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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. subst. eigentl. comp. -- subst. mit verb.
(des schlagens der leute, des brennens des feuers) O. V.
23, 131, 132. Mhd. belege: holre-blasen Bit. 88b sper-
brechens a. Tit. 79. veder-lesen amgb. 24a satel-raumens
Parc. 69b knie-raunen MS. 2, 137a sumber-slahen Bit. 88b,
vielleicht veder lesen *), sumber slahen? Nhd. sagen
wir: eh-brechen, blut-vergießen, blei-gießen, haus-hal-
ten, hof-halten, athem-holen, feder-lesen, feld-meßen,
land-meßen, theil-nehmen, wahr-nehmen, dank-sagen,
luft-schöpfen, waßer-tragen, tag-wählen nnd vieles ähn-
liche, in welchen allen wirkliche acc. sich uneigentlich
mit dem inf. mögen verbunden haben, früher gar keine
comp. statt fand und noch jetzt öftere auflösung eintritt,
z. b. wenn ein adj. vorgesetzt wird (unschuldiges blut ver-
gießen, tiefen athem holen, allen theil nehmen) oder das
subst. hinter das verbum rückt (ich vergieße blut, nehme
theil). Nur steht nicht mit bestimmtheit zu behaupten,
daß hier überall keine eigentl. comp. zu grunde liege; wie
das mhd. adj. hove-baere, ahd. hova-pari, seinen comp.
vocal kundgibt, könnte das tag-wählen, des tag-wählens
auf ahd. taga-weljan. taga-weljannes beruhen. Es fehlen
nns bei dieser untersuchung ältere beispiele. Da wo
deutliche acc. pl. an das verbum stoßen, z. b. kränze-
winden, gäste-setzen ist höchstens uneigentliche zus. setzung,
nie eigentliche annehmbar. Nhd. praepositionelle compo-
sita laßen sich freilich auch wenige beibringen, das blatt-
pfeifen (auf dem bl.) des blatt-pfeifens, das gold-beschla-
gen, des gold-beschlagens etc. dürfte gesagt werden, kaum
das ruhm-bedecken, lied-besingen etc. Die neunord. spra-
chen bieten verschiedentlich substantivisch zus. gesetzte
verba zugleich in der form des inf. und part. praet. dar,
deren gangbaren indic. etc. ich in zweifel ziehen möchte.
Fände er statt und wäre ihnen ein zu grunde liegendes
subst. oder adj. nachzuweisen; so würden sie oben s. 585.
nicht hier anzuführen sein. Beispiele: schwed. tro-lofva
(verloben) tro-lofvat, dän. tro-love, tro-lovet; schwed.
syssel-sätta (beschäftigen) syssel-satt, dän. syssel-sätte;
schwed. stal-sätta (stählen) stal-satt, dän staal-sätte; schwed.
bo-sätta (das haus einrichten) dän. boe-sätte u. a. m.


*) und dafür spricht: veder liset MS. 2. 240a; oder wäre zu
ändern veder-leset, (vom subst. veder-lese) praet. veder-lesete?
deun veder-liset, praet. veder-las leugne ich.

III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit verb.
(des ſchlagens der leute, des brennens des feuers) O. V.
23, 131, 132. Mhd. belege: holre-blâſen Bit. 88b ſpër-
brëchens a. Tit. 79. vëder-lëſen amgb. 24a ſatel-rûmens
Parc. 69b knie-rûnen MS. 2, 137a ſumber-ſlahen Bit. 88b,
vielleicht vëder lëſen *), ſumber ſlahen? Nhd. ſagen
wir: eh-brechen, blut-vergießen, blei-gießen, haus-hal-
ten, hof-halten, athem-holen, feder-leſen, feld-meßen,
land-meßen, theil-nehmen, wahr-nehmen, dank-ſagen,
luft-ſchöpfen, waßer-tragen, tag-wählen nnd vieles ähn-
liche, in welchen allen wirkliche acc. ſich uneigentlich
mit dem inf. mögen verbunden haben, früher gar keine
comp. ſtatt fand und noch jetzt öftere auflöſung eintritt,
z. b. wenn ein adj. vorgeſetzt wird (unſchuldiges blut ver-
gießen, tiefen athem holen, allen theil nehmen) oder das
ſubſt. hinter das verbum rückt (ich vergieße blut, nehme
theil). Nur ſteht nicht mit beſtimmtheit zu behaupten,
daß hier überall keine eigentl. comp. zu grunde liege; wie
das mhd. adj. hove-bære, ahd. hova-pâri, ſeinen comp.
vocal kundgibt, könnte das tag-wählen, des tag-wählens
auf ahd. taga-weljan. taga-weljannes beruhen. Es fehlen
nns bei dieſer unterſuchung ältere beiſpiele. Da wo
deutliche acc. pl. an das verbum ſtoßen, z. b. kränze-
winden, gäſte-ſetzen iſt höchſtens uneigentliche zuſ. ſetzung,
nie eigentliche annehmbar. Nhd. praepoſitionelle compo-
ſita laßen ſich freilich auch wenige beibringen, das blatt-
pfeifen (auf dem bl.) des blatt-pfeifens, das gold-beſchla-
gen, des gold-beſchlagens etc. dürfte geſagt werden, kaum
das ruhm-bedecken, lied-beſingen etc. Die neunord. ſpra-
chen bieten verſchiedentlich ſubſtantiviſch zuſ. geſetzte
verba zugleich in der form des inf. und part. praet. dar,
deren gangbaren indic. etc. ich in zweifel ziehen möchte.
Fände er ſtatt und wäre ihnen ein zu grunde liegendes
ſubſt. oder adj. nachzuweiſen; ſo würden ſie oben ſ. 585.
nicht hier anzuführen ſein. Beiſpiele: ſchwed. tro-lofva
(verloben) tro-lofvat, dän. tro-love, tro-lovet; ſchwed.
ſyſſel-ſätta (beſchäftigen) ſyſſel-ſatt, dän. ſyſſel-ſätte;
ſchwed. ſtål-ſätta (ſtählen) ſtål-ſatt, dän ſtaal-ſätte; ſchwed.
bo-ſätta (das haus einrichten) dän. boe-ſätte u. a. m.


