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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. partikelcomp. -- untr. part. mit verb.
6, 25. vasjith (vestit) Matth. 6, 30. gavasida Matth. 6, 29;
sitaiva (ambo sedeamus) Marc. 10, 37. gasat (sedit, auf das
fullen) Marc. 11, 4. du bairan jah gibar (pariendi et pe-
perit) Luc. 1, 57. Ahd. zi beranne inti gibar (pariendi
et peperit) T. 4, 9; bari inti gibar (pareret et peperit)
T. 5, 13; beran (parere) O. I. 9, 4. gibarin (parerent) O. III.
20, 12; spenit O. II. 4, 173. gispuan V. 8, 100. Mhd. swer
pfliget oder ie gepflac MS. 1, 147a; so vil so gesanc ie man
MS. 1, 64a; gelas Parc. 78c; gawan brach iedoch den
kranz; do gawan daß reis gebrach Parc. 145b; der gast
sich da gelabte Parc. 40a; gesouch Parc. 113b; als ir der
künec geriet Nib. 2059. vgl. Parc. 81b 121b 126a; swie vil
man gote gediente oder iemen da gesanc Nib. 3389; ge-
lebete Nib. 3404; do er ir rede gehorte Nib. 3476; do
man gaß Wigal. 29. do sei gaßen und gesaßen Wigal.
160; swaß im leides ie gewar Wigal. 278. 309. hingegen
waß leides ir werre Wigal. 92. 183. Mit solchen beispie-
len ließen sich ganze bogen füllen; im nhd. fallen sie
aber völlig weg, es gibt kein wandelbares ge- mehr,
sondern wo es im praet. erlaubt ist, kann es auch
dem praes. nicht mangeln (gehörte, gehört; gestattete,
gestattet), wo es dem praes. mangelt, dem praet. nie ge-
geben werden. Man hat auch die sache nicht so anzuse-
hen, als ob früherhin die part. dem praet. nothwendig
oder für das praes. untauglich gewesen sei. Eine menge
stellen werden sie im goth. ahd. mhd. ebenwohl vor dem
praes. zeigen oder dem praet. abgehen laßen, selbst da,
wo die handlung perfectiv zu nehmen wäre. Bloß eine
merkliche vorneigung der part. zu dem praet. behaupte
ich und glaube übrigens, daß für den ältesten sprach-
stand, wie im nhd., unabhängigkeit des ge- von den tem-
poral unterschieden eintrat. Es hatte dann noch seine
schärfere bedeutung, die keinem tempus entzogen wer-
den durfte, so wenig dies späterhin in allen fällen, wo
sich das compositum durch einen besonderen begriff aus-
zeichnet, oder der spracheigensinn ein vielleicht bedeu-
tungsloses ge fordert, verstattet war. Weil aber das ge-
meistentheils einen ganz geringen nachdruck gab, der sich
mit dem begriff der dauer berührte, so band es die zu-
letzt wieder verfliegende feinheit des sprachgefühls eine
zeitlang doch nie fest und sicher an tempusunterscheidun-
gen. g) durch die betrachtung des ge- vor dem partic.
praet.
wird das gesagte bestätigt. Ursprünglich gebührt
dem einfachen verbo auch im part. praet. einfache form
und die partikel kann nur dann in letzterm erscheinen,

III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
6, 25. vaſjiþ (veſtit) Matth. 6, 30. gavaſida Matth. 6, 29;
ſitáiva (ambo ſedeamus) Marc. 10, 37. gaſat (ſedit, auf das
fullen) Marc. 11, 4. du baíran jah gibar (pariendi et pe-
perit) Luc. 1, 57. Ahd. zi bëranne inti gibar (pariendi
et peperit) T. 4, 9; bâri inti gibar (pareret et peperit)
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20, 12; ſpenit O. II. 4, 173. giſpuan V. 8, 100. Mhd. ſwër
pfliget oder ie gepflac MS. 1, 147a; ſô vil ſô geſanc ie man
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kranz; dô gawân daƷ rîs gebrach Parc. 145b; der gaſt
ſich dâ gelabte Parc. 40a; geſouch Parc. 113b; als ir der
künec geriet Nib. 2059. vgl. Parc. 81b 121b 126a; ſwie vil
man gote gediente oder iemen dâ geſanc Nib. 3389; ge-
lëbete Nib. 3404; dô er ir rede gehôrte Nib. 3476; dô
man gaƷ Wigal. 29. dô ſî gâƷen und geſâƷen Wigal.
160; ſwaƷ im leides ie gewar Wigal. 278. 309. hingegen
waƷ leides ir wërre Wigal. 92. 183. Mit ſolchen beiſpie-
len ließen ſich ganze bogen füllen; im nhd. fallen ſie
aber völlig weg, es gibt kein wandelbares ge- mehr,
ſondern wo es im praet. erlaubt iſt, kann es auch
dem praeſ. nicht mangeln (gehörte, gehört; geſtattete,
geſtattet), wo es dem praeſ. mangelt, dem praet. nie ge-
geben werden. Man hat auch die ſache nicht ſo anzuſe-
hen, als ob früherhin die part. dem praet. nothwendig
oder für das praeſ. untauglich geweſen ſei. Eine menge
ſtellen werden ſie im goth. ahd. mhd. ebenwohl vor dem
praeſ. zeigen oder dem praet. abgehen laßen, ſelbſt da,
wo die handlung perfectiv zu nehmen wäre. Bloß eine
merkliche vorneigung der part. zu dem praet. behaupte
ich und glaube übrigens, daß für den älteſten ſprach-
ſtand, wie im nhd., unabhängigkeit des ge- von den tem-
poral unterſchieden eintrat. Es hatte dann noch ſeine
ſchärfere bedeutung, die keinem tempus entzogen wer-
den durfte, ſo wenig dies ſpäterhin in allen fällen, wo
ſich das compoſitum durch einen beſonderen begriff aus-
zeichnet, oder der ſpracheigenſinn ein vielleicht bedeu-
tungsloſes ge fordert, verſtattet war. Weil aber das ge-
meiſtentheils einen ganz geringen nachdruck gab, der ſich
mit dem begriff der dauer berührte, ſo band es die zu-
letzt wieder verfliegende feinheit des ſprachgefühls eine
zeitlang doch nie feſt und ſicher an tempusunterſcheidun-
gen. γ) durch die betrachtung des ge- vor dem partic.
praet.
wird das geſagte beſtätigt. Urſprünglich gebührt
dem einfachen verbo auch im part. praet. einfache form
und die partikel kann nur dann in letzterm erſcheinen,

