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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. ableitung. schlußbemerkungen.
mehr ähnliche subst. mit -de fortbilden. Was aber der
einen mundart bildbar erscheint, weist leicht die andere
von sich ab, was jener eine ableitung verdeutlicht, kann
sich in dieser verdunkelt haben. Die vierte anm. hebt
das wichtigste hervor, was die hauptdialecte in der ab-
leitung auszeichnet. Es ist freilich lehrreich, die ablei-
tungen, welche am tiefsten eingreifen, zulängst dauern,
fortgesetzt werden können und deutliche wurzeln erken-
nen (jede aber muß im augenblick ihres ursprungs mit
einer klaren wurzel verbunden worden sein) zusammen-
zustellen. Unsere nhd. schriftsprache besitzt in diesem
sinne nur noch wenige ableitungen. Unter den reinvo-
calischen das einzige -e für fem., die von adj. stammen,
fühlbar (güte, weite von gaut, weit) aber nicht fortführ-
bar und in vielen anwendungen veraltet. Schw. verba
mit hülfe des umlauts neu zu bilden versagt sie längst.
Unter den consonantischen ableitungen sind lebendig ge-
blieben: fürs subst. lein, -chen (verkleinerungen), -in
(movierte fem. s. 320.) -er, -ner (handelnde masc.) -ling
(masc.) -ung (handlungen) vielleicht auch -nis; fürs adj.
-ig (weniger -icht) und -isch (aber nicht mehr fürs
subst.); für verbum lebt eigentlich keine ableitung, es
müsten denn -eln (s. 115.) oder -ern (s. 137.) gewagt wer-
den, die -etzen (s. 219.) und -enzen (s. 341.) gehören der
volkssprache. Fühlbar bleiben einige mehr, z. b. die ma-
teriellen adj. auf -en, die neutra auf -icht. Es ist leicht
einzusehen, wie sich überhaupt die neuere sprache von
der ableitung zur composition neigt, daß unter jenen
haftenden ableitungen die meisten durch vorschiebung
unorg. consonanten falschen schein zus. gesetzter wörter
angenommen haben; die sprache leitet, ihrer intention
nach, fast nicht mehr ab.

Dies alles wird rechtfertigen, daß ich in darstellung
der ableitungen mich streng an die form gehalten habe,
ohne rücksicht auf die seltenheit oder geläufigkeit der
einzelnen formeln. Nur wo es nöthig war und angieng,
sind bestimmte reihen hervorgehoben (s. 161. fem. -anei;
s. 261. fem. itei, -otei, etei; s. 157. fem. -ns) und geschie-
den worden (s. 113. verkleinerungen -ili; s. 125. -r und
-ar; s. 217. intensiva -atjan; s. 283. verba -ka; s. 289.
adj. -ac).

Für die ältesten, in sämmtlichen deutschen sprachen
frühst erloschenen ableitungen sind zu halten: a) alle,
welche ich versteckte nenne, d. h. vor deren cons. ein
cons. der wurzel nebst dem ableitungsvocal a (nicht i, u)

III. ableitung. ſchlußbemerkungen.
mehr ähnliche ſubſt. mit -de fortbilden. Was aber der
einen mundart bildbar erſcheint, weiſt leicht die andere
von ſich ab, was jener eine ableitung verdeutlicht, kann
ſich in dieſer verdunkelt haben. Die vierte anm. hebt
das wichtigſte hervor, was die hauptdialecte in der ab-
leitung auszeichnet. Es iſt freilich lehrreich, die ablei-
tungen, welche am tiefſten eingreifen, zulängſt dauern,
fortgeſetzt werden können und deutliche wurzeln erken-
nen (jede aber muß im augenblick ihres urſprungs mit
einer klaren wurzel verbunden worden ſein) zuſammen-
zuſtellen. Unſere nhd. ſchriftſprache beſitzt in dieſem
ſinne nur noch wenige ableitungen. Unter den reinvo-
caliſchen das einzige -e für fem., die von adj. ſtammen,
fühlbar (guͤte, weite von gût, weit) aber nicht fortführ-
bar und in vielen anwendungen veraltet. Schw. verba
mit hülfe des umlauts neu zu bilden verſagt ſie längſt.
Unter den conſonantiſchen ableitungen ſind lebendig ge-
blieben: fürs ſubſt. lein, -chen (verkleinerungen), -in
(movierte fem. ſ. 320.) -er, -ner (handelnde maſc.) -ling
(maſc.) -ung (handlungen) vielleicht auch -nis; fürs adj.
-ig (weniger -icht) und -iſch (aber nicht mehr fürs
ſubſt.); für verbum lebt eigentlich keine ableitung, es
müſten denn -eln (ſ. 115.) oder -ern (ſ. 137.) gewagt wer-
den, die -etzen (ſ. 219.) und -enzen (ſ. 341.) gehören der
volksſprache. Fühlbar bleiben einige mehr, z. b. die ma-
teriellen adj. auf -en, die neutra auf -icht. Es iſt leicht
einzuſehen, wie ſich überhaupt die neuere ſprache von
der ableitung zur compoſition neigt, daß unter jenen
haftenden ableitungen die meiſten durch vorſchiebung
unorg. conſonanten falſchen ſchein zuſ. geſetzter wörter
angenommen haben; die ſprache leitet, ihrer intention
nach, faſt nicht mehr ab.

