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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. partikelcomp. -- untr. part. mit verb.
wahrscheinlich, daß im höheren alterthum auch die nord.
mundart untrennb. part. besaß; allein strengen beweis
dafür geben sie nicht. Es ist denkbar, daß die verschie-
denheiten der bedeutung schon im einfachen verbo gele-
gen haben.

4) der mangel dieser partikeln trägt allerdings bei zu
der kürze und leichteren bewegung, die dem altn. dialect
vor allen andern deutschen eigen ist. Dafür gehen ihm
zwei vorzüge ab, welche die partikelcomposition mit sich
führt. Einmahl die feinere deutlichkeit und bildung in
fällen, wo unterschiede der bedeutung an den partikeln
hängen. Dann die dem dichter willkommne freie wahl
zwischen der zus. gesetzten und einfachen sorm, da wo
beide gleichbedeutig sind. Nachtheil und vortheil wiegen
sich ungefähr auf.

5) manche zusammensetzungen mit untrennbarer par-
tikel gelten allmählig nicht durch das ganze verbum und
zwar nicht im praesens wohl aber im praet., oft nur im
partic. praet. Hauptsächlich trifft es die partikeln be-,
ge-, er-, ver-, seltner ent- und kaum zer-; unter allen
am meisten das ge-. So sagen wir heute unbedenklich:
er verstarb, verschied an der krankheit, verblieb zu
hause, das wort erstarb ihm auf der zunge; hingegen er
stirbt, bleibt da, das wort stirbt ihm. Ahd. und mhd.
stehet gi- gern vor praeteritis, unhäufiger im praes. z. b.
gesprach Jw. 3b gesach Jw. 3[o] genam Parc. 41b getwuoc
Parc. 133b gestieß Parc. 135b gesluoc Trist. 9204. giquad
O. IV. 22, 1. andere beispiele s. 843. 844; ich finde be-
ran Gudr. 73b beswief fr. bell. 21a, kein berinnet, be-
sweifet. Die partikeln scheinen wenigstens den begriff
der dauer (der vollbringung meine ich) zu stärken, dem
unbestimmten conjunctiv und insinitiv aber seltner zu
gebühren, als dem indicativ, vgl. s. 844. das ahd. bari inti
gibar. Viel entschiedner ist die einschränkung auf das
part. praet. vgl. die mhd. bedrungen Wig. 32. Bit. 122b
erborn, erbolgen, erschoben (s. 821.); die nhd. beschaffen,
belesen (s. 808.) beeist, behaftet, beherzt, bejahrt, be-
kannt (notus, versch. von bekannt confessus), beleibt,
betagt, bethränt; entseelt, entwachsen; erpicht, erboßt,
erlogen, erstunken (s. 827.); verschämt, verwandt (con-
junctus, versch. von verwandt = angewandt) verschie-
den (diversus) u. a. m., von dem ge- ist ausgeführt wor-
den, nicht nur daß es zu den part. praet. aller verba
tritt, die es sonst nicht haben, sondern daß es auch von

III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
wahrſcheinlich, daß im höheren alterthum auch die nord.
mundart untrennb. part. beſaß; allein ſtrengen beweis
dafür geben ſie nicht. Es iſt denkbar, daß die verſchie-
denheiten der bedeutung ſchon im einfachen verbo gele-
gen haben.

4) der mangel dieſer partikeln trägt allerdings bei zu
der kürze und leichteren bewegung, die dem altn. dialect
vor allen andern deutſchen eigen iſt. Dafür gehen ihm
zwei vorzüge ab, welche die partikelcompoſition mit ſich
führt. Einmahl die feinere deutlichkeit und bildung in
fällen, wo unterſchiede der bedeutung an den partikeln
hängen. Dann die dem dichter willkommne freie wahl
zwiſchen der zuſ. geſetzten und einfachen ſorm, da wo
beide gleichbedeutig ſind. Nachtheil und vortheil wiegen
ſich ungefähr auf.

