Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

III. partikelcomp. -- untr. part. mit verb.
lung) anzeigend: ver-glasen; ver-kalken; ver-kohlen; ver-
holzen; ver-steinern; ver-wäßern; ver-golden; ver-sil-
bern (bald über-silbern, bald in silber umsetzen); ver-
zuckern; und so auch bei abstractis: ver-göttern, ver-
ketzern, selbst eigennamen: ver-ballhornen etc. wiewohl
mit dem nebensinn der verschlechterung und übertrei-
bung. Einige gelten nur im part. z. b. ver-witwet (ver-
wittibt), ver-waiset. Mhd. ver-affen (zum affen werden)
MS. 1, 89a ver-effen (z. a. machen); ver-geiseln Nib.; ver-
kebesen Nib.; ver-ketzereien MS. 2, 129a; ver-sachen
(zur sache machen) Trist. 6149; ver-schelken En. 89a;
ver-steinen Barl. 387; ver-vendern? MS. 2, 220a, kann
dies mit dem vender (im schachspiel) zus. hängen? zu
dem sinn schickt sich eher verkaufen (vendere); ver-
weisen Nib.; ver-witewen Nib. Man darf auch einzelne
der unter 7. verzeichneten hierher rechnen, z. b. ver-
mosen, ver-hameiten, falls ihnen kein einfaches verbum
zu grunde liegt, z. b. bei ver-rigelen, ver-sigelen band
sich die part. mit rigelen, sigelen. Vielleicht ist beim nhd.
ver-golden, ver-zinnen ehenfalls vom begriff der obduc-
tion auszugehen, nicht der verwandlung. b) verba
aus adj. Kaum aber intransitiva mit dem begriff des
werdens, weil die part. gerade das verwerden ausdrückt
und ver-bleichen, ver-blaßen, ver-sauern, ver-krummen
vielmehr unter 1 oder 2. gehören. Transitiva haben den
begriff des verderbnisses nicht, sondern den der bloßen
verwandlung: ver-beßern; ver-bittern; ver-deutschen;
ver-dichten; ver-dünnen; ver-dunkeln; ver-einzelnen;
ver-eiteln; ver-finstern; ver-größern; ver-güten; ver-
kleinern; ver-kürzen; ver-längern; ver-mindern; ver-
neuern; ver-ringern; ver-schlechtern; ver-schlimmern;
ver-schönern; ver-süßen; ver-übeln; ver-vollkomnen etc.
d. h. beßer, bitter, deutsch machen. Mhd. sind ihrer
weniger: ver-bosen MS. 2, 130b; ver-lützeln Bert. 45;
ver-mueden MS. 2, 167a; ver-stummen MS. 2, 183a; hin-
gegen heißt es: beßern, meren, schoenen etc. -- Be-
merkungen: a) die zus. setzungen mit ver- haben sich
späterhin gemehrt, theils ist das ver- müßig hinzu ge-
treten, theils an die stelle älterer er-. b) die bedeutung
schwankt mehr als bei andern partikeln, welches mit daher
rührt, daß im ver- drei ursprünglich geschiedne begriffe
vermischt sind (goth. fra-, fair-, faur-). Oft steht in
demselben dialect ver- vor demselben verbo mit ganz
abweichendem sinn. So nhd. ver-treiben (expellere)
ver-treiben (consumere); ver-treten (vice alterius fungi)

III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
lung) anzeigend: ver-glaſen; ver-kalken; ver-kohlen; ver-
holzen; ver-ſteinern; ver-wäßern; ver-golden; ver-ſil-
bern (bald über-ſilbern, bald in ſilber umſetzen); ver-
zuckern; und ſo auch bei abſtractis: ver-göttern, ver-
ketzern, ſelbſt eigennamen: ver-ballhornen etc. wiewohl
mit dem nebenſinn der verſchlechterung und übertrei-
bung. Einige gelten nur im part. z. b. ver-witwet (ver-
wittibt), ver-waiſet. Mhd. ver-affen (zum affen werden)
MS. 1, 89a ver-effen (z. a. machen); ver-gîſeln Nib.; ver-
këbeſen Nib.; ver-ketzerîen MS. 2, 129a; ver-ſachen
(zur ſache machen) Triſt. 6149; ver-ſchelken En. 89a;
ver-ſteinen Barl. 387; ver-vendern? MS. 2, 220a, kann
dies mit dem vender (im ſchachſpiel) zuſ. hängen? zu
dem ſinn ſchickt ſich eher verkaufen (vendere); ver-
weiſen Nib.; ver-witewen Nib. Man darf auch einzelne
der unter 7. verzeichneten hierher rechnen, z. b. ver-
moſen, ver-hamîten, falls ihnen kein einfaches verbum
zu grunde liegt, z. b. bei ver-rigelen, ver-ſigelen band
ſich die part. mit rigelen, ſigelen. Vielleicht iſt beim nhd.
