgt
aus seiner verwendung hinter allen nominibus jeder decl.
und jedes geschlechts, auch solchen, die nur im plur.
gelten. Beispiele aus der ersten decl.: stilli-cidium, silvi-cola,
terri-cola, virgi-demia (wie vin-demia, a demendo), causi-
dicus, aquili-fer, bacci-fer, flammi-fer, furci-ser, gemmi-fer,
herbi-fer, stelli-fer, sagitti-fer, squami-fer, umbri-fer,
lani-ficus, aqui-folium, terri-gena, ali-ger, barbi-ger,
cristi-ger, lani-ger, penni-ger, stelli-ger, nugi-gerulus,
herbi-gradus, aqui-legium, spici-legium, capri-mulgus,
equi-mulgus, sagitti-potens. Aus der zweiten: galli-
cinium, ligni-cida, auri-ser, anni-ser, belli-ser, caduci-
fer, leti-fer, ostri-fer, somni-fer, signi-fer, tauri-fer, veli-
ser, vini-fer, racemi-fer, lucri-ficus, dei-ficus (wie dei-
loquus, dei-para, im mittellat.), veli-ficus, auri-sodina,
argenti-sodina, auri-fur, coeli-gena, armi-ger, belli-ger,
armi-lustrium, hirci-pes, soni-pes, lucri-peta, hirci-pilus,
armi-potens, belli-potens, vini-potor, foeni-secium, lecti-
sternium. Aus der dritten: muni-ceps, muri-ceps, parti-
ceps, homi-cida, insanti-cida, lapidi-cida und lapi-cida
(vom alten lapis, gen. lapis) matri-cida, parri-cida (s. patri-
c.) regi-cida, muri-cidus (bei Plaut. ein feigling, maus-

III. compoſition. ſchlußbemerkungen.
wein-berg, waſch-frau, melk-faß; ſocietas, puritas, juſti-
tia, dominium vor unſerm geſell-ſchaft, rein-heit, gerech-
tig-keit, eigen-thum, weil hier lauter einfache begriffe
gemeint ſind. Unzuſammengeſetzte wörter geben ſich
leichter zur ableitung und fortzuſammenſetzung her;
aus compoſitis werden nicht gern ableitungen gebildet
und ſchwerfällige decompoſita, z. b. herus durch haus-
herr überſetzt, klingt hausherriſch f. herilis ſchon ſteif
und wie ſollen wir ſagen für heri-fuga? pluvioſus,
pluvialis läßt ſich in regen-haft verdeutſchen, nicht aber
imbricus in platz-regen-haft ohne ziererei. Manche un-
ſerer zuſammenſetzungen ſcheinen eine nach ſchädlicher
verwilderung erfolgte ſprachausbildung zu verrathen;
einzelnen haftete zuerſt etwas unedles an (ſ. 937. 941. 942.),
bevor ſie gebrauch und bedürfnis annehmlich machten.
Die lichtſeite der deutſchen compoſition habe ich durch
darſtellung ihres unerſchöpflichen reichthums und ihrer
vielfachen abſtufung aufgedeckt.

4) bei vergleichung fremder ſprachen iſt mir das an-
gelegenſte, auch in ihnen den compoſitionsvocal als ſol-
chen
nachzuweiſen. Von ihm hängt, wie bei uns, alle
eigentliche zuſammenſetzung ab. Es iſt, wie im deut-
ſchen, immer ein kurzer vocal.

a) im latein -i; daß es kein caſus-i ſein kann folgt
aus ſeiner verwendung hinter allen nominibus jeder decl.
und jedes geſchlechts, auch ſolchen, die nur im plur.
gelten. Beiſpiele aus der erſten decl.: ſtilli-cidium, ſilvi-cola,
terri-cola, virgi-demia (wie vin-demia, a demendo), cauſi-
dicus, aquili-fer, bacci-fer, flammi-fer, furci-ſer, gemmi-fer,
herbi-fer, ſtelli-fer, ſagitti-fer, ſquami-fer, umbri-fer,
lani-ficus, aqui-folium, terri-gena, ali-ger, barbi-ger,
criſti-ger, lani-ger, penni-ger, ſtelli-ger, nugi-gerulus,
herbi-gradus, aqui-legium, ſpici-legium, capri-mulgus,
equi-mulgus, ſagitti-potens. Aus der zweiten: galli-
cinium, ligni-cida, auri-ſer, anni-ſer, belli-ſer, caduci-
fer, leti-fer, oſtri-fer, ſomni-fer, ſigni-fer, tauri-fer, veli-
ſer, vini-fer, racemi-fer, lucri-ficus, dei-ficus (wie dei-
loquus, dei-para, im mittellat.), veli-ficus, auri-ſodina,
argenti-ſodina, auri-fur, coeli-gena, armi-ger, belli-ger,
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armi-potens, belli-potens, vini-potor, foeni-ſecium, lecti-
ſternium. Aus der dritten: muni-ceps, muri-ceps, parti-
ceps, homi-cida, inſanti-cida, lapidi-cida und lapi-cida
(vom alten lapis, gen. lapis) matri-cida, parri-cida (ſ. patri-
c.) regi-cida, muri-cidus (bei Plaut. ein feigling, maus-

