III. subst. uneig. comp. -- subst. mit subst. acc.?
dieser später erhalten, so würde nur in wenigen fällen an den acc. gedacht werden können.
3) die täuschung entsprang dadurch, daß nach dem verschwinden des comp. vocals das erste wort dem mei- stentheils flexionslosen acc. sg. ähnlich wurde. Wäre wirklich accusativische comp. eingetreten, so müsten auch solche accusative, die flexion an sich tragen, namentlich schwachformige, in der zus. setzung erscheinen (s. 446.). Allein hierfur läßt sich aus dem ahd. und mhd. schwer- lich ein beispiel vorbringen; seitun-walchun (pedica) zwetl. 128a, ein bedenklicher und vielleicht verderbter ausdruck, scheint mir im ersten wort höchstens den gen. zu enthalten. Nhd. composita wie christen-bekehrer, fah- nen-träger, lauten-schläger wird man noch weniger ein- wenden dürfen, letztere sind entw. genitivisch oder aus fahn-tr. laut-schl. verderbt; das -en in christen scheint der ableitung gehörig. Bei dem ahd. katatrahha-scripo (historiographus) mons. 405. kann bloß zweifelhaft sein, ob das -a comp. vocal, oder genitivisches -a anzuneh- men ist.
4) diesen grundsätzen gemäß sind unter den formeln der eigentl. zus. setzungen aufgezählt worden: baira, baura (s. 486. 487.) fruma (s. 493.) giba (s. 495.) haitja (s. 498.) luga (s. 506.) maurthrja (s. 508.) nima, numja (s. 513.) pflego (s. 513.) qvitha (s. 513.) sagja (s. 518.) slahja (s. 523.) sokja (s. 524.) vaurstvja (s. 535.) welchen sämtlich nur scheinbar leibliche accusative voranstehen. Viele andere beispiele sind ebenso zu beurtheilen.
5) nur in verschiednen, sämtlich neueren, wortbil- dungen läßt sich keine eigentliche composition behaupten, in solchen nämlich, die aus uneigentlich zusammenge- setzten verbis abgeleitet sind. An den inf. und das part. praes. wächst, wie wir hernach sehen werden, der acc. wirklich an und gilt einmahl die verbindung, so hindert nichts, daß man daraus auch masc. auf -er oder abstracte fem. auf -ung weiter bilde. So darf aus eh-brechen, blut-vergießen, haus-halten, land-meßen, theil-nehmen, tag-wählen; hof-halten, dank-sagen etc. freilich geleitet werden: eh-brecher, blut-vergießer, haus-halter, land- meßer, theil-nehmer, tag-wähler; hof-haltung, dank- sagung. Allein hier wird kein subst. mit subst. zus. ge- setzt, sondern das bereits vorhandne infinitivcompositum zur erzeugung von subst. genutzt. Zwischen solchen wörtern und den vorhin genannten, welche für eigent-
III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit ſubſt. acc.?
dieſer ſpäter erhalten, ſo würde nur in wenigen fällen an den acc. gedacht werden können.
3) die täuſchung entſprang dadurch, daß nach dem verſchwinden des comp. vocals das erſte wort dem mei- ſtentheils flexionsloſen acc. ſg. ähnlich wurde. Wäre wirklich accuſativiſche comp. eingetreten, ſo müſten auch ſolche accuſative, die flexion an ſich tragen, namentlich ſchwachformige, in der zuſ. ſetzung erſcheinen (ſ. 446.). Allein hierfur läßt ſich aus dem ahd. und mhd. ſchwer- lich ein beiſpiel vorbringen; ſeitun-walchun (pedica) zwetl. 128a, ein bedenklicher und vielleicht verderbter ausdruck, ſcheint mir im erſten wort höchſtens den gen. zu enthalten. Nhd. compoſita wie chriſten-bekehrer, fah- nen-träger, lauten-ſchläger wird man noch weniger ein- wenden dürfen, letztere ſind entw. genitiviſch oder aus fahn-tr. laut-ſchl. verderbt; das -en in chriſten ſcheint der ableitung gehörig. Bei dem ahd. katâtrahha-ſcripo (hiſtoriographus) monſ. 405. kann bloß zweifelhaft ſein, ob das -a comp. vocal, oder genitiviſches -â anzuneh- men iſt.