ver-golden, ver-zinnen ehenfalls vom begriff der obduc-
tion auszugehen, nicht der verwandlung. b) verba
aus adj. Kaum aber intranſitiva mit dem begriff des
werdens, weil die part. gerade das verwerden ausdrückt
und ver-bleichen, ver-blaßen, ver-ſauern, ver-krummen
vielmehr unter 1 oder 2. gehören. Tranſitiva haben den
begriff des verderbniſſes nicht, ſondern den der bloßen
verwandlung: ver-beßern; ver-bittern; ver-deutſchen;
ver-dichten; ver-dünnen; ver-dunkeln; ver-einzelnen;
ver-eiteln; ver-finſtern; ver-größern; ver-güten; ver-
kleinern; ver-kürzen; ver-längern; ver-mindern; ver-
neuern; ver-ringern; ver-ſchlechtern; ver-ſchlimmern;
ver-ſchönern; ver-ſüßen; ver-übeln; ver-vollkomnen etc.
d. h. beßer, bitter, deutſch machen. Mhd. ſind ihrer
weniger: ver-bôſen MS. 2, 130b; ver-lützeln Bert. 45;
ver-mueden MS. 2, 167a; ver-ſtummen MS. 2, 183a; hin-
gegen heißt es: beƷƷern, mêren, ſchœnen etc. — Be-
merkungen: α) die zuſ. ſetzungen mit ver- haben ſich
ſpäterhin gemehrt, theils iſt das ver- müßig hinzu ge-
treten, theils an die ſtelle älterer er-. β) die bedeutung
ſchwankt mehr als bei andern partikeln, welches mit daher
rührt, daß im ver- drei urſprünglich geſchiedne begriffe
vermiſcht ſind (goth. fra-, faír-, faúr-). Oft ſteht in
demſelben dialect ver- vor demſelben verbo mit ganz
abweichendem ſinn. So nhd. ver-treiben (expellere)
ver-treiben (conſumere); ver-treten (vice alterius fungi)

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0878" n="860"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">III. <hi rendition="#i">partikelcomp. &#x2014; untr. part. mit verb.</hi></hi></fw><lb/>
lung) anzeigend: ver-gla&#x017F;en; ver-kalken; ver-kohlen; ver-<lb/>
holzen; ver-&#x017F;teinern; ver-wäßern; ver-golden; ver-&#x017F;il-<lb/>
bern (bald über-&#x017F;ilbern, bald in &#x017F;ilber um&#x017F;etzen); ver-<lb/>
zuckern; und &#x017F;o auch bei ab&#x017F;tractis: ver-göttern, ver-<lb/>
ketzern, &#x017F;elb&#x017F;t eigennamen: ver-ballhornen etc. wiewohl<lb/>
mit dem neben&#x017F;inn der ver&#x017F;chlechterung und übertrei-<lb/>
bung. Einige gelten nur im part. z. b. ver-witwet (ver-<lb/>
wittibt), ver-wai&#x017F;et. Mhd. ver-affen (zum affen werden)<lb/>
MS. 1, 89<hi rendition="#sup">a</hi> ver-effen (z. a. machen); ver-gî&#x017F;eln Nib.; ver-<lb/>
këbe&#x017F;en Nib.; ver-ketzerîen MS. 2, 129<hi rendition="#sup">a</hi>; ver-&#x017F;achen<lb/>
(zur &#x017F;ache machen) Tri&#x017F;t. 6149; ver-&#x017F;chelken En. 89<hi rendition="#sup">a</hi>;<lb/>
ver-&#x017F;teinen Barl. 387; ver-vendern? MS. 2, 220<hi rendition="#sup">a</hi>, kann<lb/>