Dies alles wird rechtfertigen, daß ich in darſtellung
der ableitungen mich ſtreng an die form gehalten habe,
ohne rückſicht auf die ſeltenheit oder geläufigkeit der
einzelnen formeln. Nur wo es nöthig war und angieng,
ſind beſtimmte reihen hervorgehoben (ſ. 161. fem. -anî;
ſ. 261. fem. itî, -ôtî, êtî; ſ. 157. fem. -ns) und geſchie-
den worden (ſ. 113. verkleinerungen -ili; ſ. 125. -r und
-ar; ſ. 217. intenſiva -atjan; ſ. 283. verba -ka; ſ. 289.
adj. -ac).

Für die älteſten, in ſämmtlichen deutſchen ſprachen
frühſt erloſchenen ableitungen ſind zu halten: α) alle,
welche ich verſteckte nenne, d. h. vor deren conſ. ein
conſ. der wurzel nebſt dem ableitungsvocal a (nicht i, u)

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[393/0411] III. ableitung. ſchlußbemerkungen. mehr ähnliche ſubſt. mit -de fortbilden. Was aber der einen mundart bildbar erſcheint, weiſt leicht die andere von ſich ab, was jener eine ableitung verdeutlicht, kann ſich in dieſer verdunkelt haben. Die vierte anm. hebt das wichtigſte hervor, was die hauptdialecte in der ab- leitung auszeichnet. Es iſt freilich lehrreich, die ablei- tungen, welche am tiefſten eingreifen, zulängſt dauern, fortgeſetzt werden können und deutliche wurzeln erken- nen (jede aber muß im augenblick ihres urſprungs mit einer klaren wurzel verbunden worden ſein) zuſammen- zuſtellen. Unſere nhd. ſchriftſprache beſitzt in dieſem ſinne nur noch wenige ableitungen. Unter den reinvo- caliſchen das einzige -e für fem., die von adj. ſtammen, fühlbar (guͤte, weite von gût, weit) aber nicht fortführ- bar und in vielen anwendungen veraltet. Schw. verba mit hülfe des umlauts neu zu bilden verſagt ſie längſt. Unter den conſonantiſchen ableitungen ſind lebendig ge- blieben: fürs ſubſt. lein, -chen (verkleinerungen), -in (movierte fem. ſ. 320.) -er, -ner (handelnde maſc.) -ling (maſc.) -ung (handlungen) vielleicht auch -nis; fürs adj. -ig (weniger -icht) und -iſch (aber nicht mehr fürs ſubſt.); für verbum lebt eigentlich keine ableitung, es müſten denn -eln (ſ. 115.) oder -ern (ſ. 137.) gewagt wer- den, die -etzen (ſ. 219.) und -enzen (ſ. 341.) gehören der volksſprache. Fühlbar bleiben einige mehr, z. b. die ma- teriellen adj. auf -en, die neutra auf -icht. Es iſt leicht einzuſehen, wie ſich überhaupt die neuere ſprache von der ableitung zur compoſition neigt, daß unter jenen haftenden ableitungen die meiſten durch vorſchiebung unorg. conſonanten falſchen ſchein zuſ. geſetzter wörter angenommen haben; die ſprache leitet, ihrer intention nach, faſt nicht mehr ab. Dies alles wird rechtfertigen, daß ich in darſtellung der ableitungen mich ſtreng an die form gehalten habe, ohne rückſicht auf die ſeltenheit oder geläufigkeit der einzelnen formeln. Nur wo es nöthig war und angieng, ſind beſtimmte reihen hervorgehoben (ſ. 161. fem. -anî; ſ. 261. fem. itî, -ôtî, êtî; ſ. 157. fem. -ns) und geſchie- den worden (ſ. 113. verkleinerungen -ili; ſ. 125. -r und -ar; ſ. 217. intenſiva -atjan; ſ. 283. verba -ka; ſ. 289. adj. -ac). Für die älteſten, in ſämmtlichen deutſchen ſprachen frühſt erloſchenen ableitungen ſind zu halten: α) alle, welche ich verſteckte nenne, d. h. vor deren conſ. ein conſ. der wurzel nebſt dem ableitungsvocal a (nicht i, u)

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/411>, abgerufen am 25.11.2024.