auch in jenen nicht gefühlt, die das -nt mit recht haben, sonst würde man -nd schreiben, wie im allein stehenden part. In oberdeutschen schriften des 15-17. jahrh. begeg- net die mhd. n-form, z. b. vergeben-l. hoffen-l. lei- den-l. vermeßen-l. ansehen-l. treffen-l. wesen-l. unwesen-l. (inhonestus) Oberl., wofür die heutige sprache: vergeb-l. hoffent-l. leid-l. vermeßent-l. anseh-l. treff-l. wesent-l.
Anmerkungen: a) die poesie meidet solche abstracte wortbildungen, meist vielsilbiger, schleppender form; da- her man sie weder in der Edda, noch bei Cädm. Beov., noch selbst bei O. zu suchen, aber auch aus ihrer selten- heit in gedichten des 13. jh. nicht zu folgern hat, daß sie der mhd. prosa unbekannt gewesen sind.
b) das -lich soll die bedeutung, ohne sie im grunde zu ändern, abstract machen (s. 661.), daher auch wie- derum diese composita gern im adv. stehen. Oft hat das einfache part. praes., schon den sinn der zusammensetzung, vgl. ahd. unarleskenti (inexstinguibilis) T. 13, 24. unzi- ganganti (non deficiens) T. 35, 4; ags. unametende (infi- nitus) unberende (infertilis); altn. oteljandi (innumerabi- lis) ogleymandi (unvergeßlich) oleidandi, otholandi (into- lerabilis).
c) diese bedeutung kann sowohl activ (heilantleih, ter- jantleih) als passiv sein (unarpittantleih, unarwentantleih); in den meisten fällen ist sie durch vorgesetztes -un, o- negativ. Auch pflegt dann das verbum selbst schon mit den partikeln ar- (ags. a-), far-, upar- etc. componiert zu sein.
d) der compositionsvocal ist bereits im ahd. hinter die- sen part. praes. überall geschwunden: heilant-leih, unki- tholentleih für heilanta-leih, unkitholenta-leih.
II. participium praet. st. und schw.
1) in der ältesten dichterischen sprache bindet es sich noch mit lebendigen wörtern. Die beispiele sind haupt- sächlich ags., einige altn., keine goth. und ahd., noch weniger aus der späteren zeit.
auch in jenen nicht gefühlt, die das -nt mit recht haben, ſonſt würde man -nd ſchreiben, wie im allein ſtehenden part. In oberdeutſchen ſchriften des 15-17. jahrh. begeg- net die mhd. n-form, z. b. vergeben-l. hoffen-l. lei- den-l. vermeßen-l. anſehen-l. treffen-l. weſen-l. unweſen-l. (inhoneſtus) Oberl., wofür die heutige ſprache: vergeb-l. hoffent-l. leid-l. vermeßent-l. anſeh-l. treff-l. weſent-l.
Anmerkungen: a) die poeſie meidet ſolche abſtracte wortbildungen, meiſt vielſilbiger, ſchleppender form; da- her man ſie weder in der Edda, noch bei Cädm. Beov., noch ſelbſt bei O. zu ſuchen, aber auch aus ihrer ſelten- heit in gedichten des 13. jh. nicht zu folgern hat, daß ſie der mhd. proſa unbekannt geweſen ſind.
b) das -lich ſoll die bedeutung, ohne ſie im grunde zu ändern, abſtract machen (ſ. 661.), daher auch wie- derum dieſe compoſita gern im adv. ſtehen. Oft hat das einfache part. praeſ., ſchon den ſinn der zuſammenſetzung, vgl. ahd. unarleſkenti (inexſtinguibilis) T. 13, 24. unzi- ganganti (non deficiens) T. 35, 4; agſ. unâmetende (infi- nitus) unbërende (infertilis); altn. ôteljandi (innumerabi- lis) ôgleymandi (unvergeßlich) ôlîdandi, ôþolandi (into- lerabilis).
c) dieſe bedeutung kann ſowohl activ (heilantlîh, ter- jantlîh) als paſſiv ſein (unarpittantlîh, unarwentantlîh); in den meiſten fällen iſt ſie durch vorgeſetztes -un, ô- negativ. Auch pflegt dann das verbum ſelbſt ſchon mit den partikeln ar- (agſ. â-), far-, upar- etc. componiert zu ſein.
d) der compoſitionsvocal iſt bereits im ahd. hinter die- ſen part. praeſ. überall geſchwunden: heilant-lîh, unki- tholêntlîh für heilanta-lîh, unkitholênta-lîh.