4) dieſen grundſätzen gemäß ſind unter den formeln der eigentl. zuſ. ſetzungen aufgezählt worden: baíra, baúra (ſ. 486. 487.) fruma (ſ. 493.) giba (ſ. 495.) háitja (ſ. 498.) luga (ſ. 506.) maúrþrja (ſ. 508.) nima, numja (ſ. 513.) pflëgo (ſ. 513.) qviþa (ſ. 513.) ſagja (ſ. 518.) ſlahja (ſ. 523.) ſôkja (ſ. 524.) vaúrſtvja (ſ. 535.) welchen ſämtlich nur ſcheinbar leibliche accuſative voranſtehen. Viele andere beiſpiele ſind ebenſo zu beurtheilen.
5) nur in verſchiednen, ſämtlich neueren, wortbil- dungen läßt ſich keine eigentliche compoſition behaupten, in ſolchen nämlich, die aus uneigentlich zuſammenge- ſetzten verbis abgeleitet ſind. An den inf. und das part. praeſ. wächſt, wie wir hernach ſehen werden, der acc. wirklich an und gilt einmahl die verbindung, ſo hindert nichts, daß man daraus auch maſc. auf -er oder abſtracte fem. auf -ung weiter bilde. So darf aus eh-brechen, blut-vergießen, haus-halten, land-meßen, theil-nehmen, tag-wählen; hof-halten, dank-ſagen etc. freilich geleitet werden: eh-brecher, blut-vergießer, haus-halter, land- meßer, theil-nehmer, tag-wähler; hof-haltung, dank- ſagung. Allein hier wird kein ſubſt. mit ſubſt. zuſ. ge- ſetzt, ſondern das bereits vorhandne infinitivcompoſitum zur erzeugung von ſubſt. genutzt. Zwiſchen ſolchen wörtern und den vorhin genannten, welche für eigent-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><p><pbfacs="#f0636"n="618"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">III. <hirendition="#i">ſubſt. uneig. comp. —ſubſt. mit ſubſt. acc.?</hi></hi></fw><lb/>
dieſer ſpäter erhalten, ſo würde nur in wenigen fällen<lb/>
an den acc. gedacht werden können.</p><lb/><p>3) die täuſchung entſprang dadurch, daß nach dem<lb/>
verſchwinden des comp. vocals das erſte wort dem mei-<lb/>ſtentheils flexionsloſen acc. ſg. ähnlich wurde. Wäre<lb/>
wirklich accuſativiſche comp. eingetreten, ſo müſten auch<lb/>ſolche accuſative, die flexion an ſich tragen, namentlich<lb/>ſchwachformige, in der zuſ. ſetzung erſcheinen (ſ. 446.).<lb/>
Allein hierfur läßt ſich aus dem ahd. und mhd. ſchwer-<lb/>
lich ein beiſpiel vorbringen; ſeitun-walchun (pedica)<lb/>
zwetl. 128<hirendition="#sup">a</hi>, ein bedenklicher und vielleicht verderbter<lb/>
ausdruck, ſcheint mir im erſten wort höchſtens den gen.<lb/>
zu enthalten. Nhd. compoſita wie chriſten-bekehrer, fah-<lb/>
nen-träger, lauten-ſchläger wird man noch weniger ein-<lb/>
wenden dürfen, letztere ſind entw. genitiviſch oder aus<lb/>
fahn-tr. laut-ſchl. verderbt; das -en in chriſten ſcheint<lb/>
der ableitung gehörig. Bei dem ahd. katâtrahha-ſcripo<lb/>
(hiſtoriographus) monſ. 405. kann bloß zweifelhaft ſein,<lb/>
ob das -a comp. vocal, oder genitiviſches -â anzuneh-<lb/>
men iſt.</p><lb/><p>4) dieſen grundſätzen gemäß ſind unter den formeln<lb/>
der eigentl. zuſ. ſetzungen aufgezählt worden: baíra, baúra<lb/>
(ſ. 486. 487.) fruma (ſ. 493.) giba (ſ. 495.) háitja (ſ. 498.)<lb/>
luga (ſ. 506.) maúrþrja (ſ. 508.) nima, numja (ſ. 513.)<lb/>
pflëgo (ſ. 513.) qviþa (ſ. 513.) ſagja (ſ. 518.) ſlahja (ſ. 523.)<lb/>ſôkja (ſ. 524.) vaúrſtvja (ſ. 535.) welchen ſämtlich nur<lb/>ſcheinbar leibliche accuſative voranſtehen. Viele andere<lb/>
beiſpiele ſind ebenſo zu beurtheilen.</p><lb/><p>5) nur in verſchiednen, ſämtlich neueren, wortbil-<lb/>
dungen läßt ſich keine eigentliche compoſition behaupten,<lb/>
in ſolchen nämlich, die aus uneigentlich zuſammenge-<lb/>ſetzten verbis abgeleitet ſind. An den inf. und das part.<lb/>
praeſ. wächſt, wie wir hernach ſehen werden, der acc.<lb/>
wirklich an und gilt einmahl die verbindung, ſo hindert<lb/>
nichts, daß man daraus auch maſc. auf -er oder abſtracte<lb/>
fem. auf -ung weiter bilde. So darf aus eh-brechen,<lb/>
blut-vergießen, haus-halten, land-meßen, theil-nehmen,<lb/>
tag-wählen; hof-halten, dank-ſagen etc. freilich geleitet<lb/>
werden: eh-brecher, blut-vergießer, haus-halter, land-<lb/>
meßer, theil-nehmer, tag-wähler; hof-haltung, dank-<lb/>ſagung. Allein hier wird kein ſubſt. mit ſubſt. zuſ. ge-<lb/>ſetzt, ſondern das bereits vorhandne infinitivcompoſitum<lb/>
zur erzeugung von ſubſt. genutzt. Zwiſchen ſolchen<lb/>
wörtern und den vorhin genannten, welche für eigent-<lb/></p></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[618/0636]
III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit ſubſt. acc.?