*) und dafür ſpricht: vëder liſet MS. 2. 240a; oder wäre zu
ändern vëder-lëſet, (vom ſubſt. vëder-lëſe) praet. vëder-lëſete?
deun vëder-liſet, praet. vëder-las leugne ich.
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[596/0614] III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit verb. (des ſchlagens der leute, des brennens des feuers) O. V. 23, 131, 132. Mhd. belege: holre-blâſen Bit. 88b ſpër- brëchens a. Tit. 79. vëder-lëſen amgb. 24a ſatel-rûmens Parc. 69b knie-rûnen MS. 2, 137a ſumber-ſlahen Bit. 88b, vielleicht vëder lëſen *), ſumber ſlahen? Nhd. ſagen wir: eh-brechen, blut-vergießen, blei-gießen, haus-hal- ten, hof-halten, athem-holen, feder-leſen, feld-meßen, land-meßen, theil-nehmen, wahr-nehmen, dank-ſagen, luft-ſchöpfen, waßer-tragen, tag-wählen nnd vieles ähn- liche, in welchen allen wirkliche acc. ſich uneigentlich mit dem inf. mögen verbunden haben, früher gar keine comp. ſtatt fand und noch jetzt öftere auflöſung eintritt, z. b. wenn ein adj. vorgeſetzt wird (unſchuldiges blut ver- gießen, tiefen athem holen, allen theil nehmen) oder das ſubſt. hinter das verbum rückt (ich vergieße blut, nehme theil). Nur ſteht nicht mit beſtimmtheit zu behaupten, daß hier überall keine eigentl. comp. zu grunde liege; wie das mhd. adj. hove-bære, ahd. hova-pâri, ſeinen comp. vocal kundgibt, könnte das tag-wählen, des tag-wählens auf ahd. taga-weljan. taga-weljannes beruhen. Es fehlen nns bei dieſer unterſuchung ältere beiſpiele. Da wo deutliche acc. pl. an das verbum ſtoßen, z. b. kränze- winden, gäſte-ſetzen iſt höchſtens uneigentliche zuſ. ſetzung, nie eigentliche annehmbar. Nhd. praepoſitionelle compo- ſita laßen ſich freilich auch wenige beibringen, das blatt- pfeifen (auf dem bl.) des blatt-pfeifens, das gold-beſchla- gen, des gold-beſchlagens etc. dürfte geſagt werden, kaum das ruhm-bedecken, lied-beſingen etc. Die neunord. ſpra- chen bieten verſchiedentlich ſubſtantiviſch zuſ. geſetzte verba zugleich in der form des inf. und part. praet. dar, deren gangbaren indic. etc. ich in zweifel ziehen möchte. Fände er ſtatt und wäre ihnen ein zu grunde liegendes ſubſt. oder adj. nachzuweiſen; ſo würden ſie oben ſ. 585. nicht hier anzuführen ſein. Beiſpiele: ſchwed. tro-lofva (verloben) tro-lofvat, dän. tro-love, tro-lovet; ſchwed. ſyſſel-ſätta (beſchäftigen) ſyſſel-ſatt, dän. ſyſſel-ſätte; ſchwed. ſtål-ſätta (ſtählen) ſtål-ſatt, dän ſtaal-ſätte; ſchwed. bo-ſätta (das haus einrichten) dän. boe-ſätte u. a. m. *) und dafür ſpricht: vëder liſet MS. 2. 240a; oder wäre zu ändern vëder-lëſet, (vom ſubſt. vëder-lëſe) praet. vëder-lëſete? deun vëder-liſet, praet. vëder-las leugne ich.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 596. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/614>, abgerufen am 28.05.2024.