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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. subst. uneig. comp. -- subst. mit subst. gen.
mundart componiert wird. Daher uns z. b. versagt ist,
neben himmel-reich, elfen-bein, stein-wand zu gebrau-
chen himmels-reich, elefants-bein, steins-wand, d. h. es
muß, um den sinn jener älteren ausdrücke zu faßen,
umschrieben werden: das reich des himmels, des steins
wand, eines steins wand etc.

b) einzelnes schwankt nach ort und zeit zwischen
beiderlei compositionsarten. Die altn. mundart, minde-
stens die spätere isländische setzt oft uneigentlich zusam-
men, wo die ahd. eigentlich; z. b. sie sagt iardar-ber
(fragum) ahd. ert-peri, vgl. iardar-hnaus (cespes) iardar-
men mit nhd. erd-scholle, ahd. erd-waso; hindar-kalfr
(hinnulus) ahd. hint-chalp; saevar-stadr, danpar-stadr,
(s. 527.); alptar-hamr neben val-hamr (s. 496.). Die ahd.
monatsnamen sind meist eigentlich componiert (s. 510.),
die altn., sumar-manadr abgerechnet, sämtlich uneigent-
lich, z. b. midvetrar-m. (jan.) föstugangs-m. (febr. fastenm.)
iafndoegra-m. (merz, von iafndoegri, aequinoctium) hey-
anna-m. (aug. heumonat, von hey-annir, sg. hey-önn,
heuarbeit) slatranar-m. (schlachtm. (schlachtm. nov.) rid-
teidar-m. (oct., erklärung bei Biörn) jola-m. (dec.); es
fragt sich, wie alt diese benennungen sind? ohne zweifel
beträchtlich jünger, als die ahd., denn so hoch hinaus
auch das erste wort in jola-m. reichen mag, sagte man
vielleicht unzus. gesetzt joli, wie im ags. geola.

g) unorganische verwechslung beider arten. Eigentl.
st. uneigentl.
selten, weil gegen den bestimmten begriff kaum
der unbestimmte aufkommt; beispiele: nhd. regen-tropfen,
waßer-tr. f. regens-tr. waßers-tr., wie schon das analoge
bluts-tr. lehrt und das ahd. regenes tropfo N. 71, 6. altn. regns
dropi saem. edd. 213a bestätigt (doch Biörn gibt blod-dropi);
nhd. feuer-flamme, feuer-funken st. feuers-fl. feuers-f. (vgl. die
s. 605. angezeigten mhd. formen); nhd. senf-korn f. senfs-
k., ahd. senefes-chorn; tadelhafter sind nhd. mond-schein
(vgl. sonnen-schein) mond-tag, sonn-tag (s. 488.) und gar
frank-furt, frank-reich f. franken-furt, franken-r. neben
den richtigen formen franken-berg, franken-thal und als
dürfte man hess-land, sachs-land sagen. Uneigentl. st.
eigentl.
composition sehen wir im mhd. und nhd. ziem-
lich häufig und es scheint dabei ein sormeller grund ge-
wirkt zu haben (s. 610). Seitdem die flexion -en nicht
bloß die genitive -in, -aun, ono, sondern auch die übri-
gen obliquen casus schw. decl. vertrat, verlor sich immer
mehr die alte bestimmtheit und da nur noch der nom.

III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit ſubſt. gen.
mundart componiert wird. Daher uns z. b. verſagt iſt,
neben himmel-reich, elfen-bein, ſtein-wand zu gebrau-
chen himmels-reich, elefants-bein, ſteins-wand, d. h. es
muß, um den ſinn jener älteren ausdrücke zu faßen,
umſchrieben werden: das reich des himmels, des ſteins
wand, eines ſteins wand etc.

β) einzelnes ſchwankt nach ort und zeit zwiſchen
beiderlei compoſitionsarten. Die altn. mundart, minde-
ſtens die ſpätere isländiſche ſetzt oft uneigentlich zuſam-
men, wo die ahd. eigentlich; z. b. ſie ſagt iardar-ber
(fragum) ahd. ërt-peri, vgl. iardar-hnaus (ceſpes) iardar-
men mit nhd. erd-ſcholle, ahd. ërd-waſo; hindar-kâlfr
(hinnulus) ahd. hint-chalp; ſævar-ſtadr, danpar-ſtadr,
(ſ. 527.); âlptar-hamr neben val-hamr (ſ. 496.). Die ahd.
monatsnamen ſind meiſt eigentlich componiert (ſ. 510.),
die altn., ſumar-mânadr abgerechnet, ſämtlich uneigent-
lich, z. b. midvëtrar-m. (jan.) föſtugângs-m. (febr. faſtenm.)
iafndœgra-m. (merz, von iafndœgri, aequinoctium) hey-
anna-m. (aug. heumonat, von hey-annir, ſg. hey-önn,
heuarbeit) ſlâtranar-m. (ſchlachtm. (ſchlachtm. nov.) rid-
tîdar-m. (oct., erklärung bei Biörn) jôla-m. (dec.); es
fragt ſich, wie alt dieſe benennungen ſind? ohne zweifel
beträchtlich jünger, als die ahd., denn ſo hoch hinauſ
auch das erſte wort in jôla-m. reichen mag, ſagte man
vielleicht unzuſ. geſetzt jôli, wie im agſ. gëola.