II. participium praet. ſt. und ſchw.
1) in der älteſten dichteriſchen ſprache bindet es ſich noch mit lebendigen wörtern. Die beiſpiele ſind haupt- ſächlich agſ., einige altn., keine goth. und ahd., noch weniger aus der ſpäteren zeit.
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III. verbale compoſition. — participiale.
auch in jenen nicht gefühlt, die das -nt mit recht haben,
ſonſt würde man -nd ſchreiben, wie im allein ſtehenden
part. In oberdeutſchen ſchriften des 15-17. jahrh. begeg-
net die mhd. n-form, z. b. vergeben-l. hoffen-l. lei-
den-l. vermeßen-l. anſehen-l. treffen-l. weſen-l. unweſen-l.
(inhoneſtus) Oberl., wofür die heutige ſprache: vergeb-l.
hoffent-l. leid-l. vermeßent-l. anſeh-l. treff-l. weſent-l.
Anmerkungen: a) die poeſie meidet ſolche abſtracte
wortbildungen, meiſt vielſilbiger, ſchleppender form; da-
her man ſie weder in der Edda, noch bei Cädm. Beov.,
noch ſelbſt bei O. zu ſuchen, aber auch aus ihrer ſelten-
heit in gedichten des 13. jh. nicht zu folgern hat, daß ſie
der mhd. proſa unbekannt geweſen ſind.
b) das -lich ſoll die bedeutung, ohne ſie im grunde
zu ändern, abſtract machen (ſ. 661.), daher auch wie-
derum dieſe compoſita gern im adv. ſtehen. Oft hat das
einfache part. praeſ., ſchon den ſinn der zuſammenſetzung,
vgl. ahd. unarleſkenti (inexſtinguibilis) T. 13, 24. unzi-
ganganti (non deficiens) T. 35, 4; agſ. unâmetende (infi-
nitus) unbërende (infertilis); altn. ôteljandi (innumerabi-
lis) ôgleymandi (unvergeßlich) ôlîdandi, ôþolandi (into-
lerabilis).
c) dieſe bedeutung kann ſowohl activ (heilantlîh, ter-
jantlîh) als paſſiv ſein (unarpittantlîh, unarwentantlîh);
in den meiſten fällen iſt ſie durch vorgeſetztes -un, ô-
negativ. Auch pflegt dann das verbum ſelbſt ſchon mit
den partikeln ar- (agſ. â-), far-, upar- etc. componiert
zu ſein.
d) der compoſitionsvocal iſt bereits im ahd. hinter die-
ſen part. praeſ. überall geſchwunden: heilant-lîh, unki-
tholêntlîh für heilanta-lîh, unkitholênta-lîh.
II. participium praet. ſt. und ſchw.
1) in der älteſten dichteriſchen ſprache bindet es ſich
noch mit lebendigen wörtern. Die beiſpiele ſind haupt-
ſächlich agſ., einige altn., keine goth. und ahd., noch
weniger aus der ſpäteren zeit.
Agſ. blonden (mixtus, tinctus, flavus): blonden-fëax
(flavicomus) Cädm. 51. 56. Beov. 121. 135. 141. 219. bol-
gen (iratus, tumidus): bolgen-môd (ſuperbus) Cädm. 79.
Beov. 129. bunden (ligatus): bunden-ſtëfna (navis, eigent-
lich prora ligulis compacta) Beov. 143. vunden (tortus,
tortilis): vunden-fëax (cirratus) Beov. 106. vunden-gold
(aurum affabre factum) Cädm. 42. 45. 46. 89. Beov. 91.
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 691. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/709>, abgerufen am 22.11.2024.
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