dies mit dem vender (im &#x017F;chach&#x017F;piel) zu&#x017F;. hängen? zu<lb/>
dem &#x017F;inn &#x017F;chickt &#x017F;ich eher verkaufen (vendere); ver-<lb/>
wei&#x017F;en Nib.; ver-witewen Nib. Man darf auch einzelne<lb/>
der unter 7. verzeichneten hierher rechnen, z. b. ver-<lb/>
mo&#x017F;en, ver-hamîten, falls ihnen kein einfaches verbum<lb/>
zu grunde liegt, z. b. bei ver-rigelen, ver-&#x017F;igelen band<lb/>
&#x017F;ich die part. mit rigelen, &#x017F;igelen. Vielleicht i&#x017F;t beim nhd.<lb/>
ver-golden, ver-zinnen ehenfalls vom begriff der obduc-<lb/>
tion auszugehen, nicht der verwandlung. b) verba<lb/>
aus adj. Kaum aber intran&#x017F;itiva mit dem begriff des<lb/>
werdens, weil die part. gerade das verwerden ausdrückt<lb/>
und ver-bleichen, ver-blaßen, ver-&#x017F;auern, ver-krummen<lb/>
vielmehr unter 1 oder 2. gehören. Tran&#x017F;itiva haben den<lb/>
begriff des verderbni&#x017F;&#x017F;es nicht, &#x017F;ondern den der bloßen<lb/><hi rendition="#i">verwandlung</hi>: ver-beßern; ver-bittern; ver-deut&#x017F;chen;<lb/>
ver-dichten; ver-dünnen; ver-dunkeln; ver-einzelnen;<lb/>
ver-eiteln; ver-fin&#x017F;tern; ver-größern; ver-güten; ver-<lb/>
kleinern; ver-kürzen; ver-längern; ver-mindern; ver-<lb/>
neuern; ver-ringern; ver-&#x017F;chlechtern; ver-&#x017F;chlimmern;<lb/>
ver-&#x017F;chönern; ver-&#x017F;üßen; ver-übeln; ver-vollkomnen etc.<lb/>
d. h. beßer, bitter, deut&#x017F;ch machen. Mhd. &#x017F;ind ihrer<lb/>
weniger: ver-bô&#x017F;en MS. 2, 130<hi rendition="#sup">b</hi>; ver-lützeln Bert. 45;<lb/>
ver-mueden MS. 2, 167<hi rendition="#sup">a</hi>; ver-&#x017F;tummen MS. 2, 183<hi rendition="#sup">a</hi>; hin-<lb/>
gegen heißt es: be&#x01B7;&#x01B7;ern, mêren, &#x017F;ch&#x0153;nen etc. &#x2014; Be-<lb/>
merkungen: <hi rendition="#i">&#x03B1;</hi>) die zu&#x017F;. &#x017F;etzungen mit ver- haben &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;päterhin gemehrt, theils i&#x017F;t das ver- müßig hinzu ge-<lb/>
treten, theils an die &#x017F;telle älterer er-. <hi rendition="#i">&#x03B2;</hi>) die bedeutung<lb/>
&#x017F;chwankt mehr als bei andern partikeln, welches mit daher<lb/>
rührt, daß im ver- drei ur&#x017F;prünglich ge&#x017F;chiedne begriffe<lb/>
vermi&#x017F;cht &#x017F;ind (goth. fra-, faír-, faúr-). Oft &#x017F;teht in<lb/>
dem&#x017F;elben dialect ver- vor dem&#x017F;elben verbo mit ganz<lb/>
abweichendem &#x017F;inn. So nhd. ver-treiben (expellere)<lb/>