γ) unorganiſche verwechſlung beider arten. Eigentl.
ſt. uneigentl.
ſelten, weil gegen den beſtimmten begriff kaum
der unbeſtimmte aufkommt; beiſpiele: nhd. regen-tropfen,
waßer-tr. f. regens-tr. waßers-tr., wie ſchon das analoge
bluts-tr. lehrt und das ahd. rëgenes tropfo N. 71, 6. altn. rëgns
dropi ſæm. edd. 213a beſtätigt (doch Biörn gibt blôd-dropi);
nhd. feuer-flamme, feuer-funken ſt. feuers-fl. feuers-f. (vgl. die
ſ. 605. angezeigten mhd. formen); nhd. ſenf-korn f. ſenfs-
k., ahd. ſënefes-chorn; tadelhafter ſind nhd. mond-ſchein
(vgl. ſonnen-ſchein) mond-tag, ſonn-tag (ſ. 488.) und gar
frank-furt, frank-reich f. franken-furt, franken-r. neben
den richtigen formen franken-berg, franken-thal und als
dürfte man heſſ-land, ſachs-land ſagen. Uneigentl. ſt.
eigentl.
compoſition ſehen wir im mhd. und nhd. ziem-
lich häufig und es ſcheint dabei ein ſormeller grund ge-
wirkt zu haben (ſ. 610). Seitdem die flexion -en nicht
bloß die genitive -in, -ûn, ônô, ſondern auch die übri-
gen obliquen caſus ſchw. decl. vertrat, verlor ſich immer
mehr die alte beſtimmtheit und da nur noch der nom.

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[614/0632] III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit ſubſt. gen. mundart componiert wird. Daher uns z. b. verſagt iſt, neben himmel-reich, elfen-bein, ſtein-wand zu gebrau- chen himmels-reich, elefants-bein, ſteins-wand, d. h. es muß, um den ſinn jener älteren ausdrücke zu faßen, umſchrieben werden: das reich des himmels, des ſteins wand, eines ſteins wand etc. β) einzelnes ſchwankt nach ort und zeit zwiſchen beiderlei compoſitionsarten. Die altn. mundart, minde- ſtens die ſpätere isländiſche ſetzt oft uneigentlich zuſam- men, wo die ahd. eigentlich; z. b. ſie ſagt iardar-ber (fragum) ahd. ërt-peri, vgl. iardar-hnaus (ceſpes) iardar- men mit nhd. erd-ſcholle, ahd. ërd-waſo; hindar-kâlfr (hinnulus) ahd. hint-chalp; ſævar-ſtadr, danpar-ſtadr, (ſ. 527.); âlptar-hamr neben val-hamr (ſ. 496.). Die ahd. monatsnamen ſind meiſt eigentlich componiert (ſ. 510.), die altn., ſumar-mânadr abgerechnet, ſämtlich uneigent- lich, z. b. midvëtrar-m. (jan.) föſtugângs-m. (febr. faſtenm.) iafndœgra-m. (merz, von iafndœgri, aequinoctium) hey- anna-m. (aug. heumonat, von hey-annir, ſg. hey-önn, heuarbeit) ſlâtranar-m. (ſchlachtm. (ſchlachtm. nov.) rid- tîdar-m. (oct., erklärung bei Biörn) jôla-m. (dec.); es fragt ſich, wie alt dieſe benennungen ſind? ohne zweifel beträchtlich jünger, als die ahd., denn ſo hoch hinauſ auch das erſte wort in jôla-m. reichen mag, ſagte man vielleicht unzuſ. geſetzt jôli, wie im agſ. gëola. γ) unorganiſche verwechſlung beider arten. Eigentl. ſt. uneigentl. ſelten, weil gegen den beſtimmten begriff kaum der unbeſtimmte aufkommt; beiſpiele: nhd. regen-tropfen, waßer-tr. f. regens-tr. waßers-tr., wie ſchon das analoge bluts-tr. lehrt und das ahd. rëgenes tropfo N. 71, 6. altn. rëgns dropi ſæm. edd. 213a beſtätigt (doch Biörn gibt blôd-dropi); nhd. feuer-flamme, feuer-funken ſt. feuers-fl. feuers-f. (vgl. die ſ. 605. angezeigten mhd. formen); nhd. ſenf-korn f. ſenfs- k., ahd. ſënefes-chorn; tadelhafter ſind nhd. mond-ſchein (vgl. ſonnen-ſchein) mond-tag, ſonn-tag (ſ. 488.) und gar frank-furt, frank-reich f. franken-furt, franken-r. neben den richtigen formen franken-berg, franken-thal und als dürfte man heſſ-land, ſachs-land ſagen. Uneigentl. ſt. eigentl. compoſition ſehen wir im mhd. und nhd. ziem- lich häufig und es ſcheint dabei ein ſormeller grund ge- wirkt zu haben (ſ. 610). Seitdem die flexion -en nicht bloß die genitive -in, -ûn, ônô, ſondern auch die übri- gen obliquen caſus ſchw. decl. vertrat, verlor ſich immer mehr die alte beſtimmtheit und da nur noch der nom.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 614. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/632>, abgerufen am 28.05.2024.