III. subst. uneig. comp. -- subst. mit subst. acc.?
aber späterhin ein ableitendes -ari, -er anzunehmen pfle- gen, vgl. z. b. die nhd. kern-beißer, traum-deuter, fisch- fänger, vogel-fänger, gesetz-geber, stück-gießer, bart- scherer, geschicht-schreiber, kreuz-träger, wein-trinker und alle ähnlichen, desgleichen die von einigen weiter gebildeten abstracta: geschicht-schreibung, traum-deutung, traum-auslegung. Hier wäre dann die verbale kraft der casusrection gleichsam in den subst. noch nicht erloschen und vogel-fänger soviel wie: den vogel (die vögel) fangend.
Diese ansicht muß aufgegeben werden, denn
1) wenn auch dem subst. die fähigkeit nicht ganz ab- gesprochen werden darf, bisweilen den acc. des verbi, von dem es herrührt, beizubehalten; so wird doch die syntax lehren, daß der fall höchst selten eintritt und der regierte acc. dem subst. eher nach als vorsteht. Er müste aber grade häufig stattfinden und vorstehen, um (wie bei dem vorstehenden gen.) accretion und uneig. composition annehmbar zu machen. Genitivische comp. laßen sich oft noch auflösen, entw. durch zuziehung eines art. oder nachsetzung des gen. z. b. orts-name in: eines orts name, name des orts. Niemahls vogel-fänger in ein accusati- visch construiertes: einen vogel fänger, noch weniger: fänger einen vogel.
2) alle dem scheine nach accusativischen composita sind in der that eigentliche, nicht uneigentliche. Das zeigt a) ihre allgemeinere bedeutung; es ist ganz etwas anders, eine eig. zus. setzung accusativisch zu deuten (s. 445.) und eine uneig. accusativische zu behaupten. Die letztere würde an dem engen begriff ihres casus kleben und gleich der genitivischen (hessin-pah, hessono-lant) den sg. vom pl. zu unterscheiden haben. Offenbar ist aber vogel-fänger weder ein goth. fugl-faha noch fug- lans-faha, sondern drückt den allgemeineren, freieren begriff aus, der auch in vogel fang (aucupium) liegt. b) in der ältesten gestalt gebührt ihnen also der comp. vocal, fugla-faha *), wie vitoda-fasteis (s. 446.); hätte sich
*) wenn anders die ältere sprache hier zusammensetzt; Ulf. hätte wohl suglja (auceps) gesagt wie siskja (alieus) und Marc. 1, 17. braucht er nachgestellten gen. nutans manne nach dem gr. alie[u]s anthropon. Selbst heute ist uns fischer geläufiger als fischfän- ger, wiewohl vogler beinahe verdrängt durch vogelfänger.
III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit ſubſt. acc.?
aber ſpäterhin ein ableitendes -ari, -er anzunehmen pfle- gen, vgl. z. b. die nhd. kern-beißer, traum-deuter, fiſch- fänger, vogel-fänger, geſetz-geber, ſtück-gießer, bart- ſcherer, geſchicht-ſchreiber, kreuz-träger, wein-trinker und alle ähnlichen, desgleichen die von einigen weiter gebildeten abſtracta: geſchicht-ſchreibung, traum-deutung, traum-auslegung. Hier wäre dann die verbale kraft der caſusrection gleichſam in den ſubſt. noch nicht erloſchen und vogel-fänger ſoviel wie: den vogel (die vögel) fangend.
Dieſe anſicht muß aufgegeben werden, denn
1) wenn auch dem ſubſt. die fähigkeit nicht ganz ab- geſprochen werden darf, bisweilen den acc. des verbi, von dem es herrührt, beizubehalten; ſo wird doch die ſyntax lehren, daß der fall höchſt ſelten eintritt und der regierte acc. dem ſubſt. eher nach als vorſteht. Er müſte aber grade häufig ſtattfinden und vorſtehen, um (wie bei dem vorſtehenden gen.) accretion und uneig. compoſition annehmbar zu machen. Genitiviſche comp. laßen ſich oft noch auflöſen, entw. durch zuziehung eines art. oder nachſetzung des gen. z. b. orts-name in: eines orts name, name des orts. Niemahls vogel-fänger in ein accuſati- viſch conſtruiertes: einen vogel fänger, noch weniger: fänger einen vogel.