5) manche zuſammenſetzungen mit untrennbarer par-
tikel gelten allmählig nicht durch das ganze verbum und
zwar nicht im praeſens wohl aber im praet., oft nur im
partic. praet. Hauptſächlich trifft es die partikeln be-,
ge-, er-, ver-, ſeltner ent- und kaum zer-; unter allen
am meiſten das ge-. So ſagen wir heute unbedenklich:
er verſtarb, verſchied an der krankheit, verblieb zu
hauſe, das wort erſtarb ihm auf der zunge; hingegen er
ſtirbt, bleibt da, das wort ſtirbt ihm. Ahd. und mhd.
ſtehet gi- gern vor praeteritis, unhäufiger im praeſ. z. b.
geſprach Jw. 3b geſach Jw. 3[o] genam Parc. 41b getwuoc
Parc. 133b geſtieƷ Parc. 135b geſluoc Triſt. 9204. giquad
O. IV. 22, 1. andere beiſpiele ſ. 843. 844; ich finde be-
ran Gudr. 73b beſwief fr. bell. 21a, kein berinnet, be-
ſweifet. Die partikeln ſcheinen wenigſtens den begriff
der dauer (der vollbringung meine ich) zu ſtärken, dem
unbeſtimmten conjunctiv und inſinitiv aber ſeltner zu
gebühren, als dem indicativ, vgl. ſ. 844. das ahd. bâri inti
gibar. Viel entſchiedner iſt die einſchränkung auf das
part. praet. vgl. die mhd. bedrungen Wig. 32. Bit. 122b
erborn, erbolgen, erſchoben (ſ. 821.); die nhd. beſchaffen,
beleſen (ſ. 808.) beeiſt, behaftet, beherzt, bejahrt, be-
kannt (notus, verſch. von bekannt confeſſus), beleibt,
betagt, bethränt; entſeelt, entwachſen; erpicht, erboßt,
erlogen, erſtunken (ſ. 827.); verſchämt, verwandt (con-
junctus, verſch. von verwandt = angewandt) verſchie-
den (diverſus) u. a. m., von dem ge- iſt ausgeführt wor-
den, nicht nur daß es zu den part. praet. aller verba
tritt, die es ſonſt nicht haben, ſondern daß es auch von

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[868/0886] III. partikelcomp. — untr. part. mit verb. wahrſcheinlich, daß im höheren alterthum auch die nord. mundart untrennb. part. beſaß; allein ſtrengen beweis dafür geben ſie nicht. Es iſt denkbar, daß die verſchie- denheiten der bedeutung ſchon im einfachen verbo gele- gen haben. 4) der mangel dieſer partikeln trägt allerdings bei zu der kürze und leichteren bewegung, die dem altn. dialect vor allen andern deutſchen eigen iſt. Dafür gehen ihm zwei vorzüge ab, welche die partikelcompoſition mit ſich führt. Einmahl die feinere deutlichkeit und bildung in fällen, wo unterſchiede der bedeutung an den partikeln hängen. Dann die dem dichter willkommne freie wahl zwiſchen der zuſ. geſetzten und einfachen ſorm, da wo beide gleichbedeutig ſind. Nachtheil und vortheil wiegen ſich ungefähr auf. 5) manche zuſammenſetzungen mit untrennbarer par- tikel gelten allmählig nicht durch das ganze verbum und zwar nicht im praeſens wohl aber im praet., oft nur im partic. praet. Hauptſächlich trifft es die partikeln be-, ge-, er-, ver-, ſeltner ent- und kaum zer-; unter allen am meiſten das ge-. So ſagen wir heute unbedenklich: er verſtarb, verſchied an der krankheit, verblieb zu hauſe, das wort erſtarb ihm auf der zunge; hingegen er ſtirbt, bleibt da, das wort ſtirbt ihm. Ahd. und mhd. ſtehet gi- gern vor praeteritis, unhäufiger im praeſ. z. b. geſprach Jw. 3b geſach Jw. 3o genam Parc. 41b getwuoc Parc. 133b geſtieƷ Parc. 135b geſluoc Triſt. 9204. giquad O. IV. 22, 1. andere beiſpiele ſ. 843. 844; ich finde be- ran Gudr. 73b beſwief fr. bell. 21a, kein berinnet, be- ſweifet. Die partikeln ſcheinen wenigſtens den begriff der dauer (der vollbringung meine ich) zu ſtärken, dem unbeſtimmten conjunctiv und inſinitiv aber ſeltner zu gebühren, als dem indicativ, vgl. ſ. 844. das ahd. bâri inti gibar. Viel entſchiedner iſt die einſchränkung auf das part. praet. vgl. die mhd. bedrungen Wig. 32. Bit. 122b erborn, erbolgen, erſchoben (ſ. 821.); die nhd. beſchaffen, beleſen (ſ. 808.) beeiſt, behaftet, beherzt, bejahrt, be- kannt (notus, verſch. von bekannt confeſſus), beleibt, betagt, bethränt; entſeelt, entwachſen; erpicht, erboßt, erlogen, erſtunken (ſ. 827.); verſchämt, verwandt (con- junctus, verſch. von verwandt = angewandt) verſchie- den (diverſus) u. a. m., von dem ge- iſt ausgeführt wor- den, nicht nur daß es zu den part. praet. aller verba tritt, die es ſonſt nicht haben, ſondern daß es auch von

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 868. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/886>, abgerufen am 23.11.2024.