f) die nhd. partikel n-eben entspringt aus mhd. en- eben, ahd. in-epan; es ist wie z-war zu betrachten, zeigt aber den weg, auf dem wirkliche composita eben so ent- standen sein können.
g) einzelne mit sl, sm, sn, sk anlautende wurzeln werden verdächtig und scheinen, die dialecte untereinan- der und mit fremden sprachen verglichen, zerlegbar in s-l, s-m, s-n, s-k, dergestalt, daß dieses s überrest einer alten partikel wäre, etwan eines as, is, us, das nach den lautgesetzen der jüngeren sprache alleinstehend in ar, ir, ur übergegangen sein würde. Das gäbe den gegensatz zu dem unter 5, b genannten a- für as, wo der consonant, wie hier der vocal untergegangen ist. Die einleuchtendsten beispiele sind: slicken (schlecken) neben lecken; s-mal (parvus) slav. mali, das s- könnte die bedeutung des lat. ex in ex-iguus haben, vgl. mhd. ur-klein (perparvus); s-melzan (liquere) ags. miltan, und daneben s-mylte (se- renus, ausgelaßen, geschmolzen); ags. s-myrjan (ungere) schmieren, gr. murizein; s-nabel (rostrum) altn. nef (na- sus) ags. neb (vultus); ags. s-neosan (sternutare) engl. s-neeze, nhd. niesen; goth. s-naivs, ahd. s-neo, slav. sn-jeg, litth. s-negas, gr. nips, lat. nix; s-nuor, lat. nurus; s-keinan (lucere) vielleicht verwandt mit keinan (germi- nare?) vgl. us-keinan (erumpere); ahd. s-curz ker. 97. (1, 175.) neben churz, nhd. kurz, ags. s-ceort, engl. s-hort. Ein blindes, d. h. anfänglich bedeutungsloses s ist in der- gleichen fällen schwerlich anzunehmen, hat es aber be- deutung gehabt, diese nur aus einer vorgesetzten partikel zu schöpfen.
h) die von a bis g erläuterten zusammensetzungen *) fordern behutsamkeit, sind nur als ausnahmen zu betrach- ten und nicht nach scheinbarer analogie auf andere wör- ter anzuwenden. Das mhd. freßen z. b. aus ver-eßen zu deuten, stößt sich daran, daß weder ein ahd. fir-eß- ßan, noch ein goth. fra-itan vielmehr freßan, fritan statt- findet. Dürfte man wagen, unser name (nomen), das offen- bar mit nemen (capere) zus. hängt, in der weise von n-eben, aus en-ame, folglich auch n-iman aus in-iman zu leiten? slav. heißt imati (habere, capere) ime (no-
*) es wären noch andere zu bemerken, auf welche die gleiche bedeutung bei vermehrung des consonantischen anlauts führt, z. b. br in broga und oga (terror), prort und ort (margo); k in kare und arc etc.
III. partikelcompoſition. — einleitung.
f) die nhd. partikel n-eben entſpringt aus mhd. ën- ëben, ahd. in-ëpan; es iſt wie z-war zu betrachten, zeigt aber den weg, auf dem wirkliche compoſita eben ſo ent- ſtanden ſein können.
g) einzelne mit ſl, ſm, ſn, ſk anlautende wurzeln werden verdächtig und ſcheinen, die dialecte untereinan- der und mit fremden ſprachen verglichen, zerlegbar in s-l, s-m, s-n, s-k, dergeſtalt, daß dieſes s überreſt einer alten partikel wäre, etwan eines as, is, us, das nach den lautgeſetzen der jüngeren ſprache alleinſtehend in ar, ir, ur übergegangen ſein würde. Das gäbe den gegenſatz zu dem unter 5, β genannten â- für as, wo der conſonant, wie hier der vocal untergegangen iſt. Die einleuchtendſten beiſpiele ſind: ſlicken (ſchlecken) neben lecken; ſ-mal (parvus) ſlav. mali, das ſ- könnte die bedeutung des lat. ex in ex-iguus haben, vgl. mhd. ur-klein (perparvus); ſ-mëlzan (liquere) agſ. miltan, und daneben ſ-mylte (ſe- renus, ausgelaßen, geſchmolzen); agſ. ſ-myrjan (ungere) ſchmieren, gr. μυρίζειν; ſ-nabel (roſtrum) altn. nef (na- ſus) agſ. neb (vultus); agſ. ſ-nëoſan (ſternutare) engl. ſ-neeze, nhd. nieſen; goth. ſ-náivs, ahd. ſ-nêo, ſlav. ſn-jeg, litth. ſ-négas, gr. νίψ, lat. nix; ſ-nuor, lat. nurus; ſ-keinan (lucere) vielleicht verwandt mit keinan (germi- nare?) vgl. us-keinan (erumpere); ahd. ſ-curz ker. 97. (1, 175.) neben churz, nhd. kurz, agſ. ſ-cëort, engl. ſ-hort. Ein blindes, d. h. anfänglich bedeutungsloſes ſ iſt in der- gleichen fällen ſchwerlich anzunehmen, hat es aber be- deutung gehabt, dieſe nur aus einer vorgeſetzten partikel zu ſchöpfen.