2) alle dem ſcheine nach accuſativiſchen compoſita ſind in der that eigentliche, nicht uneigentliche. Das zeigt α) ihre allgemeinere bedeutung; es iſt ganz etwas anders, eine eig. zuſ. ſetzung accuſativiſch zu deuten (ſ. 445.) und eine uneig. accuſativiſche zu behaupten. Die letztere würde an dem engen begriff ihres caſus kleben und gleich der genitiviſchen (heſſin-pah, heſſônô-lant) den ſg. vom pl. zu unterſcheiden haben. Offenbar iſt aber vogel-fänger weder ein goth. fugl-faha noch fug- lans-faha, ſondern drückt den allgemeineren, freieren begriff aus, der auch in vogel fang (aucupium) liegt. β) in der älteſten geſtalt gebührt ihnen alſo der comp. vocal, fugla-faha *), wie vitôda-faſteis (ſ. 446.); hätte ſich
*) wenn anders die ältere ſprache hier zuſammenſetzt; Ulf. hätte wohl ſuglja (auceps) geſagt wie ſiſkja (ἁλιεύς) und Marc. 1, 17. braucht er nachgeſtellten gen. nutans mannê nach dem gr. ἁλιε[ὺ]ς ἀνθρώπων. Selbſt heute iſt uns fiſcher geläufiger als fiſchfän- ger, wiewohl vogler beinahe verdrängt durch vogelfänger.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><p><pbfacs="#f0635"n="617"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">III. <hirendition="#i">ſubſt. uneig. comp. —ſubſt. mit ſubſt. acc.?</hi></hi></fw><lb/>
aber ſpäterhin ein ableitendes -ari, -er anzunehmen pfle-<lb/>
gen, vgl. z. b. die nhd. kern-beißer, traum-deuter, fiſch-<lb/>
fänger, vogel-fänger, geſetz-geber, ſtück-gießer, bart-<lb/>ſcherer, geſchicht-ſchreiber, kreuz-träger, wein-trinker<lb/>
und alle ähnlichen, desgleichen die von einigen weiter<lb/>
gebildeten abſtracta: geſchicht-ſchreibung, traum-deutung,<lb/>
traum-auslegung. Hier wäre dann die verbale kraft der<lb/>
caſusrection gleichſam in den ſubſt. noch nicht erloſchen<lb/>
und vogel-fänger ſoviel wie: den vogel (die vögel)<lb/>
fangend.</p><lb/><p>Dieſe anſicht muß aufgegeben werden, denn</p><lb/><p>1) wenn auch dem ſubſt. die fähigkeit nicht ganz ab-<lb/>
geſprochen werden darf, bisweilen den acc. des verbi,<lb/>
von dem es herrührt, beizubehalten; ſo wird doch die<lb/>ſyntax lehren, daß der fall höchſt ſelten eintritt und der<lb/>
regierte acc. dem ſubſt. eher nach als vorſteht. Er müſte<lb/>
aber grade häufig ſtattfinden und vorſtehen, um (wie bei<lb/>
dem vorſtehenden gen.) accretion und uneig. compoſition<lb/>
annehmbar zu machen. Genitiviſche comp. laßen ſich<lb/>
oft noch auflöſen, entw. durch zuziehung eines art. oder<lb/>
nachſetzung des gen. z. b. orts-name in: eines orts name,<lb/>
name des orts. Niemahls vogel-fänger in ein accuſati-<lb/>
viſch conſtruiertes: einen vogel fänger, noch weniger:<lb/>
fänger einen vogel.</p><lb/><p>2) alle dem ſcheine nach accuſativiſchen compoſita<lb/>ſind in der that eigentliche, nicht uneigentliche. Das<lb/>
zeigt <hirendition="#i">α</hi>) ihre allgemeinere bedeutung; es iſt ganz etwas<lb/>
anders, eine eig. zuſ. ſetzung accuſativiſch zu deuten<lb/>
(ſ. 445.) und eine uneig. accuſativiſche zu behaupten. Die<lb/>
letztere würde an dem engen begriff ihres caſus kleben<lb/>
und gleich der genitiviſchen (heſſin-pah, heſſônô-lant)<lb/>
den ſg. vom pl. zu unterſcheiden haben. Offenbar iſt<lb/>
aber vogel-fänger weder ein goth. fugl-faha noch fug-<lb/>
lans-faha, ſondern drückt den allgemeineren, freieren<lb/>
begriff aus, der auch in vogel fang (aucupium) liegt.<lb/><hirendition="#i">β</hi>) in der älteſten geſtalt gebührt ihnen alſo der comp.<lb/>
vocal, fugla-faha <noteplace="foot"n="*)">wenn anders die ältere ſprache hier zuſammenſetzt; Ulf.<lb/>
hätte wohl ſuglja (auceps) geſagt wie ſiſkja (<hirendition="#i">ἁλιεύς</hi>) und Marc. 1,<lb/>
17. braucht er nachgeſtellten gen. nutans mannê nach dem gr.<lb/><hirendition="#i">ἁλιε<supplied>ὺ</supplied>ςἀνθρώπων</hi>. Selbſt heute iſt uns fiſcher geläufiger als fiſchfän-<lb/>
ger, wiewohl vogler beinahe verdrängt durch vogelfänger.</note>, wie vitôda-faſteis (ſ. 446.); hätte ſich<lb/></p></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[617/0635]
III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit ſubſt. acc.?
