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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. substantivische eigentl. composition.
pal. 361, 3a; or-rinc, ouc-salbe, die vermuthlich vor-
kommen, weiß ich jetzt nicht zu belegen *).

3) das aus den bildungsvocalen i, u entspringende e
ist mit dem compositions-e nicht zu verwechseln; bei-
spiele: kinne-bein, netze-vogel, ende-haft, vihe-sterbe.
Nach l und r schwindet auch dieses: her-zoge, mer-
grieß. Substantiva vierter decl. zeigen selten solches e,
doch vgl. briute-goume troj. 34b. --

Nhd. hören, seit verlängerung jener silben, welche
den compositionsvocal noch zulängst bewahrten, die mei-
sten fälle desselben auf, d. h. wir sagen nun glas-korb,
gras-mücke, hof-mann, gott-heit, rad-brechen, tag-stern,
weg-steuer, gewon-heit, bet-haus, bot-schaft, nam-haft,
schad-haft, wie wir sagen: schiff-mann, wein-blatt, erd-
bere, gesell-schaft, lind-wurm, brunn-quell, baer-pfeife,
graf-schaft, herz-blaut, woll-markt, ohr-ring. Gleich-
wohl hat sich in einzelnen zusammensetzungen und gern
nach mediis das e erhalten, z. B. rübe-samen, rade-
macher, bade-gast, bade-magd, hunde-loch, pferde-
fleisch, hage-stolz, tage-bauch, tage-reise, reise-kleid, auch
wohl in schweine-fleisch u. a. m., aber die verkürzung
gilt daneben, rüb-same, schwein-fleisch, wie in bad-
stube, kalb-fleisch u. a. immer. Das ableitende e ist
meistens untergegangen (kinn-bein, hirn-schale, vieh-
sterben), zuweilen dauert das e der vierten declination,
z. B. mäuse-falle. läuse-kraut, und selbst verhärtetes i
in nachti-gall und bräuti-gam. --

Die vorgenommene historische erörterung des compo-
sitionsvocals
bestätigt (vgl. oben s. 411.)

a) daß er im goth. fast überall, im nhd. fast nirgends
anzutreffen sei, in den dazwischen liegenden mundarten
mehr oder minder. Diese abstufung berechtigt anzuneh-
men, daß er das wahre princip der eigentlichen substan-
tivzusammensetzung, folglich in jeder, die ihn späterhin
entbehrt, organischerweise vorauszusetzen ist. Unser
heutiges schiff-mann, amt-haus muß daher auf ein goth.
skipa-manna, andbahta-haus zurückgeführt werden; beide
formen, die anfängliche und entstellte, sind identisch.

b) daß er sich von den flexionsvocalen ganz unter-
scheide, denn

*) das wegwerfen des flexionsvocals verwandelt in den fällen
b. g. nach mhd. lautlehre die media in tenuis, vgl. erde, ouge
mit ert-ber, ouc-salbe.

III. ſubſtantiviſche eigentl. compoſition.
pal. 361, 3a; ôr-rinc, ouc-ſalbe, die vermuthlich vor-
kommen, weiß ich jetzt nicht zu belegen *).

3) das aus den bildungsvocalen i, u entſpringende e
iſt mit dem compoſitions-e nicht zu verwechſeln; bei-
ſpiele: kinne-bein, netze-vogel, ende-haft, vihe-ſtërbe.
Nach l und r ſchwindet auch dieſes: her-zoge, mer-
grieƷ. Subſtantiva vierter decl. zeigen ſelten ſolches e,
doch vgl. briute-goume troj. 34b. —

Nhd. hören, ſeit verlängerung jener ſilben, welche
den compoſitionsvocal noch zulängſt bewahrten, die mei-
ſten fälle deſſelben auf, d. h. wir ſagen nun glâs-korb,
grâs-mücke, hôf-mann, gott-heit, râd-brechen, tâg-ſtern,
wêg-ſteuer, gewôn-heit, bêt-haus, bôt-ſchaft, nâm-haft,
ſchâd-haft, wie wir ſagen: ſchiff-mann, wein-blatt, erd-
bêre, geſell-ſchaft, lind-wurm, brunn-quell, bær-pfeife,
grâf-ſchaft, herz-blût, woll-markt, ohr-ring. Gleich-
wohl hat ſich in einzelnen zuſammenſetzungen und gern
nach mediis das e erhalten, z. B. rübe-ſâmen, râde-
macher, bâde-gaſt, bâde-magd, hunde-loch, pferde-
fleiſch, hâge-ſtolz, tâge-bûch, tâge-reiſe, reiſe-kleid, auch
wohl in ſchweine-fleiſch u. a. m., aber die verkürzung
gilt daneben, rüb-ſâme, ſchwein-fleiſch, wie in bâd-
ſtube, kalb-fleiſch u. a. immer. Das ableitende e iſt
meiſtens untergegangen (kinn-bein, hirn-ſchâle, vieh-
ſterben), zuweilen dauert das e der vierten declination,
z. B. mäuſe-falle. läuſe-kraut, und ſelbſt verhärtetes i
in nachti-gall und bräuti-gam. —