ver-treiben (con&#x017F;umere); ver-treten (vice alterius fungi)<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[860/0878] III. partikelcomp. — untr. part. mit verb. lung) anzeigend: ver-glaſen; ver-kalken; ver-kohlen; ver- holzen; ver-ſteinern; ver-wäßern; ver-golden; ver-ſil- bern (bald über-ſilbern, bald in ſilber umſetzen); ver- zuckern; und ſo auch bei abſtractis: ver-göttern, ver- ketzern, ſelbſt eigennamen: ver-ballhornen etc. wiewohl mit dem nebenſinn der verſchlechterung und übertrei- bung. Einige gelten nur im part. z. b. ver-witwet (ver- wittibt), ver-waiſet. Mhd. ver-affen (zum affen werden) MS. 1, 89a ver-effen (z. a. machen); ver-gîſeln Nib.; ver- këbeſen Nib.; ver-ketzerîen MS. 2, 129a; ver-ſachen (zur ſache machen) Triſt. 6149; ver-ſchelken En. 89a; ver-ſteinen Barl. 387; ver-vendern? MS. 2, 220a, kann dies mit dem vender (im ſchachſpiel) zuſ. hängen? zu dem ſinn ſchickt ſich eher verkaufen (vendere); ver- weiſen Nib.; ver-witewen Nib. Man darf auch einzelne der unter 7. verzeichneten hierher rechnen, z. b. ver- moſen, ver-hamîten, falls ihnen kein einfaches verbum zu grunde liegt, z. b. bei ver-rigelen, ver-ſigelen band ſich die part. mit rigelen, ſigelen. Vielleicht iſt beim nhd. ver-golden, ver-zinnen ehenfalls vom begriff der obduc- tion auszugehen, nicht der verwandlung. b) verba aus adj. Kaum aber intranſitiva mit dem begriff des werdens, weil die part. gerade das verwerden ausdrückt und ver-bleichen, ver-blaßen, ver-ſauern, ver-krummen vielmehr unter 1 oder 2. gehören. Tranſitiva haben den begriff des verderbniſſes nicht, ſondern den der bloßen verwandlung: ver-beßern; ver-bittern; ver-deutſchen; ver-dichten; ver-dünnen; ver-dunkeln; ver-einzelnen; ver-eiteln; ver-finſtern; ver-größern; ver-güten; ver- kleinern; ver-kürzen; ver-längern; ver-mindern; ver- neuern; ver-ringern; ver-ſchlechtern; ver-ſchlimmern; ver-ſchönern; ver-ſüßen; ver-übeln; ver-vollkomnen etc. d. h. beßer, bitter, deutſch machen. Mhd. ſind ihrer weniger: ver-bôſen MS. 2, 130b; ver-lützeln Bert. 45; ver-mueden MS. 2, 167a; ver-ſtummen MS. 2, 183a; hin- gegen heißt es: beƷƷern, mêren, ſchœnen etc. — Be- merkungen: α) die zuſ. ſetzungen mit ver- haben ſich ſpäterhin gemehrt, theils iſt das ver- müßig hinzu ge- treten, theils an die ſtelle älterer er-. β) die bedeutung ſchwankt mehr als bei andern partikeln, welches mit daher rührt, daß im ver- drei urſprünglich geſchiedne begriffe vermiſcht ſind (goth. fra-, faír-, faúr-). Oft ſteht in demſelben dialect ver- vor demſelben verbo mit ganz abweichendem ſinn. So nhd. ver-treiben (expellere) ver-treiben (conſumere); ver-treten (vice alterius fungi)

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/878
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 860. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/878>, abgerufen am 19.05.2024.