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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. zahlwörtercomposita.
niun-zehende, nicht dritte-z. niunde-z. und bereit sN
gibt l. c. neben dritte-zendo, fier-zendo, funf-zendo.

2) die ordinalien XX-XC, mit superlativischer endung
aus den cardin. deriviert, drücken in der alten sprache
die geringere zahl gleichfalls mit ordin. aus, z. b. ahd.
finsto-dreizugosto (trigesimus quintus) K. 32b, wo finsto
beinah ungebunden scheint, da es auch nachstehen dürste:
dreizugosto finsto, wie sinf-zugosto sehsto, siorzugosto ande-
rer, ahtozogosto niunto K. 32b. Altn. wird sie nachge-
setzt und die copula dazwischen: tuttugasti ok syrsti (vi-
gesimus primus). Nhd. aber: der ein-und-zwanzigste, neun-
und-neunzigste und nicht mehr: der zwanzigste und erste,
neunzigste und neunte, außer in poetischer umschreibung.

II) composition der zahlen mit andern wörtrn.

A. ordinalien binden sich mit den adj. halb und selb,
jenem voran, diesem nachstehend.

1) die einem cardinalzahlbegriff hinzutretende hälfte,
z. b. ein und ein halb, zwei und ein halb, drei und ein
halb etc. pflegt durch die folgende ordinalzahl und das
nachgesetzte halb ausgedruckt zu werden: ander-halb
(wofür wir unrichtig sagen andert-halb, von der analogie
der übrigen verführt) dritt-halb (21/2), viert-halb (31/2) etc.;
denn es ist dem sinne nach einerlei, ob man das halbe
abstract hinzusüge oder sich als einen theil der nächsten
zahl denke *). Belege fürs mhd. vierde-halp Nib. 1778.
4438. fünfte-halp Nib. 5093; ein unbelegliches ahd. andar-
halp (sesqui) dritto-halp etc. bezweifle ich nicht, laße aber
unentschieden, ob das erste wort. wie im mhd., seine
flexion verliert. Zu den ags. oder-healf, thridde-healf,
feoverde-healf etc. gibt Lye belegstellen. Altn. wird das
adj. ungebunden und flexibel vorausgeschickt: halfr an-
narr (sesquialter) halfr thridi etc. ebenso dän. aber gebun-
den: halv-anden, halv-tredje, halv-fierde etc.

2) zu bezeichnen, in gesellschaft oder begleitung von
wie vielen sich einer befinde, wird statt der cardinalis
für diese zahl die folgende ordinalis genommen und selb-
vorausgeschickt, z. b. selb-ander bedeutet: einer mit einem
andern, selb-dreizehnter: einer mit zwölfen, d. h. die
hauptperson, von welcher geredet wird, eingerechnet,
sind es zwei, dreizehn. Daß hier erst später composition
aus bloßer apposition erwachse, beweist theils die zwi-

*) man vergleiche die zwar sinnliche, aber ungesüge dänische
(nicht schwedische) umschreibung der cardinalzahl 50. 70. 90.

III. zahlwörtercompoſita.
niun-zëhende, nicht dritte-z. niunde-z. und bereit sN
gibt l. c. neben dritte-zêndo, fier-zêndo, funf-zêndo.

2) die ordinalien XX-XC, mit ſuperlativiſcher endung
aus den cardin. deriviert, drücken in der alten ſprache
die geringere zahl gleichfalls mit ordin. aus, z. b. ahd.
finſto-drîzugôſto (trigeſimus quintus) K. 32b, wo finſto
beinah ungebunden ſcheint, da es auch nachſtehen dürſte:
drîzugôſto finſto, wie ſinf-zugôſto ſëhſto, ſiorzugôſto ande-
rêr, ahtozogôſto niunto K. 32b. Altn. wird ſie nachge-
ſetzt und die copula dazwiſchen: tuttugaſti ok ſyrſti (vi-
geſimus primus). Nhd. aber: der ein-und-zwanzigſte, neun-
und-neunzigſte und nicht mehr: der zwanzigſte und erſte,
neunzigſte und neunte, außer in poetiſcher umſchreibung.

II) compoſition der zahlen mit andern wörtrn.