Die vorgenommene hiſtoriſche erörterung des compo-
ſitionsvocals
beſtätigt (vgl. oben ſ. 411.)

a) daß er im goth. faſt überall, im nhd. faſt nirgends
anzutreffen ſei, in den dazwiſchen liegenden mundarten
mehr oder minder. Dieſe abſtufung berechtigt anzuneh-
men, daß er das wahre princip der eigentlichen ſubſtan-
tivzuſammenſetzung, folglich in jeder, die ihn ſpäterhin
entbehrt, organiſcherweiſe vorauszuſetzen iſt. Unſer
heutiges ſchiff-mann, amt-haus muß daher auf ein goth.
ſkipa-manna, andbahta-hûs zurückgeführt werden; beide
formen, die anfängliche und entſtellte, ſind identiſch.

b) daß er ſich von den flexionsvocalen ganz unter-
ſcheide, denn

*) das wegwerfen des flexionsvocals verwandelt in den fällen
β. γ. nach mhd. lautlehre die media in tenuis, vgl. ërde, ouge
mit ërt-ber, ouc-ſalbe.
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[424/0442] III. ſubſtantiviſche eigentl. compoſition. pal. 361, 3a; ôr-rinc, ouc-ſalbe, die vermuthlich vor- kommen, weiß ich jetzt nicht zu belegen *). 3) das aus den bildungsvocalen i, u entſpringende e iſt mit dem compoſitions-e nicht zu verwechſeln; bei- ſpiele: kinne-bein, netze-vogel, ende-haft, vihe-ſtërbe. Nach l und r ſchwindet auch dieſes: her-zoge, mer- grieƷ. Subſtantiva vierter decl. zeigen ſelten ſolches e, doch vgl. briute-goume troj. 34b. — Nhd. hören, ſeit verlängerung jener ſilben, welche den compoſitionsvocal noch zulängſt bewahrten, die mei- ſten fälle deſſelben auf, d. h. wir ſagen nun glâs-korb, grâs-mücke, hôf-mann, gott-heit, râd-brechen, tâg-ſtern, wêg-ſteuer, gewôn-heit, bêt-haus, bôt-ſchaft, nâm-haft, ſchâd-haft, wie wir ſagen: ſchiff-mann, wein-blatt, erd- bêre, geſell-ſchaft, lind-wurm, brunn-quell, bær-pfeife, grâf-ſchaft, herz-blût, woll-markt, ohr-ring. Gleich- wohl hat ſich in einzelnen zuſammenſetzungen und gern nach mediis das e erhalten, z. B. rübe-ſâmen, râde- macher, bâde-gaſt, bâde-magd, hunde-loch, pferde- fleiſch, hâge-ſtolz, tâge-bûch, tâge-reiſe, reiſe-kleid, auch wohl in ſchweine-fleiſch u. a. m., aber die verkürzung gilt daneben, rüb-ſâme, ſchwein-fleiſch, wie in bâd- ſtube, kalb-fleiſch u. a. immer. Das ableitende e iſt meiſtens untergegangen (kinn-bein, hirn-ſchâle, vieh- ſterben), zuweilen dauert das e der vierten declination, z. B. mäuſe-falle. läuſe-kraut, und ſelbſt verhärtetes i in nachti-gall und bräuti-gam. — Die vorgenommene hiſtoriſche erörterung des compo- ſitionsvocals beſtätigt (vgl. oben ſ. 411.) a) daß er im goth. faſt überall, im nhd. faſt nirgends anzutreffen ſei, in den dazwiſchen liegenden mundarten mehr oder minder. Dieſe abſtufung berechtigt anzuneh- men, daß er das wahre princip der eigentlichen ſubſtan- tivzuſammenſetzung, folglich in jeder, die ihn ſpäterhin entbehrt, organiſcherweiſe vorauszuſetzen iſt. Unſer heutiges ſchiff-mann, amt-haus muß daher auf ein goth. ſkipa-manna, andbahta-hûs zurückgeführt werden; beide formen, die anfängliche und entſtellte, ſind identiſch. b) daß er ſich von den flexionsvocalen ganz unter- ſcheide, denn *) das wegwerfen des flexionsvocals verwandelt in den fällen β. γ. nach mhd. lautlehre die media in tenuis, vgl. ërde, ouge mit ërt-ber, ouc-ſalbe.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/442>, abgerufen am 25.11.2024.