dieſer ſpäter erhalten, ſo würde nur in wenigen fällen
an den acc. gedacht werden können.
3) die täuſchung entſprang dadurch, daß nach dem
verſchwinden des comp. vocals das erſte wort dem mei-
ſtentheils flexionsloſen acc. ſg. ähnlich wurde. Wäre
wirklich accuſativiſche comp. eingetreten, ſo müſten auch
ſolche accuſative, die flexion an ſich tragen, namentlich
ſchwachformige, in der zuſ. ſetzung erſcheinen (ſ. 446.).
Allein hierfur läßt ſich aus dem ahd. und mhd. ſchwer-
lich ein beiſpiel vorbringen; ſeitun-walchun (pedica)
zwetl. 128a, ein bedenklicher und vielleicht verderbter
ausdruck, ſcheint mir im erſten wort höchſtens den gen.
zu enthalten. Nhd. compoſita wie chriſten-bekehrer, fah-
nen-träger, lauten-ſchläger wird man noch weniger ein-
wenden dürfen, letztere ſind entw. genitiviſch oder aus
fahn-tr. laut-ſchl. verderbt; das -en in chriſten ſcheint
der ableitung gehörig. Bei dem ahd. katâtrahha-ſcripo
(hiſtoriographus) monſ. 405. kann bloß zweifelhaft ſein,
ob das -a comp. vocal, oder genitiviſches -â anzuneh-
men iſt.
4) dieſen grundſätzen gemäß ſind unter den formeln
der eigentl. zuſ. ſetzungen aufgezählt worden: baíra, baúra
(ſ. 486. 487.) fruma (ſ. 493.) giba (ſ. 495.) háitja (ſ. 498.)
luga (ſ. 506.) maúrþrja (ſ. 508.) nima, numja (ſ. 513.)
pflëgo (ſ. 513.) qviþa (ſ. 513.) ſagja (ſ. 518.) ſlahja (ſ. 523.)
ſôkja (ſ. 524.) vaúrſtvja (ſ. 535.) welchen ſämtlich nur
ſcheinbar leibliche accuſative voranſtehen. Viele andere
beiſpiele ſind ebenſo zu beurtheilen.
5) nur in verſchiednen, ſämtlich neueren, wortbil-
dungen läßt ſich keine eigentliche compoſition behaupten,
in ſolchen nämlich, die aus uneigentlich zuſammenge-
ſetzten verbis abgeleitet ſind. An den inf. und das part.
praeſ. wächſt, wie wir hernach ſehen werden, der acc.
wirklich an und gilt einmahl die verbindung, ſo hindert
nichts, daß man daraus auch maſc. auf -er oder abſtracte
fem. auf -ung weiter bilde. So darf aus eh-brechen,
blut-vergießen, haus-halten, land-meßen, theil-nehmen,
tag-wählen; hof-halten, dank-ſagen etc. freilich geleitet
werden: eh-brecher, blut-vergießer, haus-halter, land-
meßer, theil-nehmer, tag-wähler; hof-haltung, dank-
ſagung. Allein hier wird kein ſubſt. mit ſubſt. zuſ. ge-
ſetzt, ſondern das bereits vorhandne infinitivcompoſitum
zur erzeugung von ſubſt. genutzt. Zwiſchen ſolchen
wörtern und den vorhin genannten, welche für eigent-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 618. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/636>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.