A. ordinalien binden ſich mit den adj. halb und ſelb,
jenem voran, dieſem nachſtehend.

1) die einem cardinalzahlbegriff hinzutretende hälfte,
z. b. ein und ein halb, zwei und ein halb, drei und ein
halb etc. pflegt durch die folgende ordinalzahl und das
nachgeſetzte halb ausgedruckt zu werden: ander-halb
(wofür wir unrichtig ſagen andert-halb, von der analogie
der übrigen verführt) dritt-halb (2½), viert-halb (3½) etc.;
denn es iſt dem ſinne nach einerlei, ob man das halbe
abſtract hinzuſüge oder ſich als einen theil der nächſten
zahl denke *). Belege fürs mhd. vierde-halp Nib. 1778.
4438. fünfte-halp Nib. 5093; ein unbelegliches ahd. andar-
halp (ſeſqui) dritto-halp etc. bezweifle ich nicht, laße aber
unentſchieden, ob das erſte wort. wie im mhd., ſeine
flexion verliert. Zu den agſ. oðer-hëalf, þridde-hëalf,
fëóverðe-hëalf etc. gibt Lye belegſtellen. Altn. wird das
adj. ungebunden und flexibel vorausgeſchickt: hâlfr an-
narr (ſeſquialter) hâlfr þridi etc. ebenſo dän. aber gebun-
den: halv-anden, halv-tredje, halv-fierde etc.

2) zu bezeichnen, in geſellſchaft oder begleitung von
wie vielen ſich einer befinde, wird ſtatt der cardinalis
für dieſe zahl die folgende ordinalis genommen und ſelb-
vorausgeſchickt, z. b. ſelb-ander bedeutet: einer mit einem
andern, ſelb-dreizehnter: einer mit zwölfen, d. h. die
hauptperſon, von welcher geredet wird, eingerechnet,
ſind es zwei, dreizehn. Daß hier erſt ſpäter compoſition
aus bloßer appoſition erwachſe, beweiſt theils die zwi-

*) man vergleiche die zwar ſinnliche, aber ungeſüge däniſche
(nicht ſchwediſche) umſchreibung der cardinalzahl 50. 70. 90.
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[950/0968] III. zahlwörtercompoſita. niun-zëhende, nicht dritte-z. niunde-z. und bereit sN gibt l. c. neben dritte-zêndo, fier-zêndo, funf-zêndo. 2) die ordinalien XX-XC, mit ſuperlativiſcher endung aus den cardin. deriviert, drücken in der alten ſprache die geringere zahl gleichfalls mit ordin. aus, z. b. ahd. finſto-drîzugôſto (trigeſimus quintus) K. 32b, wo finſto beinah ungebunden ſcheint, da es auch nachſtehen dürſte: drîzugôſto finſto, wie ſinf-zugôſto ſëhſto, ſiorzugôſto ande- rêr, ahtozogôſto niunto K. 32b. Altn. wird ſie nachge- ſetzt und die copula dazwiſchen: tuttugaſti ok ſyrſti (vi- geſimus primus). Nhd. aber: der ein-und-zwanzigſte, neun- und-neunzigſte und nicht mehr: der zwanzigſte und erſte, neunzigſte und neunte, außer in poetiſcher umſchreibung. II) compoſition der zahlen mit andern wörtrn. A. ordinalien binden ſich mit den adj. halb und ſelb, jenem voran, dieſem nachſtehend. 1) die einem cardinalzahlbegriff hinzutretende hälfte, z. b. ein und ein halb, zwei und ein halb, drei und ein halb etc. pflegt durch die folgende ordinalzahl und das nachgeſetzte halb ausgedruckt zu werden: ander-halb (wofür wir unrichtig ſagen andert-halb, von der analogie der übrigen verführt) dritt-halb (2½), viert-halb (3½) etc.; denn es iſt dem ſinne nach einerlei, ob man das halbe abſtract hinzuſüge oder ſich als einen theil der nächſten zahl denke *). Belege fürs mhd. vierde-halp Nib. 1778. 4438. fünfte-halp Nib. 5093; ein unbelegliches ahd. andar- halp (ſeſqui) dritto-halp etc. bezweifle ich nicht, laße aber unentſchieden, ob das erſte wort. wie im mhd., ſeine flexion verliert. Zu den agſ. oðer-hëalf, þridde-hëalf, fëóverðe-hëalf etc. gibt Lye belegſtellen. Altn. wird das adj. ungebunden und flexibel vorausgeſchickt: hâlfr an- narr (ſeſquialter) hâlfr þridi etc. ebenſo dän. aber gebun- den: halv-anden, halv-tredje, halv-fierde etc. 2) zu bezeichnen, in geſellſchaft oder begleitung von wie vielen ſich einer befinde, wird ſtatt der cardinalis für dieſe zahl die folgende ordinalis genommen und ſelb- vorausgeſchickt, z. b. ſelb-ander bedeutet: einer mit einem andern, ſelb-dreizehnter: einer mit zwölfen, d. h. die hauptperſon, von welcher geredet wird, eingerechnet, ſind es zwei, dreizehn. Daß hier erſt ſpäter compoſition aus bloßer appoſition erwachſe, beweiſt theils die zwi- *) man vergleiche die zwar ſinnliche, aber ungeſüge däniſche (nicht ſchwediſche) umſchreibung der cardinalzahl 50. 70. 90.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 950. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/968>, abgerufen am 19.05.2024.