aber ſpäterhin ein ableitendes -ari, -er anzunehmen pfle-
gen, vgl. z. b. die nhd. kern-beißer, traum-deuter, fiſch-
fänger, vogel-fänger, geſetz-geber, ſtück-gießer, bart-
ſcherer, geſchicht-ſchreiber, kreuz-träger, wein-trinker
und alle ähnlichen, desgleichen die von einigen weiter
gebildeten abſtracta: geſchicht-ſchreibung, traum-deutung,
traum-auslegung. Hier wäre dann die verbale kraft der
caſusrection gleichſam in den ſubſt. noch nicht erloſchen
und vogel-fänger ſoviel wie: den vogel (die vögel)
fangend.
Dieſe anſicht muß aufgegeben werden, denn
1) wenn auch dem ſubſt. die fähigkeit nicht ganz ab-
geſprochen werden darf, bisweilen den acc. des verbi,
von dem es herrührt, beizubehalten; ſo wird doch die
ſyntax lehren, daß der fall höchſt ſelten eintritt und der
regierte acc. dem ſubſt. eher nach als vorſteht. Er müſte
aber grade häufig ſtattfinden und vorſtehen, um (wie bei
dem vorſtehenden gen.) accretion und uneig. compoſition
annehmbar zu machen. Genitiviſche comp. laßen ſich
oft noch auflöſen, entw. durch zuziehung eines art. oder
nachſetzung des gen. z. b. orts-name in: eines orts name,
name des orts. Niemahls vogel-fänger in ein accuſati-
viſch conſtruiertes: einen vogel fänger, noch weniger:
fänger einen vogel.
2) alle dem ſcheine nach accuſativiſchen compoſita
ſind in der that eigentliche, nicht uneigentliche. Das
zeigt α) ihre allgemeinere bedeutung; es iſt ganz etwas
anders, eine eig. zuſ. ſetzung accuſativiſch zu deuten
(ſ. 445.) und eine uneig. accuſativiſche zu behaupten. Die
letztere würde an dem engen begriff ihres caſus kleben
und gleich der genitiviſchen (heſſin-pah, heſſônô-lant)
den ſg. vom pl. zu unterſcheiden haben. Offenbar iſt
aber vogel-fänger weder ein goth. fugl-faha noch fug-
lans-faha, ſondern drückt den allgemeineren, freieren
begriff aus, der auch in vogel fang (aucupium) liegt.
β) in der älteſten geſtalt gebührt ihnen alſo der comp.
vocal, fugla-faha *), wie vitôda-faſteis (ſ. 446.); hätte ſich
*) wenn anders die ältere ſprache hier zuſammenſetzt; Ulf.
hätte wohl ſuglja (auceps) geſagt wie ſiſkja (ἁλιεύς) und Marc. 1,
17. braucht er nachgeſtellten gen. nutans mannê nach dem gr.
ἁλιεὺς ἀνθρώπων. Selbſt heute iſt uns fiſcher geläufiger als fiſchfän-
ger, wiewohl vogler beinahe verdrängt durch vogelfänger.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 617. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/635>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.