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[966/0984] III. compoſition. ſchlußbemerkungen. wein-berg, waſch-frau, melk-faß; ſocietas, puritas, juſti- tia, dominium vor unſerm geſell-ſchaft, rein-heit, gerech- tig-keit, eigen-thum, weil hier lauter einfache begriffe gemeint ſind. Unzuſammengeſetzte wörter geben ſich leichter zur ableitung und fortzuſammenſetzung her; aus compoſitis werden nicht gern ableitungen gebildet und ſchwerfällige decompoſita, z. b. herus durch haus- herr überſetzt, klingt hausherriſch f. herilis ſchon ſteif und wie ſollen wir ſagen für heri-fuga? pluvioſus, pluvialis läßt ſich in regen-haft verdeutſchen, nicht aber imbricus in platz-regen-haft ohne ziererei. Manche un- ſerer zuſammenſetzungen ſcheinen eine nach ſchädlicher verwilderung erfolgte ſprachausbildung zu verrathen; einzelnen haftete zuerſt etwas unedles an (ſ. 937. 941. 942.), bevor ſie gebrauch und bedürfnis annehmlich machten. Die lichtſeite der deutſchen compoſition habe ich durch darſtellung ihres unerſchöpflichen reichthums und ihrer vielfachen abſtufung aufgedeckt. 4) bei vergleichung fremder ſprachen iſt mir das an- gelegenſte, auch in ihnen den compoſitionsvocal als ſol- chen nachzuweiſen. Von ihm hängt, wie bei uns, alle eigentliche zuſammenſetzung ab. Es iſt, wie im deut- ſchen, immer ein kurzer vocal. a) im latein -i; daß es kein caſus-i ſein kann folgt aus ſeiner verwendung hinter allen nominibus jeder decl. und jedes geſchlechts, auch ſolchen, die nur im plur. gelten. Beiſpiele aus der erſten decl.: ſtilli-cidium, ſilvi-cola, terri-cola, virgi-demia (wie vin-demia, a demendo), cauſi- dicus, aquili-fer, bacci-fer, flammi-fer, furci-ſer, gemmi-fer, herbi-fer, ſtelli-fer, ſagitti-fer, ſquami-fer, umbri-fer, lani-ficus, aqui-folium, terri-gena, ali-ger, barbi-ger, criſti-ger, lani-ger, penni-ger, ſtelli-ger, nugi-gerulus, herbi-gradus, aqui-legium, ſpici-legium, capri-mulgus, equi-mulgus, ſagitti-potens. Aus der zweiten: galli- cinium, ligni-cida, auri-ſer, anni-ſer, belli-ſer, caduci- fer, leti-fer, oſtri-fer, ſomni-fer, ſigni-fer, tauri-fer, veli- ſer, vini-fer, racemi-fer, lucri-ficus, dei-ficus (wie dei- loquus, dei-para, im mittellat.), veli-ficus, auri-ſodina, argenti-ſodina, auri-fur, coeli-gena, armi-ger, belli-ger, armi-luſtrium, hirci-pes, ſoni-pes, lucri-peta, hirci-pilus, armi-potens, belli-potens, vini-potor, foeni-ſecium, lecti- ſternium. Aus der dritten: muni-ceps, muri-ceps, parti- ceps, homi-cida, inſanti-cida, lapidi-cida und lapi-cida (vom alten lapis, gen. lapis) matri-cida, parri-cida (ſ. patri- c.) regi-cida, muri-cidus (bei Plaut. ein feigling, maus-

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 966. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/984>, abgerufen am 25.11.2024.