h) die von a bis g erläuterten zuſammenſetzungen *) fordern behutſamkeit, ſind nur als ausnahmen zu betrach- ten und nicht nach ſcheinbarer analogie auf andere wör- ter anzuwenden. Das mhd. frëƷƷen z. b. aus ver-ëƷƷen zu deuten, ſtößt ſich daran, daß weder ein ahd. fir-ëƷ- Ʒan, noch ein goth. fra-ïtan vielmehr frëƷƷan, fritan ſtatt- findet. Dürfte man wagen, unſer name (nomen), das offen- bar mit nëmen (capere) zuſ. hängt, in der weiſe von n-ëben, aus ën-ame, folglich auch n-iman aus ïn-iman zu leiten? ſlav. heißt imati (habere, capere) ime (no-
*) es wären noch andere zu bemerken, auf welche die gleiche bedeutung bei vermehrung des conſonantiſchen anlauts führt, z. b. br in brôga und ôga (terror), prort und ort (margo); k in kare und arc etc.
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III. partikelcompoſition. — einleitung.
f) die nhd. partikel n-eben entſpringt aus mhd. ën-
ëben, ahd. in-ëpan; es iſt wie z-war zu betrachten, zeigt
aber den weg, auf dem wirkliche compoſita eben ſo ent-
ſtanden ſein können.
g) einzelne mit ſl, ſm, ſn, ſk anlautende wurzeln
werden verdächtig und ſcheinen, die dialecte untereinan-
der und mit fremden ſprachen verglichen, zerlegbar in
s-l, s-m, s-n, s-k, dergeſtalt, daß dieſes s überreſt einer
alten partikel wäre, etwan eines as, is, us, das nach den
lautgeſetzen der jüngeren ſprache alleinſtehend in ar, ir, ur
übergegangen ſein würde. Das gäbe den gegenſatz zu dem
unter 5, β genannten â- für as, wo der conſonant, wie
hier der vocal untergegangen iſt. Die einleuchtendſten
beiſpiele ſind: ſlicken (ſchlecken) neben lecken; ſ-mal
(parvus) ſlav. mali, das ſ- könnte die bedeutung des lat.
ex in ex-iguus haben, vgl. mhd. ur-klein (perparvus);
ſ-mëlzan (liquere) agſ. miltan, und daneben ſ-mylte (ſe-
renus, ausgelaßen, geſchmolzen); agſ. ſ-myrjan (ungere)
ſchmieren, gr. μυρίζειν; ſ-nabel (roſtrum) altn. nef (na-
ſus) agſ. neb (vultus); agſ. ſ-nëoſan (ſternutare) engl.
ſ-neeze, nhd. nieſen; goth. ſ-náivs, ahd. ſ-nêo, ſlav.
ſn-jeg, litth. ſ-négas, gr. νίψ, lat. nix; ſ-nuor, lat. nurus;
ſ-keinan (lucere) vielleicht verwandt mit keinan (germi-
nare?) vgl. us-keinan (erumpere); ahd. ſ-curz ker. 97.
(1, 175.) neben churz, nhd. kurz, agſ. ſ-cëort, engl. ſ-hort.
Ein blindes, d. h. anfänglich bedeutungsloſes ſ iſt in der-
gleichen fällen ſchwerlich anzunehmen, hat es aber be-
deutung gehabt, dieſe nur aus einer vorgeſetzten partikel
zu ſchöpfen.
h) die von a bis g erläuterten zuſammenſetzungen *)
fordern behutſamkeit, ſind nur als ausnahmen zu betrach-
ten und nicht nach ſcheinbarer analogie auf andere wör-
ter anzuwenden. Das mhd. frëƷƷen z. b. aus ver-ëƷƷen
zu deuten, ſtößt ſich daran, daß weder ein ahd. fir-ëƷ-
Ʒan, noch ein goth. fra-ïtan vielmehr frëƷƷan, fritan ſtatt-
findet. Dürfte man wagen, unſer name (nomen), das offen-
bar mit nëmen (capere) zuſ. hängt, in der weiſe von
n-ëben, aus ën-ame, folglich auch n-iman aus ïn-iman
zu leiten? ſlav. heißt imati (habere, capere) ime (no-
*) es wären noch andere zu bemerken, auf welche die gleiche
bedeutung bei vermehrung des conſonantiſchen anlauts führt, z. b.
br in brôga und ôga (terror), prort und ort (margo); k in kare
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 701. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/719>, abgerufen am 22.11.2024.
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