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[844/0862] III. partikelcomp. — untr. part. mit verb. 6, 25. vaſjiþ (veſtit) Matth. 6, 30. gavaſida Matth. 6, 29; ſitáiva (ambo ſedeamus) Marc. 10, 37. gaſat (ſedit, auf das fullen) Marc. 11, 4. du baíran jah gibar (pariendi et pe- perit) Luc. 1, 57. Ahd. zi bëranne inti gibar (pariendi et peperit) T. 4, 9; bâri inti gibar (pareret et peperit) T. 5, 13; bëran (parere) O. I. 9, 4. gibârin (parerent) O. III. 20, 12; ſpenit O. II. 4, 173. giſpuan V. 8, 100. Mhd. ſwër pfliget oder ie gepflac MS. 1, 147a; ſô vil ſô geſanc ie man MS. 1, 64a; gelas Parc. 78c; gawân brach iedoch den kranz; dô gawân daƷ rîs gebrach Parc. 145b; der gaſt ſich dâ gelabte Parc. 40a; geſouch Parc. 113b; als ir der künec geriet Nib. 2059. vgl. Parc. 81b 121b 126a; ſwie vil man gote gediente oder iemen dâ geſanc Nib. 3389; ge- lëbete Nib. 3404; dô er ir rede gehôrte Nib. 3476; dô man gaƷ Wigal. 29. dô ſî gâƷen und geſâƷen Wigal. 160; ſwaƷ im leides ie gewar Wigal. 278. 309. hingegen waƷ leides ir wërre Wigal. 92. 183. Mit ſolchen beiſpie- len ließen ſich ganze bogen füllen; im nhd. fallen ſie aber völlig weg, es gibt kein wandelbares ge- mehr, ſondern wo es im praet. erlaubt iſt, kann es auch dem praeſ. nicht mangeln (gehörte, gehört; geſtattete, geſtattet), wo es dem praeſ. mangelt, dem praet. nie ge- geben werden. Man hat auch die ſache nicht ſo anzuſe- hen, als ob früherhin die part. dem praet. nothwendig oder für das praeſ. untauglich geweſen ſei. Eine menge ſtellen werden ſie im goth. ahd. mhd. ebenwohl vor dem praeſ. zeigen oder dem praet. abgehen laßen, ſelbſt da, wo die handlung perfectiv zu nehmen wäre. Bloß eine merkliche vorneigung der part. zu dem praet. behaupte ich und glaube übrigens, daß für den älteſten ſprach- ſtand, wie im nhd., unabhängigkeit des ge- von den tem- poral unterſchieden eintrat. Es hatte dann noch ſeine ſchärfere bedeutung, die keinem tempus entzogen wer- den durfte, ſo wenig dies ſpäterhin in allen fällen, wo ſich das compoſitum durch einen beſonderen begriff aus- zeichnet, oder der ſpracheigenſinn ein vielleicht bedeu- tungsloſes ge fordert, verſtattet war. Weil aber das ge- meiſtentheils einen ganz geringen nachdruck gab, der ſich mit dem begriff der dauer berührte, ſo band es die zu- letzt wieder verfliegende feinheit des ſprachgefühls eine zeitlang doch nie feſt und ſicher an tempusunterſcheidun- gen. γ) durch die betrachtung des ge- vor dem partic. praet. wird das geſagte beſtätigt. Urſprünglich gebührt dem einfachen verbo auch im part. praet. einfache form und die partikel kann nur dann in letzterm erſcheinen,

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 844. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/862>, abgerufen am 19.05.2024.